Stürgkh, Karl Graf, österreichischer Politiker, * Graz 30.10.1859, † (ermordet) Wien 21.10.1916, Sohn des Besitzers der Fideikommißgüter von Halbenrain (Steiermark) Karl Cajetan Graf St. und der Eleonore Gräfin Meraviglia-Crivelli.
Leben
St. trat nach Absolvierung des Gymnasiums und der juristischen Studien in Graz 1881 bei der Grazer Statthalterei in den Staatsdienst; 1886 wechselte er nach Wien in das Unterrichtsministerium über. Am 12. März 1891 wurde er vom steirischen Großgrundbesitz in das Abgeordnetenhaus des Reichsrates gewählt, ebenso auch in den steirischen Landtag. Ab 1897 trat er als Führer des verfassungstreuen Großgrundbesitzes parlamentarisch in den Vordergrund. Das Ministerium Ernest von Koerber (1900-1904) unterstützte er durch Herausgabe der „Morgenpost“. Als einer der führenden Gegner des Allgemeinen Wahlrechts verlor St. 1907 sein Mandat, wurde aber in das Herrenhaus berufen. Unterrichtsminister unter den Ministerien Richard Graf Bienerth-Schmerling (1908-1911) und Paul Freiherr Gautsch von Frankenthurn (1911), deutete sich mit seiner Berufung zum Ministerpräsidenten am 3. November 1911 die Abwendung Kaiser Franz Josephs I. von den „parlamentarischen“ Regierungen an.
In der Nationalitätenfrage gelang dem reinen Beamtenministerium, das sich vor allem auf die deutschen Parteien stützte, zwar der galizische Ausgleich (Juli 1914), in Böhmen beantwortete St. jedoch das Scheitern der Ausgleichsverhandlungen mit der Sistierung der Landesverfassung und Aufhebung der Landesautonomie am 26. Juli 1913, womit erste Anzeichen eines autoritären Kurses gegeben waren. Vor dem Hintergrund der Balkankriege leitete St. - Anhänger eines offensiven Verhaltens gegenüber Serbien - eine verstärkte Aufrüstung und Militarisierung ein, so 1912 mit der Vereinbarung mit dem gemeinsamen Kriegsministerium bezüglich des „Kriegs-Uberwachungsamtes“, 1913 mit dem Kriegsleistungsgesetz, der Militär-Strafprozeßordnung und dem neuen Wehrgesetz. Obstruktion von tschechischer Seite nahm er schließlich zum Anlaß, um am 16. März 1914 den Reichsrat zu vertagen. In der Julikrise Befürworter eines raschen Vorgehens gegen Serbien, wurde am 25. Juli 1914 eine Reihe von Verordnungen auf der Basis des § 14 verlautbart, mit denen der Grundstein für eine Kriegsdiktatur gelegt wurde. Die Aufhebung der staatsbürgerlichen Grundrechte, Aufhebung der Schwurgerichte und Unterstellung auch politischer Verbrechen unter die Militärgerichtsbarkeit sowie Unterordnung ziviler Behörden unter das Militär gingen über das Maß von Ausnahmegesetzen anderer Staaten hinaus. Vor allem auf die Zustimmung der deutschsprachigen öffentlichen Meinung gestützt, beschränkte sich St. weitgehend auf die Wahrnehmung von Maßnahmen der Kriegsverwaltung, wodurch er in immer stärkeren Widerspruch zu den nichtdeutschen Nationalitäten geriet. Zusätzlich führte der Anspruch des Armeeoberkommandos auf stärkeren Einfluß auf den zivilen Verwaltungssektor zu Konflikten, während die Verbindungen zu Ungarn mehr und mehr abgeschwächt wurden, da die Wahl von Delegationen auf Grund der Sistierung des Parlaments nicht möglich war. Wegen seiner Verantwortlichkeit für das politische Geschehen wurde St. am 21. Oktober 1916 Ziel eines Revolverattentates des sozialdemokratischen Parteisekretärs Friedrich Adler, dem er erlag.
Literatur
Redlich, Joseph: Österreichische Regierung und Verwaltung im Weltkriege. Wien 1925.
Fussek, Alexander: Ministerpräsident Graf Stürgkh und die parlamentarische Frage. In: Mitt. österr. Staatsarch. 17/18 (1964/65) 337-358.
Ders.: Graf Stürgkh und Graf Tisza. In: Österr. Gesch. u. Lit. 8 (1964) 427-431.
Ders.: Ministerpräsident Graf Stürgkhs Einstellung zu Italien. In: ebd. 9 (1965) 13-17.
Ders.: Die Frage des böhmischen Ausgleichs vor Beginn des Ersten Weltkrieges. In: ebd. 11 (1967) 65-71.
Ders.: Die Ausschaltung des Parlaments im Jahre 1914. In: ebd. 12 (1968) 386-391.
Ders.: Der Kramarž-Prozeß und die Haltung des österreichischen Ministerpräsidenten. In: ebd. 13 (1969) 105-112.
Ders.: Die Haltung des österreichischen Ministerpräsidenten Stürgkh zu Kriegsbeginn 1914. In: ebd. 13 (1969) 235-239.
Führ, Christoph: Das k.u.k. Armeeoberkommando und die Innenpolitik in Österreich 1914-1917. Graz, Wien, Köln 1968.
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