Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

In den Suchergebnissen blättern

Treffer 
 von 1526

Schmidt, Andreas

Schmidt, Andreas, Führer der Deutschen Volksgruppe in Rumänien 1940-1944, Donnersmarkt bei Blasendorf (Mănărade/Blaj) 1912, † Kriegsgefangenenlager in der Sowjetunion 1951, aus einer siebenbürgisch-sächsischen Bauernfamilie.

Leben

 Sch. besuchte in Mediasch die sächsische Stephan-Ludwig-Roth-Schule und das rumänische Lyzeum in Blasendorf, wo er 1930 das Abitur bestand. Nach einem gescheiterten viersemestrigen Jurastudium an der Universität Klausenburg schloß er sich um 1933 dem den reichsdeutschen Arthamanen nahestehenden sächsischen Agronomen Richard Langer in Großschenk (Cincu) an; dieser hatte sich deren autoritär-faschistischen politischen und bäuerlichen Reformvorstellungen angeschlossen und unterstützte in Siebenbürgen die „Deutsche Volkspartei in Rumänien“ (DVR), die seit 1935 bestehende radikal-nationalistische Partei innerhalb der deutschen Minderheit in Rumänien. Durch diese Beziehungen Langers zu den Arthamanen und der DVR und beider Verbindungen zur deutschen SS und Himmler kam Sch. 1935 erstmals nach Berlin. Er begann ein agrarwissenschaftliches Studium, das er 1937 ohne Abschluß aufgab, weil er im politischen Bereich dank seiner eigenen Kontakte zu reichsdeutschen Parteiorganisationen und der SS vor allen anderen im politischen Bereich größere Möglichkeiten sah. Im Winter 1937/38 tauchte er plötzlich in Hermannstadt (Siebenbürgen) auf und betätigte sich auf Weisung der Parteileitung der DVR als Funktionär in der örtlichen Organisation der DVR, einer Partei, die seit 1935 in ihren inneren Machtkämpfen mit der gemäßigten offiziellen Volksorganisation, der „Volksgemeinschaft der Deutschen in Rumänien“ unter Fritz Fabritius immer deutlicher von der reichsdeutschen NSDAP unterstützt wurde. Nach einem weiteren Aufenthalt in Berlin kehrte Sch. im Dezember 1939 nach Hermannstadt zurück und wurde auf direkte Weisung der Volksdeutschen Mittelstelle (VOMI), der seit 1935 existierenden und seit 1937 von der SS geleiteten inoffiziellen Leitstelle zur reichsdeutschen „Betreuung“ aller deutschen Minderheiten in Europa, zum Stabsleiter der „Nationalen Arbeitsfront“ (NAF), der Massenorganisation der deutschen Minderheit, unter dem damaligen, schon stark von Berlin bestimmten Volksgruppenführer Dr. Wolfram Bruckner ernannt. Im September 1940 wurde Sch. von der VOMI zum neuen Volksgruppenführer ernannt, ohne daß auch nur zum Schein das bisher übliche Wahl- und Bestätigungsverfahren der Minderheit beachtet wurde. Bruckner hatte sich geweigert, den von Berlin vorgesehenen Kurs völliger Gleichschaltung zu decken. In den ersten Monaten seiner Amtszeit erfolgte die am 20. November 1940 durch den rumänischen Staatschef Marschall Antonescu ausgesprochene Anerkennung der „Deutschen Volksgruppe in Rumänien“ als juristische Person des öffentlichen Rechts, die die Erlaubnis erhielt, in dem autoritär geführten Staat eine eigene Partei zu gründen, die „NSDAP der deutschen Volksgruppe in Rumänien“. Die weitere Amtszeit von Sch. wurde durch den Zweiten Weltkrieg bestimmt, dessen politische und militärische Anforderungen das Geschehen in Südosteuropa beeinflußten. Beim rumänischen Staatsstreich im