Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

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Černorizec Chrabŭr

Černorizec Chrabŭr, bulgarischer Schriftsteller des 9./10. Jh.s.

Leben

Die literarische Persönlichkeit, die sich hinter diesem Namen oder Pseudonym („Mönch Chrabr“ oder „ein tapferer Mönch“) verbirgt, konnte bisher trotz eifriger Bemühungen und zahlreicher Hypothesen nicht ermittelt werden. Ähnlich vage verhält es sich mit der Lebenszeit des Autors. Schließlich steht nicht einmal die Singularität seiner Person fest.
Die Ursache aller Anstrengungen ist das „Skazanije Černorizca Chrabra o piśmenech“ (Erzählung des Mönches Ch. von den Buchstaben), ein zur Verteidigung der slawischen Kirchensprache geschriebener Traktat, der nach Inhalt und Form nicht nur im Rahmen der altbulgarischen Kulturgeschichte von eminenter Bedeutung ist. Č. will nämlich den Byzantinern unter Zuhilfenahme von längeren Zitaten aus ihren Schriftstellern und durch seine geschickte Argumentation von geradezu journalistischer Art nichts anderes beweisen, als daß die slawische Schrift und die slawische Bibelübersetzung dem griechischen Alphabet und der griechischen Septuaginta in jeder Hinsicht völlig gleichwertig sind. Im Hinblick auf die Entstehungsart der beiden Errungenschaften, die bei den Griechen lange Jahre in Anspruch genommen und viele Gelehrte beschäftigt haben, während den Slawen ihr heiligmäßiger Lehrer Konstantin-Kyrill alles in kürzester Frist und allein beschert hat, ist sogar den slawischen der Vorzug einzuräumen. Der für seine Zeit kühne Versuch, eindeutig gegen die Hegemonie der griechischen Kirchensprache gerichtet, wurde offenbar aus einem konkreten Anlaß verfaßt. So merkt man der ganzen Beweisführung des Skazanije an, wie sehr es auf bestimmte Vorhaltungen der byzantinischen Geistlichkeit eingeht.
Aus dieser Zielsetzung können als Entstehungszeit der Apologie wohl die ersten Regierungsjahre des jungen Zaren Simeon (893-929) angenommen werden, als es in dem seit 865 offiziell christianisierten Staat zu einem Machtkampf zwischen der griechischen und der bulgarischen Partei um die endgültige Kirchensprache kam. In dieser Auseinandersetzung hat Č. offenbar die Meinung des Preslaver Hofes vertreten, zumal Simeon selber die seit 885/86 angesiedelten slawischen Mönche sehr begünstigte. So muß das Skazanije als publizistische Dokumentation verstanden werden. Es hat in jedem Fall, wie es die Kirchengeschichte des ersten Reiches beweist, der slawischen Kirchensprache und der nationalen Orthodoxie zum Sieg verholfen. Außerdem scheint Č.s Schrift die gleichen Bestrebungen in Serbien und in der Rus unterstützt zu haben. Das erklärt auch seine Beliebtheit im ganzen Bereich der slawischen Orthodoxie bis ins 18. Jh. hinein. Es sind an die 80 Abschriften in mehreren Redaktionen erhalten.

Literatur

Jagić, Vatroslav: Rassuždenija južnoslavjanskoj i russkoj stariny o cerkovnoslavjanskom jazyke. In: Issledovanija po russkomu jazyku 1 (1885/95) 310-319.
Vajs, Josef: Chrabrova apologie „O písmenech“ i grafika. In: Byzantinoslavica 7 (1937/38) 158-163.
Istorija na bŭlgarskata literatura. Bd 1. Sofija 1962, 141-152.
Dostál, Antonín: Les origines de l'Apologie slave par Chrabr. In: Byzantinoslavica 24 (1963) 236-246.
Kuev, Kujo M.: Černorizec Chrabŭr. Sofija 1967.

Verfasser

Josef Hahn (GND: 1121331297)


GND: 118859846

Weiterführende Informationen: https://prometheus.lmu.de/gnd/118859846

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Empfohlene Zitierweise: Josef Hahn, Černorizec Chrabŭr, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 1. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1974, S. 302-303 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=658, abgerufen am: (Abrufdatum)

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