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Schuller, Johann Karl, siebenbürgisch-sächsischer Historiker, Volkskundler und Sprachwissenschaftler, * Hermannstadt (Nagyszeben, heute Sibiu) 16.03.1794, † ebd. 10.05.1865.
Leben
Sch. entstammte einem siebenbürgisch-sächsischen evangelischen Pfarrhaus und wuchs in gelehrter Atmosphäre auf. Sein Vater, Johann Georg Schüller (1763-1830), betrieb neben philosophischen auch wortkundliche Studien, die die Grundlage der von Sch. 1865 in Prag herausgegebenen „Beiträge zu einem Wörterbuche der siebenbürgisch-sächsischen Mundart“ bildeten. Nach dem Besuch des renommierten Gymnasiums in Hermannstadt bezog Sch. in den Wirren des sich seinem Ende zuneigenden Napoleonischen Zeitalters zwischen 1812 und 1814 die Universitäten zu Leipzig und Wien. Ab Herbst 1814 war er Lehrer am Hermannstädter Gymnasium, zu dessen Rektor er 1831 berufen wurde. 1836 legte er dieses Amt aus gesundheitlichen Gründen nieder, blieb aber bis 1849 Professor an seiner Schule. Im März des Revolutionsjahres 1849 mußte er wegen seiner österreichischen Gesinnung, die er eifrig publizistisch verfochten hatte, nach Bukarest fliehen. Ab Juli nahm er an den Beratungen zu einer Reorganisation des siebenbürgischen Schulwesens in Wien teil. Sch. nutzte seinen Wiener Aufenthalt zu emsigen Archivstudien über die Zeit Ferdinands I. und Szapolyais. Nach seiner Rückkehr nach Hermannstadt war er k.k. Statthalterei-Sekretär und ab 1855 k.k. Schulrat für die evangelischen Schulen Siebenbürgens. Durch seine vielseitige Tätigkeit als Schulmann, Philologe, Historiker, Volkskundler, Publizist, Übersetzer und wissenschaftlicher Organisator zählt Sch. zu den verdienstvollsten und einflußreichsten Gestalten im geistigen Leben der Siebenbürger Sachsen des 19. Jh.s. Er hatte maßgeblichen Anteil an der Gründung des „Vereins für siebenbürgische Landeskunde“ (1840) und an dessen Publikationsorgan, dem „Archiv für die Kenntnis von Siebenbürgens Vorzeit und Gegenwart“, dessen Fortsetzung dann das „Archiv des Vereins für siebenbürgische Landeskunde“ wurde. Seine Mitgliedschaft bei zahlreichen in- und ausländischen gelehrten Gesellschaften (Kaiserliche Akademie der Wissenschaften zu Wien, Gesellschaft für deutsche Sprache zu Berlin u.a.) und sein reger Kontakt zu rumänischen (Pavel Vasici) und ungarischen (Graf József Teleki, József Kemény) Fachkollegen halfen mit, die Isolation der Wissenschaften in Siebenbürgen zu überwinden. In seinem umfangreichen wissenschaftlichen Werk nehmen die historischen Veröffentlichungen zur Geschichte Siebenbürgens den wichtigsten Platz ein. („Historia critica Reformationis Capituli Cibiniensis“, 1819; „Georg Reicherstorffer und seine Zeit“, in: Archiv für die Kunde österreichischer Geschichtsquellen, Bd 21, 1859; „Umrisse und kritische Studien zur Geschichte von Siebenbürgen“, 3 Hefte, 1840, 1851, 1872 u.a.). Sch. hat sich aber auch bleibende Verdienste bei der Sammlung und Verbreitung der rumänischen Volksdichtung erworben, die er mit mehreren Ausgaben einem breiteren Publikum zugänglich machte („Kloster Argisch, eine romanische Volkssage“, 1858; „Über einige merkwürdige Volkssagen der Romanen“, 1857; „Romanische Volkslieder“, 1859 u.a.).
Literatur
Rannicher, Jakob: Johann Karl Schuller. In: Schuller, Johann Karl: Beiträge zu einem Wörterbuche der siebenbürgisch-sächsischen Mundart. Prag 1865, V-XV (mit Bibliographie).
Schullerus, Adolf: [Vorwort zu] Siebenbürgisch-Sächsisches Wörterbuch. Bd 1. Leipzig, Berlin 1907, XVII-XXI.
Engber, Carl: Volkskundler, Historiker, Schulmann. Ein Beitrag zur Erinnerung an den Gelehrten Johann Carl Schüller. In: Neuer Weg, 27. Sept. 1975, Nr. 8203, S. 3.
Goţia, Anca: Johann Karl Schuller und die rumänische Folklore. In: Forsch. Volks- u. Landeskde 18 (1975) 1, 90-97.
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