August 1944 befand sich Sch. in Budapest, von wo er sich mit einer deutschen Einsatztruppe nach Rumänien durchschlug und im Winter 1944/45 vergeblich versuchte, in Siebenbürgen einen Volksdeutschen Partisanenkampf gegen die sowjetische Armee zu organisieren. Beim Fluchtversuch nach Ungarn wurde Sch. im Januar 1945 gefangengenommen und in ein sowjetisches Kriegsgefangenenlager gebracht, wo er 1951 verstarb. Der Aufstieg von Sch. wurde bestimmt durch seine früh erkennbaren persönlichen Führungsqualitäten und seine hohe Intelligenz, die ihn seine Stelle erfolgreich ausfüllen ließen, ferner seine Bekanntschaft mit später einflußreichen SS-Führern seit der Mitte der 30er Jahre - seine Hochzeit mit der Tochter des SS-Obergruppenführers Gottlob Berger 1940 ist also nicht Start seiner Karriere gewesen - und schließlich durch die Gleichschaltungspolitik der seit 1937 von der SS übernommenen VOMI. Ohne Hausmacht innerhalb der etablierten Führungsschicht der deutschen Minderheit, nahezu unbekannt bei Beginn seiner Tätigkeit als Volksgruppenführer, blieb er auf die Unterstützung Berlins angewiesen und damit, ohne eigenen politischen Spielraum, zwangsläufig das von diesem ausgesuchte Instrument des Dritten Reiches. So wurde er auch von der deutschen Minderheit widerwillig hingenommen in der Erkenntnis der Notwendigkeit der Abhängigkeit von Berlin in der Entwicklung des Weltkrieges. Inwieweit die organisatorische Nachahmung der NSDAP bis in kleinste Details, nur widerwillig toleriert vom rumänischen Staat, von der NSDAP erzwungen wurde, inwieweit der Versuch der ideologischen Ausrichtung der Minderheit im nationalsozialistischen Sinn mit dem fatalen Aspekt des Kirchenkampfes bei den religiös fest verwurzelten Volksdeutschen, insbesondere den evangelischen Siebenbürger Sachsen, von der SS gewünscht wurde, oder ob beides von Sch. selbst gewollt wurde, bleibt unklar. Bei seiner verschlossenen und kühl distanzierenden menschlichen Verhaltensweise sind seine persönlichen Motive kaum erkennbar. Sein Versuch, im Winter 1943/44 in Berlin auf den bevorstehenden Umsturz in Rumänien hinzuweisen und im Interesse der Minderheit und der militärischen Entwicklung Einfluß auf die Berliner Politik zu nehmen, schlug fehl. So blieb Sch. bis zuletzt, was er von Anfang an gewesen war, das ausführende Organ des Dritten Reiches.

Literatur

Hillgruber, Andreas: Hitler, König Carol und Marschall Antonescu. Die deutsch-rumänischen Beziehungen 1938-1944. Wiesbaden 1965(2).
Jacobsen, Hans-Adolf: Nationalsozialistische Außenpolitik. Frankfurt 1968.
Miege, Wolfgang: Das Dritte Reich und die Deutsche Volksgruppe in Rumänien 1933-38. Bern, Frankfurt 1972.

Verfasser

Wolfgang Miege (GND: 108141950)


GND: 129441333

Weiterführende Informationen: https://prometheus.lmu.de/gnd/129441333

RDF: RDF

Vorlage (GIF-Bild):  Bild1   Bild2   

Empfohlene Zitierweise: Wolfgang Miege, Schmidt, Andreas, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 4. Hgg. Mathias Bernath / Karl Nehring. München 1981, S. 95-96 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1633, abgerufen am: (Abrufdatum)

Druckerfreundliche Anzeige: Druckerfreundlich

Treffer 
 von 1526
Ok, verstanden

Website nutzt Cookies, um bestmögliche Funktionalität bieten zu können. Mehr Infos