Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Bagrjanov, Ivan Ivanov
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Bagrjanov, Ivan Ivanov

Bagrjanov, Ivan Ivanov, bulgarischer Politiker und Staatsmann, * Voden, Bezirk Razgrad 27.11.1891, † Sofia 1.02.1945.

Leben

B. nahm nach der Auflösung der politischen Parteien und der Abschaffung des parlamentarischen Regimes in Bulgarien (1934) als Parteiloser, dem Hofe Nahestehender, am politischen Leben des Landes teil. Von 1938 bis 1941 war er Landwirtschaftsminister in den Kabinetten Georgi Kjoseivanovs und Bogdan Filovs, vom 1. Juni bis zum 2. September 1944 bulgarischer Ministerpräsident. Als Landwirtschaftsminister suchte er Reformen in der Agrarpolitik des Landes durchzuführen; unter seinem Einfluß wurde das sog. „Programm für das bulgarische Land“ ausgearbeitet, das nicht verwirklicht wurde.
In seiner Eigenschaft als Ministerpräsident unternahm B. den mißglückten Versuch, Bulgarien aus dem Dreimächte-Pakt zu entfernen und einen Separatfrieden mit den USA zu schließen. Unmittelbar nach der Übernahme der Regierung hob er in seiner Rundfunkansprache am 3. Juni 1944 hervor, daß „das bulgarische Volk allmählich das Schicksal des Landes in seine eigenen Hände nimmt“. B. gelang es aber nicht, das Vertrauen der von der Bulgarischen Kommunistischen Partei organisierten Vaterländischen Front zu erhalten. Georgi Dimitrov, der zur damaligen Zeit von Moskau aus die Politik der Bulgarischen Kommunistischen Partei leitete, lehnte die Absichten der Regierung B. ab und sah in ihnen nur einen Versuch der Schwächung der Partisanenbewegung in Bulgarien. Unter dem Einfluß B.s beschloß der Ministerrat laut Protokoll 149 vom 25. Juli 1944, alle bulgarischen Okkupationstruppen aus den Territorien abzuziehen, auf die Bulgarien keinen Anspruch erhebt. Truppenteile sollten vorübergehend nur dort stationiert bleiben, wo es unbedingt erforderlich war, um sich zu verteidigen und Eisenbahnlinien und andere Verbindungen mit dem Inneren des Landes zu schützen. Die Ausführung dieses Beschlusses wurde an das Kriegsministerium weitergegeben. In seiner Rede vor der 25. Nationalversammlung am 17. August 1944 machte B. den Versuch, auf neue Weise den Standpunkt Bulgariens zum Krieg darzulegen, indem er erklärte, daß „das bulgarische Volk in seiner überwiegenden Mehrheit niemals den Wunsch gehabt habe, sich in den großen Konflikt zwischen den Großmächten einzumischen“. In derselben Rede bekannte er, daß der bulgarische Staat gezwungen worden sei, einige Auswirkungen des Konflikts zu berücksichtigen, aber bestrebt wäre, den Konflikt nicht auszudehnen und die allgemeinen Leiden zu verringern. B. betonte, daß die Regierung beschlossen habe, alle Faktoren, die der Friedensliebe des Volkswillens widerlaufen - einschließlich die Situation des Okkupationskorps und die europäische Frage - zu beseitigen. Anläßlich dieser veränderten Haltung der Regierung B. zum Dreimächte-Pakt bemerkte der Regent Filov in seinem Tagebuch, daß er sich mit der Politik und den Methoden B.s nicht solidarisch erkläre, aber dessen Abberufung zum gegenwärtigen Zeitpunkt große Komplikationen ergäbe. Im Telegramm Nr. 818 vom 28. August 1944 ordnete Außenminister Draganov unter dem Einfluß B.s die Neutralitätserklärung Bulgariens im Krieg zwischen der Sowjetunion und Deutschland an. Der Sonderbeauftragte Stojčo Mošanov wurde zu Verhandlungen mit den Engländern nach Istanbul und Kairo gesandt. In der Zwischenzeit drangen sowjetische Truppen in Bulgarien ein, und die neue Vaterländische-Front-Regierung schloß mit der sowjetischen Militärführung einen Waffenstillstand und beendete die Mission Mošanovs. B. wurde vom Volksgericht, das zur Bestrafung der Regenten, ehemaliger Minister usw. nach der Machtübernahme der Vaterländischen-Front-Regierung (9.09.1944) mit Kimon Georgiev an der Spitze geschaffen worden war, zum Tode verurteilt.

Literatur

Petrova, Slavka: Borbata na BRP za ustanovjavane narodnodemokratičeskata vlast, maj-septemvri 1944. Sofija 1964.
Božinov, Voin: Političeskata kriza v Bŭlgarija prez 1943-1944. Sofija 1957.

Verfasser

J. Rankoff


GND: 119530937

Weiterführende Informationen: https://prometheus.lmu.de/gnd/119530937

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Empfohlene Zitierweise: J. Rankoff, Bagrjanov, Ivan Ivanov, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 1. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1974, S. 121-122 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=499, abgerufen am: (Abrufdatum)

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