Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

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Fugger

Fugger, größte oberdeutsche Gesellschaft des Frühkapitalismus.

Leben

Mit dem Weber Hans F. aus Graben am Lechfeld wurde die Familie 1367 in Augsburg ansässig. Schon seine Söhne Andreas der Reiche (Stammvater der F. vom Reh) und Jakob I. (Stammvater der F. von der Lilie) wandten sich vom Weberhandwerk dem Handel mit Webwaren und Metallen zu. In der nächsten Generation ließen sich die F. vom Reh auf Darlehen an Maximilian I. ein und gingen in Konkurs; die F. von der Lilie stiegen mit Jakob II., dem Reichen, und dessen Neffen Anton zur herrschenden Finanzkraft in Europa auf.
Jakob der Reiche, Kaufmann, * Augsburg 06.03.1459, † ebd. 30.12.1525, Sohn von Jakob d. Ä. († 1469) und der Barbara Bäsinger, Tochter eines Münzmeisters.
Als jüngster Sohn für den geistlichen Stand bestimmt, wurde Jakob F. erst nach dem Tod eines Bruders in die kaufmännische Lehre gegeben. Seine Ausbildung erfolgte z. T. in Italien, wo er sich den frühkapitalistischen Wirtschaftsstil aneignete, von den geistigen Bewegungen der Renaissance und des Humanismus aber kaum Notiz nahm. Seit 1485 leitete er die Innsbrucker Filiale und erreichte durch Darlehen an den Landesherrn, Sigmund den Münzreichen, eine monopolähnliche Stellung im Tiroler Metallhandel. Trotz der schlechten Erfahrungen, die sein Vetter Lucas vom Reh mit den Habsburgern gemacht hatte, stellte er seine Kredite systematisch dem ihm gleichaltrigen König Maximilian zur Verfügung, der 1490 mit seiner finanziellen Hilfe Tirol erwarb. Seither begleitete das Kapital der F. die Politik der Habsburger.
Hohe Gewinnchancen sahen die F. im Handel mit den Edelmetallen Oberungarns, insbesondere dem Neusohler Kupfer. Von Nürnberger und Breslauer Geschäftsfreunden vermittelt kam es daher zu einer geheimen Partnerschaft mit dem Krakauer Kaufmann und Bergwerksingenieur Johann Thurzó d. Ä. von Bethlenfalva, die 1494 in den Vertrag über den „Ungrischen Handel“ mündete. Die Fugger-Thurzó-Gesellschaft, die rechtlich von der unter Leitung seines älteren Bruders Ulrich stehenden Stammfirma getrennt blieb, entwickelte sich zu einer Großmacht auf dem Kupfermarkt. In Kärnten und Thüringen wurden Zweigbetriebe zur Verarbeitung ungarischer Erze errichtet. Die Entsendung von Fugger-Faktoren und -Fachkräften nach Ungarn verhalf dem veralteten oberungarischen Bergbau zu neuzeitlichen Betriebsformen und förderte die Kulturbeziehungen zwischen oberdeutschen und ungarländischen Städten. Hier sei auf die Wirksamkeit des Neusohler Faktors Hans Dernschwam sowie die Verbreitung von Spielen des mit Ulrich II. F. befreundeten Hans Sachs in Westungarn, und der Zips hingewiesen. Der Vertreter der Firma im ungarischen Bergbau war Graf Georg Thurzó († 1521), der mit einer Nichte von Jakob F., Anna, verheiratet war.
Die wirtschaftliche Expansion der F. beruhte z. T. auf geheimen Einlagen des Brixener Kardinals Melchior von Meckau, dessen Tod die Gesellschaft 1509 dem Konkurs nahebrachte, weil Papst Julius II. Anspruch auf den Nachlaß erhob. Im Interesse der Kreditbedürfnisse der Krone vermittelte Maximilian einen Ausgleich. 1510, als Jakob die Leitung der Firma, die er als der geschäftstüchtigste Gesellschafter praktisch seit 1502 innehatte, offiziell übernahm, war sie bereits wieder konsolidiert. Die Aufnahme in den Reichsadel 1511 und den Reichsgrafenstand 1514 änderte nichts an der nüchternen Einstellung Jakobs gegenüber zahlreichen kaiserlichen Projekten. Während er mit der Organisation des St. Peter-Ablasses für Kurfürst Albrecht von Mainz in die Vorgeschichte der Reformation verwickelt wurde, konzentrierte sich Jakob auf den Ausbau seines Unternehmens in Nordwesteuropa und die Wahrung seiner Interessen in Südosteuropa. Am Wiener Kongreß von 1515, der die habsburgisch-jagellonische Doppelheirat vertraglich regelte und die Nachfolge des Hauses Habsburg auf dem böhmischen und ungarischen Thron sichern sollte, nahm Jakob persönlich teil, um gleichzeitig seine Stellung in Oberungarn zu festigen. Als Bankier Maximilians förderte er die dynastischen Vorhaben des Erzhauses nicht nur in Ungarn; er finanzierte den Zug zur Kaiserkrönung (1508) und griff zugunsten des Kaiserenkels Karl in die Verhandlungen um die Wahl des römischen Königs ein (1517-1519). Auch in der Folgezeit blieb er der unentbehrliche Geldgeber des Hauses Habsburg; dafür stand ihm Karl V. bei Schwierigkeiten wegen der Antimonopolgesetzgebung der Reichstage bei (1524).
Schwerste Sorgen bereitete ihm seit 1524 der ungarische Handel. Ein Aufstand der Bergknappen, der wegen wiederholter Münzverrufungen ausgebrochen war, konnte zwar beigelegt werden, aber am Hof Ludwigs II. plädierten adelige nationalmagyarische Kreise für die Vertreibung der Fremden. Sie fanden williges Gehör bei Königin Maria, die die Bergstädte als ihr Eigentum (Witwengut) betrachtete. 1525 wurde das Vermögen der F. in Ungarn beschlagnahmt. Jakob antwortete mit einer Blockade gegen das Neusohler Kupfer und veranlaßte eine energische Aktion seiner fürstlichen Schuldner (Karls V., Ferdinands, des Papstes Clemens VII., des Königs von Polen Sigismund I. und vieler Reichsfürsten) gegen das ungarische Königspaar. Eine Verständigung kam nicht mehr zustande, da Jakob im Dezember 1525 starb; seinem Wunsch gemäß übernahm sein Neffe Anton die Führung der Gesellschaft.
Anton F., Handelsherr, * Augsburg 10.06.1493, † ebd. 14.09.1560, Sohn des Georg F. (1453-1506), Mitbegründer der Gesellschaft und deren langjähriger Vertreter in Nürnberg, und der Regine Imhof.
Mit dem Individualismus und Rationalismus des neuzeitlichen Unternehmers, seiner Unermüdlichkeit und kaufmännischen Begabung für die geschickte Verbindung von Politik und Kapital hatte Jakob der Reiche die Erweiterung des Familienbesitzes zu einer das städtische Gemeinwesen sprengenden, im Staatsleben wirksamen Größe erreicht. Sein Neffe Anton, der eine harte Ausbildung in der Zentrale und in verschiedenen Filialen (u. a. Ofen) hinter sich hatte, übernahm das Erbe einer zu starken Bindung an die Habsburger und versuchte vergeblich der damit verbundenen Krise zu entgehen. Er finanzierte die Auseinandersetzung Karls V. mit den Türken, dem französischen König, dem Papst und den protestantischen Reichsständen, er verhalf Ferdinand zur böhmisch-ungarischen Königswahl, gewährte ihm 1528 für Salzkonzessionen im siebenbürgischen Erzgebirge Hilfsgelder gegen die Pforte und half ihm bei der Türkenabwehr 1529. Das in Ungarn konfiszierte Vermögen der Gesellschaft hatte er 1526, kurz vor der Katastrophe von Mohács, zurückerhalten, doch suchte er sich seit 1539 aus dem ungarischen Kupfer- und Silbergeschäft zu lösen. 1547 entschloß er sich endgültig, seine ungarischen Pacht- und Darlehensverhältnisse zu liquidieren, da die Zusammenarbeit mit Ferdinand sich immer schwieriger gestaltete und schließlich in Feindseligkeit überging. Da auch das Verhältnis zu Karl trotz ständiger Großanleihen schlechter wurde und ihm durch die Zerrüttung der spanischen Finanzen schwere Verluste brachte, entsandte Anton 1553-1555 seinen Altfaktor Hans Dernschwam in die Türkei zwecks Anbahnung von Ferngeschäften in den Südosten. Zu Antons letzten Plänen gehörten ein Ochsengroßhandel auf dem Balkan, der Wiedereintritt in das ungarische Bergwesen und bis zur Levante reichende Unternehmungen. Mit Einfallsreichtum und Unternehmergeist hat der „König der Kaufleute“ bis zu seinem Tod im September 1560 die Firma geführt, obwohl die Interessenlosigkeit seiner Söhne und Neffen gegenüber Handel, Bergbau und politischem Finanzgeschäft ihn überzeugt hatte, daß die Gesellschaft der Auflösung entgegenging. Seither lebten die F. wie adelige Mäzene von dem erheblichen Grundbesitz der Familie, der ursprünglich als krisenfeste Vermögensanlage angekauft worden war.

