Ureche, Grigore, moldauischer Chronist, * in der Moldau um 1590, † ebd. 1647, Sohn des Großbojaren Nestor U.
Leben
U. gehörte einem Großbojarengeschlecht an, dessen Vorfahren bereits in der zweiten Hälfte des 15. Jh.s urkundlich erwähnt wurden. Er spielte eine vorrangige Rolle im politischen und kulturellen Leben der Moldau in der ersten Hälfte des 17. Jh.s. Nach Studien in Lemberg, wo er sich eine humanistische Bildung erwarb, kehrte U. in die Moldau zurück und begann seine administrative Laufbahn als dritter Logothet der Fürstenkanzlei (1628). Nach dieser ersten Funktion, bei deren Ausübung ihm seine Fremdsprachenkenntnisse (Latein, Kanzleislawisch, Polnisch und wahrscheinlich Griechisch) gute Dienste leisteten, stieg U. rasch die Leiter der Hofwürden empor; er schloß sein cursus honorum mit dem Amt eines Statthalters der unteren Moldau (1641-1647) in der Herrschaftszeit Vasile Lupus, dessen enger Mitarbeiter er war.
Die besondere Bedeutung U.s in der rumänischen Geschichte ist nicht so sehr auf seine politische als vielmehr auf seine literarische Tätigkeit zurückzuführen. Seine Schrift „Letopiseţul Ţării Moldovei“ (Chronik der Moldau) eröffnet die Reihe der großen Werke der rumänischen Geschichtsschreibung im 17. Jh. und in den ersten Dezennien des 18. Jh.s. Mit der Chronik von U. vollzieht sich in der rumänischen Kultur der Übergang von den Annalen zur Chronik, von der Geschichtsschreibung in mittelslawischer zu jener in rumänischer Sprache.
Die Chronik U.s umfaßt eine einheitliche Darlegung der Geschichte der Moldau von ihren Anfängen bis Ende des 16. Jh.s im Rahmen der Geschichte der Nachbarstaaten. Seine Darlegung stützt sich auf die moldauischen Annalen in mittelslawischer Sprache aus dem 15. und 16. Jh., auf polnische und abendländische Quellen. Für den Schlußteil seiner Chronik hat U. Familienerinnerungen benützt, vor allem jene seines Vaters, der in den politischen Ereignissen der Moldau gegen Ende des 16. und zu Beginn des 17. Jh.s eine wichtige Rolle gespielt hat.
Die Chronik U.s wird noch von der mittelalterlichen theologischen Auffassung beherrscht; der ganze Verlauf der Geschichte wird nach Auffassung U.s vom Willen der Göttlichkeit geleitet. Auf sozialpolitischer Ebene ist U. Vertreter der Interessen des Groß- bojarentums. Von den polnischen Realitäten beeinflußt, spricht er sich entschieden gegen eine autoritäre Herrschaft des Landesfürsten aus. Als Anhänger eines aristokratischen Regimes geht er bis zur Rechtfertigung des Tyrannenmordes, d.h. der Ermordung der Fürsten, die versucht haben, autoritär zu regieren.
Mit dem Werk U.s werden die Idee der romanischen Herkunft der Rumänen (durch die Sprache belegt) und der Einheit der Rumänen in der Moldau, in Siebenbürgen und in der Walachei erstmals in der rumänischen Geschichtsschreibung aufgeworfen. Dieser Gedanke bildete dann den roten Faden des rumänischen historischen Denkens im 17. und 18. Jh. Die Chronik von U. nimmt auch einen bedeutenden Platz in der Entwicklung der rumänischen literarischen Sprache ein.
Ausgaben des „Letopiseţul Ţării Moldovei pînă la Aron Vodă (1359-1595)“ wurden besorgt von Constantin Giurescu (1916, 19433), Petre P. Panaitescu (1958) und Liviu Onu (1967).
Literatur
Barwiński, Eugeniu de: Ştirĭ nouă asupra familieĭ Ureche. In: Prinos luĭ D. A. Sturdza. Bucureşti 1903, 199-211.
Panaitescu, Petre P.: Influenţa polonă în opera şi personalitatea cronicarilor Grigore Ureche şi Miron Costin. In: Academia Română, Memoriile secţiunii istorice, Serie III, Bd 4 (1924/25) 149-372.
Ders.: Introducere la Grigore Ureche: Letopiseţul Ţării Moldovei. Bucureşti 1958, 7-60.
Onu, Liviu: Studiul introductiv la Grigore Ureche: Letopiseţul Ţării Moldovei. Bucureşti 1967, 5-54.