Grujić, Sava, serbischer Politiker und General, * Kolari (Kreis Smederevo) 25.11.1840, † Belgrad 21.10. 1913.
Leben
G. absolvierte 1861 die Artillerieschule in Belgrad und setzte dann sein Militärstudium in Berlin fort. 1863 nahm er am polnischen Aufstand teil. Danach ging er nach St. Petersburg, wo er die Michajlovskij-Artillerieakademie absolvierte und in den russischen Militärdienst eintrat. 1870 kam G. zurück nach Serbien und wurde in der Waffenfabrik in Kragujevac in Dienst genommen. Wegen seiner Verbindung zu der von Svetozar Marković herausgegebenen sozialistischen Zeitung „Javnost“ (Die Öffentlichkeit) wurde er 1873 aus dem Militärdienst entlassen, kehrte aber 1875 wieder auf seinen früheren Posten als Leiter der Waffenfabrik in Kragujevac zurück. Im Februar 1876 ließ es G. zu, daß die Arbeiter der Waffenfabrik an der ersten großen serbischen Arbeiterdemonstration, genannt „Crveni barjak“ (Rote Fahne), teilnahmen. Für den ersten serbisch-türkischen Krieg 1876 erstellte G. den Operationsplan und nahm selbst als Kommandant der Artillerie der Timok-Morava-Armee an den Kämpfen teil. Als Tihomilj Nikolić wegen Unstimmigkeiten mit den russischen Militärs in der serbischen Armee seinen Posten als Kriegsminister zur Verfügung stellen mußte, wurde G., der immer das volle Vertrauen der Russen genoß, von September 1876 bis Oktober 1878 Kriegsminister. Er reorganisierte die Armee für den zweiten serbisch-türkischen Krieg, der unter ihm geführt wurde. Danach wurde G. in den diplomatischen Dienst überstellt: 1879 ging er als erster diplomatischer Vertreter Serbiens nach Bulgarien, 1882 wurde er Gesandter in Athen und 1885 Gesandter in St. Petersburg.
Als nach dem für die Serben unglücklich verlaufenen serbisch-bulgarischen Krieg (1885) König Milan die Unterstützung der Radikalen Partei suchen mußte, kam es im Juni 1887 zu einer liberal-radikalen Koalitionsregierung, in der G., zwischen den beiden Parteien vermittelnd, Kriegsminister war. Eine weitere Annäherung des Königs an die Radikalen brachte dann im Dezember 1887 das erste radikale Kabinett mit dem zum General beförderten G. als Ministerpräsidenten, das bis April 1888 im Amt war. G. hatte nicht die Energie, den nach dem Timok-Aufstand (1883) nach Bulgarien geflohenen und erst 1889 nach Serbien zurückgekehrten Führer der Radikalen Partei, Nikola Pašić, zu ersetzen, und mußte die Parteiführung dem radikalen Klub in der Skupština überlassen. Es kam immer wieder zu Spannungen zwischen der Regierung und dem Klub, was sehr zu den häufigen Regierungskrisen beitrug. Die zweite Regierung G. (1889/91), in der er gleichzeitig Außenminister war, führte die von der mehrheitlich radikalen Skupština beschlossene Verfassung des Jahres 1888 ein, die die belgische Verfassung zum Vorbild hatte und gegenüber der Verfassung des Jahres 1869 einen wesentlichen Fortschritt im Sinne der parlamentarischen Demokratie bedeutete. In der Folgezeit stand G. noch einer kurzlebigen radikalen Regierung (1893-1894), einer Koalitionsregierung der Radikalen und der Selbständigen Partei (1903-1904) und einer kurzlebigen Regierung der Selbständigen Partei (1906) vor und war zweimal Kriegsminister (1903, 1906), 1891-1893 und 1900-1903 war er Gesandter in Istanbul und 1897-1899 Gesandter in St. Petersburg. 1903-1910 bekleidete er - mit kurzer Unterbrechnung 1906 - das Amt des Präsidenten des Staatsrats.
Als Militärschriftsteller verfaßte G. auch Werke über die militärische Organisation in Serbien und Bulgarien: „Vojna organizacija Srbije“ (Die militärische Organisation Serbiens, Kragujevac 1874), „Osnovi vojnog uredjenja kneževine Bugarske“ (Grundlagen der militärischen Einrichtung des Fürstentums Bulgarien, Belgrad 1880) und machte sich als Historiograph des serbisch-türkischen Krieges von 1876/77 einen Namen: „Operacije Timočko-moravske vojske“ (Die Operationen des Timok-Morava-Heeres, 4 Bände, Belgrad 1901/02).
Literatur
Živanović, Živan: Politička istorija Srbije u drugoj polovini XIX veka. 4 Bde. Beograd 1923/25.
Jovanović, Slobodan: Vlada Milana Obrenovića. 2 Bde. Beograd 1926/27.
Ders.: Vlada Aleksandra Obrenovića. 2 Bde. Beograd 1929/31.