Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Frashëri, Naim
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Frashëri, Naim

Frashëri, Naim, albanischer Dichter und Patriot, * Frashëri (Südalbanien) 1846, † Istanbul 20.10. 1900, Sohn von Halid Bey F.

Leben

F. erwarb sich bereits in früher Kindheit auf der Koranschule seines Heimatortes Grundkenntnisse in den wichtigsten orientalischen Sprachen (Türkisch, Persisch, Arabisch). Nach dem Tode seines Vaters siedelte seine Familie nach Janina über (1865). Sein ältester Bruder Abdyl, der spätere geistige Führer der Prizrener Liga, trat dort in den Staatsdienst. F. besuchte in Janina zusammen mit seinem jüngeren Bruder Sami das griechischsprachige „Zosimea “-Gymnasium, wo er die klassischen Sprachen erlernte, daneben sich aber privat mit den orientalischen Sprachen weiterbeschäftigte. Diese Zeit legte auch die Grundlage für die Zweiteilung seiner Interessengebiete - die persische Klassik und die französische Aufklärung.
Nach Beendigung des Gymnasiums, 1870, ließ er sich in Istanbul nieder. Dort erschien bereits im folgenden Jahre seine „Grammatik der persischen Sprache nach neuer Methode“ (Kavâid-i Fârisiyye der tarz-i nevîn. Dersaadet - d. i. Istanbul -, Mühendisyan Matbaası 1288). Wenig später kehrte er in seine Heimat zurück, da er hoffte, in den albanischen Bergen seine Tuberkulose, an der er von Kindheit an litt, heilen zu können. Er war als Verwaltungsbeamter in Berat, und dann, 1874-1877, als Zolldirektor in Saranda tätig. Zur Heilung einer neuausgebrochenen rheumatischen Erkrankung begab er sich nach Baden-Baden. Es ist deshalb nicht sicher, ob er etwas mit der Organisierung der Albanischen Liga in Südalbanien, an deren Spitze in den Jahren 1878-1881 sein Bruder Abdyl stand, zu tun hatte. 1881 ging er nach Istanbul zurück, wo er bis zu seinem Tode als Direktor der staatlichen Zensur (Matbuat Kalemi) arbeitete. Im gleichen Jahr erschien sein zweites Werk in türkischer Sprache: „Erfindungen und Entdeckungen“ (Ihtiraat ve keşfiyyat. Mihran Matbaası. Cep Kütüphanesi Nr. 15. Istanbul 1298). In diesem Buch berichtet F. über Erfindungen und Entdeckungen, von der der Mühle und der Uhr bis hin zu Elektrizität, Telegraf und Fotografie. Ziel der Buchreihe (Cep Kütüphanesi), in der sein Buch erschienen war und die sein Bruder Sami begründet hatte, war die Verbreitung der neuesten Ergebnisse der westeuropäischen Wissenschaft in populärwissenschaftlicher Form. 1881 veröffentlichte F. auch sein drittes türkischsprachiges Werk, die „Vier Jahreszeiten“ (Fusul-u arba’a. Mihran Matbaası. Cep Kütüphanesi Nr. 16. Istanbul 1298), in dem er nach einer französischen Vorlage, die leider nicht bekannt ist, die vier Jahreszeiten am Beispiel der Liebe zweier junger Menschen, deren Gefühle sich den Jahreszeiten entsprechend ändern, darstellt. Wenig später, 1884, erschien unter dem Titel „Träumereien“ (Tahayyülât. Mihran Matbaası. Istanbul 1298) eine Sammlung von persischen Gedichten F.s. Es handelt sich dabei um 24 lyrische Dichtungen, die in den Jahren 1873-1882 entstanden sind. Sie stehen sprachlich in der Tradition der persischen Literatur, behandeln aber Themen, die F.s unmittelbarer albanischen Umgebung entnommen sind. Die Behauptung albanischer Literarhistoriker, daß F. nach der Ligazeit nicht mehr in fremder Sprache schrieb, die persischen Gedichte also aus seiner Jugendzeit stammen müssen, kann man nicht bestätigen. Als 1884 in Istanbul die albanische Zeitschrift „Drita“ (Licht) zu erscheinen begann, schrieb F. eine Reihe von Gedichten für diese Publikation, die Themen aus Natur und Wissenschaft in auch für Kinder verständlicher Sprache behandeln. Diese Gedichte wurden später unter dem Titel „Allgemeine Geschichte“ (Istori e përgjithëshme. Bukarest 1886) und „Wissen“ (Dituritë. Bukarest 1888) als Volksschullehrbücher nachgedruckt. 1886 erschien noch ein türkisches Werk F.s, eine Übersetzung der „Iliade“ Homers in Prosa (Ilyada - Eser-i Homer. Kerabet ve Kasban Matbaası. Istanbul 1303). Es war dies das erste Mal, daß irgendein Teil dieses Epos in das Türkische übertragen wurde. F. fertigte davon auch eine albanische Fassung an, die 1896 in Bukarest erschien (Iliadhë e Omeritë). Es ist wahrscheinlich, allerdings nicht erwiesen, daß Homers Epen F. als Vorbild für seine Werke „Qerbelaja“ und „Istori e Skënderbeut“ dienten.
