Bury, John Bagnell, englischer Philologe und Historiker (Byzantinist), * Grafschaft Monaghan 16.10. 1861, † Rom 1.06.1927.
Leben
Schon als Kind wurde B. von seinem Vater, einem anglikanischen Geistlichen, in den klassischen Sprachen unterrichtet. Erst vier Jahre alt soll er schon mit Latein angefangen haben, mit zehn Jahren beherrschte er die griechische Grammatik. 1893 wurde er Professor für moderne Geschichte am Trinity College in Dublin, wo er auch seine Studien gemacht hatte, und 1898 außerdem Regius Professor für Griechisch. 1902 wurde er als Regius Professor für moderne Geschichte nach Cambridge berufen; diesen Lehrstuhl behielt er bis zu seinem Tode.
Eine überraschende bahnbrechende Leistung war B.s erstes großes Werk auf dem Gebiet der Byzantinistik: eine zweibändige „History of the Later Roman Empire, 395-800“, die 1889 erschien. Außer vielen bedeutenden Spezialstudien folgten diesem Werk zwei weitere umfassende Darstellungen byzantinischer Geschichtsperioden: „A History of the Eastern Roman Empire from the fall of Irene to the accession of Basil I, 802-867“ (London 1912) und „History of the Later Roman Empire from the death of Theodosius I to the death of Justinian, 395-565“ (2 Bde, London 1923). Auch besorgte B. eine meisterhafte Neuauflage von Gibbons „Decline and Fall of the Roman Empire“ (1896-1900). Grundlegend waren B.s Forschungen auf dem Gebiet der byzantinischen Verwaltungsgeschichte, die sein besonderes Interesse hatte. Neben dem berühmten Meisterwerk „The Imperial Administrative System in the Ninth Century With a Revised Text of The Kletorologion of Philotheos“ (London 1911), verdient hier die zu wenig beachtete Arbeit „The Constitution of the Later Roman Empire“ (Cambridge 1910) erwähnt zu werden. Beiträge zur Geschichte der Länder Südosteuropas lieferte B. vor allem in Buchbesprechungen. Eine wichtige Diskussion löste er aus mit seinem Aufsatz „The Chronological Cycle of the Bulgarians" (Byzant. Z. 19 (1910) 127-144), der 1912 in Kasan auch in russischer Übersetzung erschien. Etwas außer dem Rahmen seines übrigen Oeuvre fällt B.s Beitrag „Russia, 1462-1682“ in „The Cambridge Modern History“ (Bd 5, S. 477-517). In „L’Allemagne et la Civilisation slave“ (London 1915) spürt man den Einfluß des Ersten Weltkrieges.
In seiner Geisteshaltung war B. ein Rationalist. Zum religiösen Element in der byzantinischen Geschichte hatte er keine innere Beziehung, wie seine Ausführungen zu kirchengeschichtlichen Themen, etwa zum Bilderstreit, verraten. Im übrigen zeichnen seine Werke sich aus durch große Gelehrsamkeit, Schärfe der Analyse und strenge Methodik. Die große Synthese war nicht seine Stärke.