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Lueger, Karl, österreichischer Politiker, Bürgermeister von Wien, * Wien 24.10. 1844, † ebd. 10.03.1910.
Leben
Der Sohn eines Dieners am Polytechnischen Institut entstammte dem Wiener Kleinbürgertum, das er später in der christlichsozialen Partei um sich sammelte. Nach Absolvierung des Theresianums studierte L. Jura, und bereits vier Jahre nach seiner 1870 erfolgten Promotion eröffnete er seine eigene Rechtsanwaltskanzlei. 1875 wurde er als liberaler Kandidat in den Wiener Gemeinderat gewählt, bald löste er sich aber von den Liberalen und gewann sein politisches Profil als Kritiker der großbürgerlichliberalen Rathausmehrheit. Als Anwalt des „kleinen Mannes“ deckte er verschiedene Korruptionsaffären auf und entwickelte dabei sein großes politisch-demagogisches Talent bei der Mobilisierung der Masse. Der religiöse und ökonomische Antisemitismus spielte dabei als taktisches Mittel eine hervorragende Rolle. Gleichzeitig agierte L. gegen den Ausgleich von 1867 und gegen den „Judäomagyarismus“. Nach seiner Auffassung stand Österreich zu Ungarn im Verhältnis eines „tributpflichtigen Vasallenstaates“. Nach 1905 stellte er fest: „Es darf den Magyaren nicht die geringste Konzession auf militärischem oder wirtschaftlichem Gebiet gemacht werden .. .“ In diesem Sinn wirkte L. ab 1885 im Reichsrat. In den verschiedenen antiliberalen Gruppierungen fand L. (zum Teil mit, zum Teil gegen Georg von Schönerer) seinen politischen Anhang. Die Begegnung mit Carl von Vogelsang gab L. ein katholisches und soziales Grundkonzept, das sich als ideologische Basis zur Formierung einer Partei eignete. Aber nur langsam formte sich aus den „Vereinigten Christen“ (auch „Vereinigte Antisemiten“ genannt) die christlich-soziale Partei heraus. 1895 erlitt der Liberalismus in Wien seine entscheidende Niederlage. L. wurde nach längerem Hin und Her zum Bürgermeister gewählt. Liberale, katholisch-konservative, vor allem aber ungarische Kreise intervenierten, um die kaiserliche Bestätigung der Bürgermeisterwahl zu verhindern. Erst 1897, nachdem L. bereits zum fünften Mal zum Bürgermeister gewählt worden war, traf die kaiserliche Bestätigung ein. L. leitete ein umfangreiches Kommunalisierungsprogramm ein. Nach Überwindung großer Schwierigkeiten gelang mit Hilfe der „Deutschen Bank“ (Berlin) der Bau eines städtischen Gaswerkes. Die Straßenbahnen wurden verstädtert und elektrifiziert, der Bau der zweiten Hochquellwasserleitung begonnen. Zahlreiche sozialpolitische Maßnahmen - Bau von Altersheimen, Schulen u. a. - trugen zur Modernisierung von Groß-Wien und zur großen Popularität des Bürgermeisters bei. Eine rigorose,
parteipolitisch orientierte Personalpolitik half hier nach. Das allgemeine Wahlrecht, das er schon lange forderte, sollte ihm die breite Machtbasis sichern. Auch außerhalb von Wien, vor allem bei den Rumänen, war L. wegen seiner antimagyarischen Grundeinstellung populär. Bukarest wählte ihn zum Ehrenbürger. In seinen letzten Lebensjahren schwer zuckerkrank, zum Schluß bereits blind, forderte L. noch in seinem Politischen Testament seine Partei auf, an dem von ihm fixierten Standpunkt in der „ungarischen Frage“ festzuhalten.
Literatur
Kuppe, Rudolf: Karl Lueger und seine Zeit. Wien 1933.
Gartner, Leopold: Lueger und die Außenpolitik der Österreichisch-Ungarischen Monarchie. (Diss.) Wien 1951.
Funder, Friedrich: Vom Gestern ins Heute. Aus dem Kaiserreich in die Republik. Wien, München 1951 (1971(3)).
Skalnik, Kurt: Dr. Karl Lueger. Der Mann zwischen den Zeiten. Wien, München 1954.
Schnee, Heinrich: Karl Lueger. Leben und Wirken eines großen Sozial- und Kommunalpolitikers. Berlin 1960.
Czeike, Felix: Liberale, christlichsoziale und sozialdemokratische Kommunalpolitik (1861-1934) dargestellt am Beispiel der Gemeinde Wien. Wien 1962.
Kielmansegg, Erich Graf: Kaiserhaus, Staatsmänner und Politiker. Wien 1966.
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