In diesen Jahren dachte man in Istanbul und auch in Bukarest in albanischen Kreisen an die Gründung eines griechisch-albanischen Staates. Das veranlaßte F. 1886 dazu, in Bukarest ein Poem in griechischer Sprache „Die gerechtfertigten Wünsche der Albaner“ (O alithis pothos ton Skypetaron; albanische Übersetzung: Sofia, Mbrothësia 1904. 14 S.) drucken zu lassen, in dem er für ein staatliches Zusammenleben von Albanern, Griechen und Slawen plädierte. Neun Jahre später veröffentlichte F. noch eine kleine griechische Gedichtsammlung: „Die Liebe“ (O Eros. Istanbul 1895).
In den folgenden 10 Jahren (1855-1895) erschien fast jedes Jahr in Bukarest ein neues Werk von F.: So 1886 ein La Fontaine nachempfundenes Schulbuch „Gedichte für die Volksschule“ (Vjersha për mësoitoret të para) und „Lesebuch für Kinder“ (E këndimit çunavet. Këndonjëtoreja). Mit diesen Werken und den beiden schon vorher erschienenen Büchern „Istori e përgjithëshme“ und „Diturite“ legte F. die Grundlage für die albanische Kinderliteratur. 1886 erschien ebenfalls seine bukolische Dichtung „Viehzucht und Landbau“ (Bagëti e bujqësia. Bukarest 1886), in der er in romantischer Manier die Naturschönheiten Albaniens schildert. 1890 wurde F.s Lyrikband „Sommerblumen“ (Luletë e verësë) und 1894 eine weitere Gedichtsammlung „Das Paradies und geflügelte Worte“ (Parajsa dhe fjalë fluturake) veröffentlicht, die stark von der türkischen und persischen Mystik beeinflußt sind. Die Feststellung des albanischen Literarhistorikers Dhimitër Shuteriqi, daß die orientalischen Einflüsse in F.s Schriften nur eine untergeordnete Rolle spielen, läßt sich deshalb nicht erhärten. Das zeigt sich besonders bei F.s Hauptwerk, dem Versepos „Qerbelaja“ (Bukarest 1898), in dem er das tragische Ende des Enkels des Propheten Mohammed, Husajn, in der Schlacht von Kerbela (im heutigen Irak) 680 behandelt. Im gleichen Zusammenhang ist auch sein „Notizbuch der Bektaschi“ (Fletore e Bektashinjët. Bukarest 1896) zu erwähnen.
1898 erschien in Bukarest F.s historisches Epos „Geschichte Skanderbegs“ (Istori e Skënderbeut), das eine Art politisches Testament des Dichters darstellt und bei den Tosken das meistgelesene Buch in der Zeit der nationalen Renaissance war. Das Buch beruht weitgehend auf Barletius; F. erlaubte sich aber einige poetische Freiheiten, um Skanderbeg nicht nur als Helden erscheinen zu lassen, sondern auch seine sonstigen menschlichen Qualitäten zu betonen.
F. schrieb insgesamt 22 Werke - 15 in albanischer, 4 in türkischer, 2 in griechischer und eines in persischer Sprache. Die historische Bedeutung F.s besteht darin, daß er eine neue Gattung der albanischen Literatur schuf, die pädagogisch-aufklärerischen Charakter hatte; gleichzeitig leistete er damit einen nichtzuunterschätzenden Beitrag für die Entstehung der albanischen Literatursprache. Seit F. standen historische und aktuell-politische Themen im Mittelpunkt der albanischen Literatur. Zahlreiche Gedichte F.s wurden schon zu seinen Lebzeiten zu Volksliedern; seine patriotischen Dichtungen trugen wesentlich dazu bei, daß die Albaner sich als Brüder zu betrachten begannen, ungeachtet aller konfessionellen Unterschiede. Zusammen mit seinem Bruder Sami, der der politische Führer der albanischen Kolonie in Istanbul war, war er der Initiator der Zeitschrift „Drita“ und der ersten albanischen Schule in Korça (1887). Durch ihn wurden auch die Kontakte zu den außerhalb des Osmanischen Reiches lebenden Albanern aufrechterhalten. Für die vielen Albaner, die ihn in Istanbul besuchten, galt er so als „Apostel des Albanertums“. Wie immer man den künstlerischen Wert seiner Dichtungen beurteilen mag, man kann nicht leugnen, daß durch sie die Grundlinien für die weitere Entwicklung der albanischen Literatur festgelegt wurden.

Literatur

Frashëri, Midhat: Naim be Frashëri. Studime dhe kujtime. In: Kalendari kombiar (1926) 43-59.
Jokl, Norbert: Die Bektaschis von Naim Be Frasheri. In: Balkan-Archiv 2 (1926) 226-256.
Xholi, Zija: Naim Frashëri. Jeta dhe idetë. Tiranë 1962.
Kaleshi, Hasan: Veprat turqisht dhe persisht të Naim Frashërit. In: Gjurmime albanologjike (1970) 143-153.
Numër kushtuar 125-vjetorit të lindjes së Naim Frashërit. In: Stud. Filol. 8 (1971) 2, 3-180.

Verfasser

Hasan Kaleshi (GND: 1084144948)


GND: 119557126

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Empfohlene Zitierweise: Hasan Kaleshi, Frashëri, Naim, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 1. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1974, S. 540-542 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=836, abgerufen am: (Abrufdatum)

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