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Joan Ekzarch, bulgarischer Geistlicher und Schriftsteller, der Mitte des 9. bis zur ersten Hälfte des 10. Jh.s gelebt hat.
Leben
Als ranghöher Geistlicher spielte J. nicht nur im kirchlichen, sondern auch im politischen Leben eine bedeutende Rolle und gewährt in seinen Werken interessante Einblicke in das altbulgarische Leben des 9. und 10. Jh.s. Die wenigen autobiographischen Mitteilungen reichen nicht aus, den Lebensweg des hochgelehrten Mannes detailliert zu rekonstruieren. Während der Regierungszeit des Christianisators Boris geboren, hat J. vermutlich in den achtziger Jahren des 9. Jh.s die berühmte Magnaura-Schule in Konstantinopel besucht und sich hier neben fundierten griechischen Sprachkenntnissen, die seinen Übersetzungen zugute kamen, eine hohe byzantinische Bildung erworben. Zur selben Zeit muß sich der bulgarische Fürstensohn, der spätere Zar Simeon, zur Ausbildung in Byzanz aufgehalten haben. Nach Bulgarien zurückgekehrt, fand J. Kontakte zu den aus dem Großmährischen Reich vertriebenen Schülern der Slawenlehrer Kyrill und Method, die er nach eigenen Aussagen nicht mehr gekannt hat. Die Rangstellung des J. als Exarch ist nicht endgültig geklärt: vielleicht war er Visitator der jungen christlichen Gemeinden oder Vorsteher eines Klosters. Enge Beziehungen zum Fürstenhof in Preslav muß er gepflegt haben, nicht zuletzt weil Doks, der Bruder des Boris, ihn zu Übersetzungen aufgefordert hat, wie er selbst bekennt. In dem schriftstellerischen Werk behandelte J. schwierige theologische und philosophische Fragen. Sich dessen bewußt, fließen auch immer wieder Bescheidenheitsfloskeln ein, daß er es nicht besser darzustellen imstande sei. Sein kompilatorisches Hauptwerk, der „Sestodnev“ (Hexaemeron, Sechstagewerk), ist unter anderem eine seltene heimische Geschichtsquelle jener frühen Periode. Im Prolog wendet sich der Autor an den Zaren Simeon selbst, und im sechsten Teil beschreibt J. die Zarenstadt Preslav mit ihren Kirchen, prunkvollen Palästen, aber auch Strohhütten aus der Sicht eines Bauern vom Lande. Als Zeitgenosse von Chrabür, Kliment und Naum erfüllte J. mit seiner literarischen Tätigkeit vor allem aber eine staatspolitische Aufgabe. Das junge christianisierte Bulgarien benötigte eine eigene Literatur, die den Byzantinisierungsbestrebungen einen Riegel vorschob, das erwachende nationale Bewußtsein förderte und dem Zeitgeist entsprechend die staatliche Eigenständigkeit unterstrich. Die Christianisierung verlangte nach einer Übersetzungs- und Originalliteratur als wichtigen Pfeiler einer unabhängigen Kirchen- und Staatspolitik. J. ist mit seinem Werk zu einem der prominentesten Förderer dieser für das mittelalterliche Bulgarien so entscheidenden Politik geworden.
Literatur
Kalajdovič, K.: Joann Ekzarch Bolgarskij. Moskva 1824.
Panaret, archimandrit: Životŭt na Joana Ekzarch Bŭlgarski. Stanimaka 1914.
Trifonov, Jurdan: Svedenija iz starobŭlgarskija život v Šestodneva na Joana Ekzarcha. In: Spis. Bŭlg. Akad. Nauk 35 (1926) 1-26.
Mavrodinov, Nikola: Opisanieto na Preslav v „Šestodnev" na Joana Ekzarch. In: Ist. Pregled 11 (1955) 66-76.
Das Hexaemeron des Exarchen Johannes. Hrsg. R. Aitzetmüller. Graz 1958.
Jaksche, Harald: Das Weltbild im „Šestodnev“ des Exarchen Johannes. In: Die Welt der Slaven 4 (1959) 259-301.
Ivanova-Mirčeva, Dora: Joan Ekzarch bŭlgarski. Slova. Bd 1. Sofija 1971.
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