Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Tavčar, Ivan
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Tavčar, Ivan

Tavčar, Ivan, slowenischer Politiker und Schriftsteller, * Pölland bei Bischoflack, Oberkrain (Poljane nad Škofjo Loko) 28.08.1851, † Laibach (Ljubljana) 19.02.1923.

Leben

Einer kinderreichen, kleinbäuerlichen Familie entstammend, studierte T. an der Wiener Universität 1871-1875 Jus. Nach mehrjähriger Praxis als Konzipient gründete er 1884 seine eigene Rechtsanwaltskanzlei in Laibach, die ihm den Weg zu hohen politischen Funktionen eröffnete. Von 1884 bis 1921 gehörte er dem Laibacher Gemeinderat an, war 1909-1910 Vizebürgermeister und 1911-1921 Bürgermeister der Stadt Laibach. Mitglied des Landtags von Krain war T. von 1889 bis 1918 und gehörte von 1896 bis 1912 dem Landesausschuß an. Von 1901 bis 1906 war er Abgeordneter zum Wiener Reichsrat. Nach dem Zusammenbruch der österreichisch-ungarischen Monarchie wurde ihm in der slowenischen Nationalregierung (Narodni svet) die Obsorge für Ernährungsfragen übertragen. Bereits schwer krank, trat er als Abgeordneter zur konstituierenden Nationalversammlung des Königreichs SHS nicht mehr besonders in Erscheinung. Neben seinen politischen Funktionen war er 1900 einer der Mitbegründer der ersten slowenischen Bank, der Laibacher Kreditbank (Ljubljanska kreditna banka), deren Präsident er von 1916 bis zu seinem Tode war.
Schon während seiner Studienzeit schloß sich T. den liberalen Jungslowenen an. Unzufrieden mit der gemäßigten Politik des in der „sloga“ („Einheit“) vereinten slowenischen politischen Lagers, die den Slowenen während der Regierungszeit Taaffes nur kleinere nationale Zugeständnisse brachte, wurde T. neben Ivan Hribar 1883-1886 zum Führer einer radikal-nationalen Opposition innerhalb der slowenischen Liberalen. Gemeinsam mit Hribar gründete er 1884 die politische Zeitschrift „Slovan“ („Der Slawe“), der er aber als Hauptmitarbeiter im Laufe ihres Erscheinens bis 1887 wegen seiner literarischen Neigung einen zunehmend belletristischen Charakter verlieh. Die radikal-nationalen Liberalen forderten ein entschiedenes Vorgehen gegen den unverhältnismäßig starken politischen Einfluß der Deutschen und eine gesamtslowenische Politik anstelle des Festhaltens an der Landesautonomie und den Landesinteressen. Vorübergehend klangen auch unklare pan- slawistische Tendenzen an. Der Streit innerhalb der Liberalen endete 1886 angesichts der zunehmend erstarkenden Konservativen. Als sich in der Folge der kämpferische Katholizismus bei den Konservativen durchzusetzen begann, wurde T. zum Hauptverfechter des Liberalismus bei den Slowenen und Führer der Nationalen Partei, die sich ab 1905 Nationalfortschrittliche Partei nannte.
Von größter Bedeutung ist T.s literarische Tätigkeit. In seiner Frühphase (ab 1871) schuf er, beeinflußt von Christian Friedrich Grabbe, mit seinen lyrisch-dramatischen Novellen romantischen Inhalts eine neue Abart in der slowenischen Erzählkunst. Als in den 80 er Jahren der vom katholischen Theologen Anton Mahnič entfachte Kulturkampf seinem Höhepunkt zustrebte, griff T. entschieden in die Diskussion ein und rechnete in der ironischutopischen Satire ,,4000“ (,,Im Jahr 4000“) mit dem zur politischen und kulturellen Herrschaft strebenden dogmatischen Klerikalismus ab. Seine beiden Spätwerke „Cvetje v jeseni“ („Herbstblüten“) und „Visoška kronika“ („Chronik von Visoko“) gehören zu den eigenartigsten und meistgelesenen Kunstwerken der slowenischen Prosa. In ihnen wird das selbständige, patriarchalische slowenische Bauerntum als Quelle der Volkskraft verherrlicht. Die letzte Ausgabe von T.s gesammelten Werken wurde 1952/59 in 8 Bänden herausgegeben.

Literatur

Lah, Ivan: Vodniki in preroki. Ljubljana 1929.
Slodnjak, Anton: Geschichte der slowenischen Literatur. Berlin 1958.
Prijatelj, Ivan: Slovenska kulturno-politična in slovstvena zgodovina 1848-1895. 5 Bde. Ljubljana 1955/66.
Gestrin, Ferdo u. Vasilij Melik: Slovenska zgodovina od konca osemnajstega stoletja do 1918. Ljubljana 1966.
Berčič, Branko: Mladost Ivana Tavčarja. Ljubljana 1971.
Boršnik, Marja: IvanTavčar. Leposlovni ustvarjalec. I. 1863-1893. Maribor 1974.

Verfasser

Andreas Moritsch (GND: 123957184)


GND: 136559069

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Empfohlene Zitierweise: Andreas Moritsch, Tavčar, Ivan, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 4. Hgg. Mathias Bernath / Karl Nehring. München 1981, S. 274-275 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1749, abgerufen am: (Abrufdatum)

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