Haret, Spiru, rumänischer Mathematiker, Pädagoge, Soziologe und Staatsmann, * Jassy 27.02.1851, † Bukarest 29.12.1912, Sohn eines Notars.
Leben
Nach dem Schulbesuch in Dorohoi und Jassy kam H. 1862 als Stipendiat des Sf. Sava-Lyzeums nach Bukarest. Er bestand sein Staatsexamen in Physik und Mathematik 1874 an der Universität Bukarest, dann zusätzlich 1875 das der Mathematik und 1876 das der Physik an der Sorbonne. Mit seiner Dissertation „Sur l’invariabilité des grands axes des orbites planétaires“ (Paris 1878) widerlegte er Theorien von Pierre-Simon de Laplace (1773) und Joseph-Louis Lagrange (1776) und lieferte einen Beitrag zur Erforschung des Weltalls, lange vor der Relativitätstheorie.
H. wurde am 14. Oktober 1878 zum Professor für Mechanik an der Wissenschaftlichen Fakultät und 1882 zum Professor für Analytische Geometrie an der Technischen Hochschule in Bukarest ernannt. Er hatte gleichzeitig auch einen Lehrstuhl an der Militärakademie inne. Als Schulinspektor (1883-1884) ergriff er Maßnahmen zur Reorganisierung des gesamten Schulsystems; als Unterstaatssekretär (1885-1888) und während seiner dreimaligen Amtszeit als Unterrichtsminister (12.04.1897 - 23.04.1899, 26.02.1901 - 3.1.1905 und 13.03.1907 - 10.1.1911) gründete er Volksschulen in den entlegensten Gebieten und zog ländliche Lehrkräfte für den Unterricht heran. Nach französischem Beispiel setzte er 1898 drei Oberschularten durch: Die Schüler konnten sich nach den ersten vier Gymnasialklassen, je nach Begabung, für das klassische Gymnasium mit Hauptgewicht auf Latein und Altgriechisch, das Realgymnasium mit Hauptfach Mathematik, ohne klassische Sprachen, und das moderne Gymnasium mit Unterricht in modernen Fremdsprachen entschließen. Von echtem demokratischen Geist getragen, sollte dieses Bildungssystem einem jeden zugänglich sein. Humanistische und realwissenschaftliche Ausbildung wurden gleichgestellt und das Hauptinteresse auf eine solide Allgemeinbildung gelegt, ohne Rücksicht auf eine spätere Berufsausbildung oder soziale Stellung. 1899 widmete sich H. besonders der Reorganisierung der Berufsschulen und legte auch die Kriterien der Berufung von Hochschullehrern fest.
Außer seinen kulturellen Bestrebungen im Interesse der entlegenen Gebiete gründete H. Genossenschaften und Volksbanken zum Wohle der Landbevölkerung.
In seiner Abhandlung „La mécanique sociale“ (Paris 1910) verglich H. auf originelle Weise die Menschen als Atome in der Sozialstruktur mit den Atomen der Materie, wonach die Menschen unter dem Einfluß der sozialen Kräfte sich in drei Gruppen aufspalten lassen: in wirtschaftlich, intelektuell und ethisch geleitete.
H. war ein idealistischer Soziologe. Als Begründer der Mechanischen Soziologie hielt er im sozialen Fortschritt die Intelligenz für überwiegend. Da er für das Bestehen altbewährter Prinzipien eintrat und ein Gegner umwälzender sozialer Neuerungen war, kann man ihn einen Konservativen nennen.
Folgende Werke H.s sollen noch erwähnt werden: „Aplicarea legii“ (Die Anwendung des Gesetzes, Bukarest 1899), „Chestiunea ţărănească“ (Die Bauernfrage, Bukarest 1905 und 1907), „Activitatea extraşcolară a invăţătorilor“ (Die außerschulische Tätigkeit der Volksschullehrer, Bukarest 1906). Die gesammelten Werke H.s wurden von Gh. Adamescu 1925-1936 in 6 Bänden herausgegeben.