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Vörösmarty, Mihály, ungarischer Dichter, Schriftsteller und Dramatiker, * Kápolnásnyék (Komitat Fejér) 1.12.1800, † Pest 19.11.1855, aus einer kinderreichen kleinadeligen Familie ohne Grundbesitz; sein Vater war Verwalter, später Pächter bei dem Grafen Nádasdy.
Leben
Nach Abschluß seiner Mittelschuljahre bei den Stuhlweißenburger bzw. Pester Piaristen studierte V. Jurisprudenz an der Pester Universität. Zwischendurch war er von 1817 bis 1824 Erzieher bei der reich begüterten Adelsfamilie Perczel im Komitat Tolna. Einer der Söhne dieser Familie, die zu dem großen Teil des Komitatsadels gehörte, der zur absolutistischen Politik des Wiener Hofes in scharfer Opposition stand, nämlich Mór Perczel, sollte in den Jahren 1848/49 zu einem wegen seiner radikalen Einstellung berühmten General werden. Aus der oppositionellen und nationalistischen Atmosphäre dieser Umgebung entstand in den Jahren 1823-1825 das in langen Hexametern geschriebene Epos über die ungarische Landnahme: „Zalán futása“ (Zalans Flucht), das V. mit einem Schlag zu einem im ganzen Land berühmten Dichter machte; er wurde zum Mitglied der in der Gründungsphase befindlichen Akademie gewählt. Gerade dieses Epos zählte man früher in der ungarischen Literaturgeschichte zu den Anfängen des ungarischen Vormärz. Für V. bedeutete es den Höhepunkt seiner ungefähr zweieinhalb Jahrzehnte umfassenden Karriere. Einerseits entfaltete sich damals seine überaus kraftvolle Liebeslyrik sowie seine philosophische Lyrik, eine der Höchstleistungen der ungarischen Dichtung der Romantik, andererseits nahm er sehr aktiv am öffentlichen Leben teil. In seinen Gedichten widerspiegelt sich der Einfluß seiner in das ungarische Mittelalter zurückblickenden historischen Epen und Dramen und deren starker Patriotismus sowie ein schon unmittelbarer Bezug zu den Ansprüchen der bürgerlichen Umgestaltung und nationalen Erneuerung Ungarns. Das gleiche gilt auch für seine politische Dichtung, die sehr empfindsam auf diese Entwicklung reagierte; zu den bedeutendsten Stücken dieser Art gehören „Szózat“ (Mahnwort, 1836) und „Fóti dal“ (Das Lied von Föt, 1844). Doch spielte der Dichter auch eine bedeutende Rolle bei den literaturorganisatorischen Arbeiten der Akademie sowie als einer der Organisatoren der Wörterbücher und grammatisch-orthographischen Arbeiten, die für die bürgerliche Entwicklung Ungarns von großer Bedeutung waren. Daneben arbeitete V. an den großen kultur- und literaturkritischen Zeitschriften seiner Zeit und deren Redaktion mit: „Tudományos Gyűjtemény“ (Wissenschaftliche Sammlung) und „Athenaeum“. In dieser Zeit war V. erster Vorsitzender und wiederholt stellvertretender Vorsitzender des „Nemzeti Kör“ (Nationalen Kreises), der die Literaturbegeisterten und -interessierten der armen kleinadeligen und bürgerlichen Intellektuellen zusammenschloß und der als erster auf Empfehlung von V. die Gedichte Petöfis herausgegeben hat.
V. unterhielt enge Verbindungen mit den Führern der nationalliberalen Opposition, in erster Linie mit Ferenc Deák, und wurde Mitglied des „Schutzvereins“ (Védegylet), den Kossuth organisierte und der die heimische Industrie mit einem Boykott der österreichischen Konkurrenz fördern wollte. Im Jahre 1843 verheiratete er sich mit der um 25 Jahre jüngeren Laura Csajdghy. Es überrascht also nicht, wenn der Dichter V. - dessen Karriere schon in so großem Ausmaß den allgemeinen Zug in der osteuropäischen Entwicklung aufzeigte, der die gegen den fremden Absolutismus gerichteten bürgerlichen und zugleich nationalen Unabhängigkeitsbestrebungen vertrat und mit seinen kräftigen Schilderungen für diesen Kampf eine so große, für die nationale Vergangenheit romantisch begeisterte Masse mobilisierte und damit auch die Laufbahn anderer zeitgenössischer Dichter beeinflußte - wenn also V. im Jahre 1848 vom ersten Tag der bürgerlichen Revolution an sich aktiv in das politische Leben einschaltete. V. wurde Mitglied des führenden Organs der Pester Revolution, des Ausschusses für öffentliche Sicherheit (Közcsendi Bizottmány), auf Empfehlung von Kossuth sodann Reichstagsabgeordneter des Bezirks von Bácsalmás. Auf dem Reichstag schloß sich V. längere Zeit dem liberalen Adel an und folgte der Regierung nach Debreczin, später auch nach Szeged und Arad. In der Zwischenzeit jedoch war V. auch mit den radikalen Politikern in Verbindung getreten: noch vor der Unabhängigkeitserklärung vom 14. April 1849 unterschrieb er das die Republik fordernde Programm der Radikalen Partei. Während des kurzen Aufenthaltes der Regierung in Pest ernannte ihn diese zum Richter des Gnadensenats. Nach der Waffenniederlegung von Világos versteckte sich V. in der Provinz, stellte sich aber bald den Behörden, die jedoch gegen den körperlich wie seelisch vollständig gebrochenen Dichter kein Gerichtsverfahren einleitete. Den Möglichkeiten eines öffentlichen Wirkens beraubt, von angegriffener Gesundheit und mit materiellen Schwierigkeiten kämpfend, lebte V. eine Zeitlang in der Provinz. Dort schrieb er sein letztes großes Gedicht, in dem sich die Bitterkeit seines Sturzes widerspiegelt: ,,A cén cigány“ (Der alte Zigeuner, 1854). Später zog er nach Pest zurück, wo er am 19. November 1855 starb. Sein Begräbnis gestaltete sich unter der Teilnahme von nahezu 20000 Menschen zu einer riesigen politischen Demonstration, genauso wie im ganzen Land Nachrufe kirchlichen und weltlichen Charakters auf ihn gehalten wurden.
Literatur
Gyulai, Pál: Vörösmarty életrajza. Pest 1866 (mit zahlreichen Auflagen).
Tóth, Dezsö: Vörösmarty Mihály. Budapest 1957.
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