Literatur

Jansen, Max: Jakob Fugger der Reiche. Leipzig, München 1910. = Studien zur Fuggergeschichte. 3.
Babinger, Franz: Hans Dernschwams Tagebuch einer Reise nach Konstantinopel und Kleinasien 1553-55 nach der Urschrift im Fuggerarchiv. München, Leipzig 1923. = Studien zur Fuggergeschichte. 7.
Strieder, Jakob: Jacob Fugger der Reiche. Leipzig 1926.
Ders.: Ein Bericht des Fuggerschen Faktors Hans Dernschwam über den Siebenbürger Salzbergbau 1528. In: Ung. Jbb. 13 (1933) 260-290.
Pölnitz, Götz Frhr. von: Jakob Fugger. 2 Bde. Tübingen 1949/51.
Ders.: Anton Fugger. 4 Bde. Tübingen 1958/71. = Studien zur Fuggergeschichte.
Ders.: Die Fugger. Frankfurt/M. 1960.
Probszt, Günther Frhr. von: Die niederungarischen Bergstädte. Ihre Entwicklung und wirtschaftliche Bedeutung bis zum Übergang an das Haus Habsburg (1546). München 1966, bes. 57-106. = Buchreihe der Südostdeutschen Historischen Kommission. 15.

Verfasser

Ute Monika Schwob (GND: 1050326059)


GND: 11853677X

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Empfohlene Zitierweise: Ute Monika Schwob, Fugger, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 1. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1974, S. 554-557 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=844, abgerufen am: (Abrufdatum)

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