Ahmed I., osmanischer Sultan 1603-1617, * Manisa 9.05.1588 (18.04.1590?), † Istanbul 22.11.1617, Sohn Sultan Mehmeds III. und der Handan Sultan.
Leben
Als der fünfzehnjährige A. ohne die übliche Vorschule der Provinzverwaltung durchlaufen zu haben, überraschend am 22. Dezember 1603 den Thron bestieg, stand das Reich im Krieg mit Österreich (1593-1606), der persische Schah griff im Osten an, um die Verluste des Friedens von 1590 wettzumachen, und in Anatolien flackerte Aufruhr. Von seinem Lehrer Mustafa und dem Schejch ül-Islam beraten, beschloß der Sultan, ein Heer gegen die Perser zu senden, aber gleichzeitig den Krieg in Ungarn durch die Entsendung des Großwesirs voranzutreiben. Erfolge stellten sich indes erst ein, als der tüchtige Feldherr Lala Mehmed Pascha zum Großwesir ernannt wurde. In der Allianz mit dem siebenbürgischen Fürsten Stephan Bocskay nahm er Waitzen, Weszprim, Palota und vor allem Gran ein und krönte seinen Verbündeten im Namen des Sultans in Ofen zum König von Ungarn. Der Sultan vergalt ihm seine Dienste durch einen rüden Empfang in der Hauptstadt, eine Wirkung seines machtgierigen Günstlings Derviş Pascha.
Inzwischen hatten die Niederlagen gegen die Perser die Ordnung in Anatolien völlig zerrüttet. Allenthalben zeigten sich Rebellen wie Kalenderoğlu, Muslî Çavuş und Cemşid, in Syrien erklärte sich Canbuladzade Ali förmlich zum Herrscher und verbündete sich mit dem ebenfalls aufständischen Drusenemir Fahred-Din und Ferdinand I., Großherzog der Toscana. In dieser Lage erschien ein Frieden in Ungarn wünschenswert. Kuyucu Murad Pascha führte die Verhandlungen zum Frieden von Zsitvatorok (11.11.1606). Dieser sicherte den Osmanen die neuesten Eroberungen; ihr Verlust war protokollarisch-finanziell: sie verzichteten auf den Jahrestribut für Ungarn gegen eine einmalige Abfindung von 200 000 Thalern und anerkannten den bisher tributpflichtigen „König von Wien“ als gleichgestellten „Çasar“, Kaiser, womit sie den neuen Machtverhältnissen Rechnung trugen.
So gesichert bestallte A. denselben greisen Murad Pascha als Großwesir und schickte ihn gegen die anatolischen Rebellen. Hart, verschlagen und skrupellos beseitigte dieser die Anführer in Syrien und Anatolien. Nur gegen den Drusenemir gelang kein Erfolg. Erst dann sah der Großwesir die Zeit für einen Zug gegen Schah Abbas gekommen, den des Sultans theologische Berater schon lange forderten. Indes besaß A. Einsicht genug, sich den besseren Argumenten und der Tüchtigkeit des Wesirs zu beugen. Murad Pascha leitete noch Friedensverhandlungen mit dem Schah ein, die 1611 zu einem Vertrag führten und starb dann. Wenige Jahre später lebte aber der Krieg mit Persien wieder auf.
A. war schwankend, aber unbarmherzig in seinen Entschlüssen, doch er war nicht ganz ohne Tatkraft und Einsicht. Sein persönliches Interesse galt dem Wohlleben, der Jagd, der Religion und dem Recht. Dem entsprang der Bau seiner herrlichen Moschee in Istanbul und der Auftrag zur Kodifizierung der osmanischen Gesetze an Ayni Ali.
Literatur
Hammer: Bd 4.
Zinkeisen: Bd 3.
Naᶜîmâ: Ta’rîḫ. Bde 1-2. Istanbul 1864.
Pečevî, Ibrâhîm: Ta’rîh. Bd 2. Istanbul 1866.
Kâtib Čelebi: Fezleke. Bd 1. Istanbul 1869.
Barozzi, Nicolò und Guglielmo Berchet (Hrsg.): Le Relazioni degli Stati Europei Lette al Senato dagli Ambasciatori Veneziani nel Secolo Decimosettimo. Serie V: Turchia. I, 1. Venedig 1871.
Tischendorf, Paul Andreas von: Das Lehnswesen in den moslemischen Staaten insbesondere im Osmanischen Reiche. Mit dem Gesetzbuche der Lehen unter Sultan Ahmed I. Leipzig 1872.
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Leitsch, Walter: Sultan Ahmed I. und Michail Romanov im Jahre 1614. Der Beginn einer neuen Epoche in den russisch-türkischen Beziehungen. In: Jb. Gesch. Osteuropas N. F. 4 (1956) 246-261.