Lukinich, Imre, ungarischer Historiker, * Varjas (Komitat Bihar) 04.04.1880, † Budapest 16.05.1950.
Leben
Nach Studium und Promotion in Klausenburg unterrichtete L. zunächst in den siebenbürgischen Städten Székelyudvarhely (Odorhei) und Dés (Dej) als Gymnasiallehrer. 1909 wurde er Privatdozent an der Universität von Klausenburg. 1912 zog er nach Budapest und war bis 1918 wieder als Gymnasiallehrer tätig. 1918 wurde L. zum ordentlichen Professor an die Universität von Preßburg berufen, doch verlor er bald nach der Angliederung der Stadt an die Tschechoslowakei seinen Lehrstuhl. In die Hauptstadt zurückgekehrt, arbeitete er im Staatsarchiv, wurde 1924 Direktor der Nationalbibliothek und schließlich 1927 ordentlicher Professor für die Geschichte Südosteuropas. Seinen Lehrstuhl an der Universität Budapest behielt er auch nach 1945. Er wurde erst kurz vor seinem Tode emeritiert. L. bekleidete im wissenschaftspolitischen Leben der Zwischenkriegszeit bedeutende organisatorische Stellungen. Er war Generalsekretär der nach 1919 immer größeres Gewicht erlangenden Historischen Gesellschaft. 1919 wurde er korrespondierendes, 1931 ordentliches, 1935 (bis 1949) Direktionsmitglied der Ungarischen Akademie der Wissenschaften. Er besorgte die Herausgabe repräsentativer Sammelwerke (Klebelsberg-Festschrift 1925, Rákóczy-Festschrift 1935, König Matthias-Festschrift 1940) und redigierte bis 1944 die Zeitschrift „Archivum Europae Centro-Orientalis“. Das Interesse des Historikers L. galt zu Beginn seiner Karriere seiner engeren Heimat Siebenbürgen, was besonders aus den bis 1919 geschriebenen Werken deutlich zum Vorschein kommt. Die Studien über Fürst Georg I. Rákóczy und das polnische Königtum (I. Rákóczi György és a lengyel királyság, 1907) sowie die Gebietsänderungen Siebenbürgens in der Türkenzeit (Erdély területi változásai a török hódoltság korában 1541-1711, 1918) behandeln die „Glanzzeit“ des siebenbürgischen ungarischen Fürstentums im 17. Jh. Nach dem Anschluß Siebenbürgens an Rumänien (1920) besann sich L. der „Unabhängigkeitstraditionen“ der ungarischen Geschichte und publizierte mehrere, heute noch nützliche Monographien, Quellenpublikationen und Aufsätze zur Geschichte des Aufstandes Franz’ II. Rákóczy gegen die Habsburger. In diesem Zusammenhang seien genannt: „A szatmári béke története és okirattára“ (Geschichte und Urkundenbuch des Friedens von Sathmar, 1925) und „II. Rákóczi Ferenc felségárlási perének
története és irattára“ (Geschichte und Urkundenbuch des Hochverratsprozesses Franz’ II. Rákóczy, 1935). Für L.s Methode als Geschichtsschreiber ist das Festhalten an den Fakten bezeichnend, womit er die Tradition der „positivistischen historischen Schule“ der Jahrhundertwende in Ungarn weiterführte. Die Hauptrichtung der ungarischen Historiographie der Zwischenkriegszeit, die Geistesgeschichte, wirkte auf ihn nicht.