Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

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Heliade Rădulescu, Ion

Heliade Rădulescu (auch Eliade Rădulescu), Ion, rumänischer Schriftsteller und Politiker, * Tîrgovişte 18.01.1802, † Bukarest 9.05.1872, Sohn des Gendarmeriehauptmanns (căpitan de poteră) Ilie Rădulescu und der Griechin Eufrosina Danielopol.

Leben

Nach dem Besuch der griechischen Schule in Bukarest (1811-1815) kam H. 1818 an das von Gheorghe Lazăr gegründete Gymnasium Sf. Sava. Hier wurde er bereits 1820 Lehrer. 1822-1827 war er Direktor des Gymnasiums. Um das Nationalbewußtsein zu heben, übersetzte und veröffentlichte H. eine Reihe neuer Lehrbücher. Seine rumänische Grammatik (Grammatică romînească, Hermannstadt 1828) wurde zur Grundlage der rumänischen Orthographie. Als er 1830 die einzige private Druckerei von Bukarest erwarb, stellte er diese in den Dienst seiner aufklärerischen Tätigkeit, wodurch er in kürzester Zeit zum Mittelpunkt des kulturellen Lebens wurde. Bereits 1827 hatte er zusammen mit Dinicu Golescu die „Literarische Gesellschaft“ (Societatea literară) gegründet, die - 1833 in „Philharmonische Gesellschaft“ (Societatea filarmonică) umbenannt - den Grundstein einer rumänischen Theater- und Schauspielschule bildete.
1829 erschien die erste rumänische Zeitung, der „Curierul rumînesc“ (Rumänischer Kurier, bis Frühjahr 1848), und 1835 die „Gazeta Teatrului Naţional“ (Die Zeitung des Nationaltheaters), beide in der Redaktion H.s. In den folgenden Jahren gab er noch u. a. die Zeitschriften „Muzeul naţional“ (Das Nationalmuseum, 1836-1837), „Curierul de ambe sexe“ (Kurier für jedermann, 1836-1847), „România" (1848) heraus. Besonders sei seine Übersetzertätigkeit hervorgehoben, die sich von der Übersetzung des Alten Testaments - er kam bis zu den Büchern von den Königen und bearbeitete das Lied der Lieder (Cantarea Cantărilor) nach Voltaire -, der Übersetzung mehrerer Hauptwerke der Früh- und Spätrenaissance (Dante, Ariosto, Cervantes) sowie der französischen Klassik und Romantik bis ins 19. Jh. hinzog. Ein eigenes großangelegtes Werk blieb bis auf die beiden Fragmente „Umanitatea“ (Die Menschheit) und „O noapte pe ruinele Tîrgoviştei“ (Eine Nacht auf Tîrgoviştes Ruinen), in welchen er auf romantische Weise die glorreiche Geschichte seines Volkes heraufbeschwört, unvollendet. Dafür hat er sich als Dichter mit seiner „Balada Sburătorului“ (Ballade des Nachtmahrs, 1843) einen Namen erworben. Interessant sind seine Erinnerungen (Mémoires sur l'histoire de la régénération roumaine ou sur les événements de 1848 accomplis en Valachie, Paris 1851) und seine Spottschriften. H. ist wohl der erste rumänische Theoretiker der Literaturkritik, der mit seinen von Jean-Frangois Marmontel beeinflußten „Regulile sau grammatica poezii“ (Die Regeln oder die Grammatik der Dichtkunst, 1831) und seinem „Curs întregu de poesie generale“ (Vollständiger Kurs der allgemeinen Dichtkunst, 1868-1880) die gültigen Richtlinien der Dichtkunst zusammengestellt hat.
Politisch betätigte sich H. von 1836 an als gemäßigt Liberaler und setzte sich für demokratische Reformen ein. Als er zufällig in Islaz (heute zu Turnu Măgurele, Kreis Teleorman, gehörig) den Beginn der Revolution von 1848 miterlebte, verlas er die später berühmt gewordene „Proklamation von Islaz“ (9./21.06.) und schloß sich dem Revolutionskomitee an. H. wurde Mitglied der provisorischen Regierung (26.06.1848) und der fürstlichen Statthalterei (Locotenenţa domnească), wobei er einen gemäßigten, protürkischen Standpunkt einnahm.
Im Exil (1848-1859) führte H. ein unstetes Leben, besuchte Lord Palmerston in London und den französischen Außenminister Édouard Drouyn de Lhuys in Paris und ließ sich zeitweise auf Chios (1851) und in Istanbul (1853) nieder. Er gewann immer mehr Abstand von den übrigen Exilrevolutionären und betrieb seine eigene politische Apologie. Zweifellos unter dem Einfluß von Pierre-Joseph Proudhon und Charles Fourier träumte er von einem utopischen Reich, in dem Gerechtigkeit, Friede und Wahrheit herrschten und eine universelle Verbrüderung stattfände.
H. war eine hervorragende, aber auch widerspruchsvolle Persönlichkeit, ein universeller Geist, ein Wegbereiter und Förderer der modernen rumänischen Kultur, dessen Karriere 1867 durch seine Wahl zum Präsidenten der neugegründeten Akademischen Gesellschaft - der späteren Rumänischen Akademie - ihre Krönung fand.

Literatur

Oprescu, Gheorghe: Eliade Rădulescu şi Franţa. In: Dacoromania 3 (1922/23) 1-128.
Popovici, Dumitru: Ideologia literară a lui Heliade Rădulescu. Bucureşti 1935.
Ders.: Santa cetate. Intre utopie şi poezie. Bucureşti 1935.
Creţu, Ion: Viaţa lui Eliade. Bucureşti 1939.
Rosetti, Alexandru: Limba scrierilor lui Ion Heliade Rădulescu pîna în 1841. In: Contribuţiuni la istoria limbii române literare în secolul al XlX-lea. Bd 1. Bucureşti 1956.

Verfasser

George Ciorănescu (GND: 130641340)


GND: 119525739

Weiterführende Informationen: https://prometheus.lmu.de/gnd/119525739

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Empfohlene Zitierweise: George Ciorănescu, Heliade Rădulescu, Ion, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 2. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1976, S. 144-145 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=949, abgerufen am: (Abrufdatum)

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