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Daskalov, Rajko Ivanov, bulgarischer Politiker, * Bjala čerkva (Bezirk Tŭrnovo) 9.12.1886, † Prag 26.08.1923, aus der Familie eines Mittelbauern.
Leben
Unter dem Einfluß von Canko Cerkovski, dem aus seinem Heimatdorf stammenden Dichter und Mitbegründer der Agrarunion BZNS (Bŭlgarski Zemedelski Naroden Sŭjuz) wandte sich D. früh dieser Partei zu und wurde 1914 Mitarbeiter an ihrer Zeitung „Zemedelsko zname“. Hier tat er sich als Verfasser besonders scharfer Artikel gegen den Krieg hervor. 1915 wurde D. im Zusammenhang mit der „Declosier-Affäre“, einem von der Entente über den Pariser Kaufmann F. Declosier eingeleiteten Versuch, Bulgarien und Deutschland zu entzweien, vor Gericht gestellt und verurteilt. Am 25. September 1918 und nach dem Regierungswechsel von Radoslavov zu Malinov wurden D. und der BZNS-Führer Aleksandŭr Stambolijski auf Weisung des Zaren Ferdinand freigelassen und nach Kjustendil und Radomir geschickt, um die dort meuternden Truppen zu beruhigen. Stambolijski, D., Kriegsminister Sava Savov und andere gingen am 26. September nach Radomir, wo Stambolijski in einer großen Ansprache vergeblich versuchte, seine bäuerlichen Zuhörer zur Rückkehr an die Front zu bewegen. Da jedoch eine Beruhigung eintrat, reiste Savov nach Sofia zurück. Tatsächlich hatten die Meuterer ihren Sinn bereits wieder geändert: sie riefen eine Republik mit Stambolijski als Präsident und D. als Oberbefehlshaber aus und begannen einen Marsch auf Sofia, das von deutschen und mazedonischen Elitetruppen unter General Aleksandŭr Protogerov verteidigt wurde. Kurz vor Sofia kam es am 29./30. September 1918 zur Schlacht, in der die knapp 15 000 Mann starke Rebellenarmee große Verluste erlitt. D. floh schwerverletzt und ergab sich den von Süden heranrückenden Ententetruppen.
Nach der Amnestie vom Dezember 1918 tauchte D. wieder auf und wurde am 6. Oktober 1919 Landwirtschaftsminister unter Stambolijski, nach dem Rücktritt Atanas Burovs Handelsminister und nach der Ermordung Aleksandŭr Dimitrovs am 22. Oktober 1921 Innenminister. Er war ein extremer Befürworter des antibürgerlichen Terrors der BZNS, den diese durch ihre „Orange-Garden“ ausüben ließ; bereits 1920 hatte er mit zynischer Offenheit erklärt: „Wir schlagen und werden fortfahren zu schlagen, wir sperren ein und werden fortfahren einzusperren“. Im September 1922 setzte D. in Abwesenheit Stambolijskis die „Orange-Garden“ so rücksichtslos gegen politische Gegner aus dem bürgerlichen Lager ein, daß damit der letzte Anstoß zu dem Staatsstreich vom Juni 1923 gegeben war. Am 15. Dezember 1922 wurde von der mazedonischen Irredentistenbewegung IMRO (Innere Mazedonische Revolutionäre Organisation) ein Attentat auf D. verübt. Im Frühjahr 1923 schob Stambolijski seinen unbeliebten Mitarbeiter als ersten bulgarischen Botschafter nach Prag ab. Von dort nahm D. Kontakte zur Komintern in Moskau auf, um eine bewaffnete Zusammenarbeit zwischen der „Bulgarischen Kommunistischen Partei“, auf deren entsprechende Angebote er früher stets hinhaltend reagiert hatte, und den „Orange-Garden“ gegen die Bürgerlichen zu erreichen. Als dann am 9. Juni 1923 die Bürgerlichen unter Aleksandŭr Cankov den erwarteten Staatsstreich unternahmen, blieben die Kommunisten neutral, und die „Orange-Garden“ wurden in weniger als einer Stunde überwältigt. D. blieb in Prag, wo er im August 1923 von einem Angehörigen einer mazedonischen Geheimgruppe in der Holečková ulice, Prag-Smíchov, erschossen wurde. In einem ersten Prozeß wurde der Mörder zunächst freigesprochen, in einer Revisionsverhandlung 1924 in Tábor jedoch verurteilt.
Literatur
Pašev, Boris: Dr. Rajko Daskalov - vožd na Radomirskata republika. Sofija 1946.
Kazasov, Dimo: Burni godini 1918-1944. Sofija 1949.
Rothschild, Joseph: The Communist Party of Bulgaria. Origins and Development 1883-1936. New York 1959.
Kožucharov, Kŭnju: Aleksandŭr Stambolijski. Biografičen očerk. Sofija 1968(2).
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