Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Marsili, Luigi Ferdinando Conte di
Bild: Wikimedia Commons
Wikidata: Q470543

In den Suchergebnissen blättern

Treffer 
 von 1526

Marsili, Luigi Ferdinando Conte di

 Marsili (Marsigli), Luigi Ferdinando Conte di, italienischer Reisender, Naturforscher und General, * Bologna 20.07.1658, † ebd. 01.11.1730.

Leben

 M. zeigte schon in der Jugend ein besonderes Interesse für das Osmanische Reich und begab sich nach einigen vornehmlich naturwissenschaftlichen Studien Ende 1679 als Begleiter des Bailos Pietro Civrano nach Istanbul. Während seines elfmonatigen Aufenthaltes ging er vor allem naturwissenschaftlichen und historisch-geographischen Fragen nach und knüpfte dabei mit außergewöhnlichem Eifer und Erfolg Verbindungen zu bekannten osmanischen Gelehrten an. Mit dem Polyhistor Hüseyin Hezarfen, dessen Schriften er teilweise in Europa bekannt machte, verband ihn eine regelrechte Freundschaft. 1681 erschien in Rom als erstes seiner zahlreichen Werke eine Untersuchung über die Strömung des Bosporus. Sein Entschluß, sich nunmehr dem Kampf gegen die Türken zu widmen, führte ihn in habsburgische Dienste. Im Verlaufe seiner militärischen Laufbahn konnte er sich verschiedene Male auszeichnen und erwarb sich besonderen Ruhm als Kriegstechniker und Kartograph. 1683 fiel er in der Nähe des Neusiedlersees in Feindeshand und erlebte die Belagerung Wiens als Augenzeuge vom türkischen Lager aus. Nach neunmonatiger Gefangenschaft konnte er sich in Bosnien auslösen und an die Front in Ungarn zurückkehren. Sein Interesse für die orientalischen Quellen ließ ihn verschiedene Male bei der Eroberung osmanischer Städte, vor allem derjenigen Ofens 1686, zahlreiche türkische Handschriften vor der Vernichtung retten, die er seiner eigenen Sammlung zuführte. 1691-1692 wurde er mehrmals zu geheimen Friedensfühlern ins Osmanische Reich gesandt. Den Höhepunkt seiner Laufbahn bildete die Teilnahme am Frieden von Karlowitz als Sachverständiger und Bevollmächtigter für die Grenzziehung (1699-1701). Nach erfolgloser Verteidigung der Rheinfeste Breisach gegen die Franzosen 1703 wurde er zu Unrecht degradiert und aus der Armee entlassen. Von nun an befaßte er sich vor allem mit seinen zeitlebens mit größter Energie verfolgten wissenschaftlichen Studien, die ihm internationale Anerkennung einbrachten. Seiner Heimatstadt stiftete er ein noch heute bestehendes wissenschaftliches Institut, in dessen ursprünglichem Konzept sich seine eigene, fast geniale Vielseitigkeit widerspiegelte. 1726 veröffentlichte er in Amsterdam eine sechsbändige naturwissenschaftlich-geographisch-historische Abhandlung über das südliche Donaugebiet (Danubius Pannonico-Mysicus), die ihn als besten Kenner des Flusses und der Länder in seiner Zeit auswies. Sein posthum erschienenes Buch „Stato militare dell’Imperio Ottomanno. L’état militaire de l’Empire Ottoman“ (Amsterdam/Den Haag 1732) kann als bedeutendste abendländische Quelle zur traditionellen osmanischen Militärorganisation und Kriegskunst angesehen werden. Die 1709 von ihm in italienischer Übersetzung publizierte türkische Beschreibung der Belagerung Wiens 1683 (Autor: Hüseyin Hezarfen) vermittelte dem Abendland die erste Darstellung des denkwürdigen Ereignisses aus der Sicht des Gegners. M.s monumentaler schriftlicher Nachlaß ist eine von der Forschung immer noch nicht genügend ausgeschöpfte Fundgrube zur Geschichte und Landeskunde Südosteuropas im 17. Jh. Seine Sammlung orientalischer Handschriften, hinsichtlich der türkischen die zweitgrößte Italiens, ist bis heute unzureichend erschlossen geblieben und in ihrer Bedeutung oft unterschätzt worden.

Literatur

Rosen, Victor: Remarques sur les manuscrits orientaux de la Collection Marsigli à Bologne. In: Reale Accademia dei Lincei, Classe die scienze morali, memorie. Bd 12. Roma 1885, 163-295.
Frati, Lodovico: Catalogo dei manoscritti di Luigi Ferdinando Marsili conservati nella Biblioteca Universitaria di Bologna. Firenze 1928.
Longhena, Mario: II conte Luigi Ferdinando Marsili. Milano 1930.
Rossi, Ettore: II secondo centenario della morte di Luigi Ferdinando Marsigli. In: Oriente moderno 11 (1931) 415-424 (mit Bibliographie).
Radojčić, Nikola: Oblik prvih modernih srpskih istorija. Povodom Marsilijeve istorije Srba. In: Zborn. Matice srpske, društ. Nauke 2 (1951) 5-56.
Marsigli, Luigi Ferdinando: Stato militare dell’Imperio Ottomanno. L’état militaire de l’Empire Ottoman. Graz 1972. (Nachdruck der Ausgabe 1732 mit moderner bio-bibliographischer Einführung und Register. (Dazu s. Bibliotheca Orientalis 30 (1973) 492-494).

Verfasser

Heidrun Wurm (GND: 107817357)


GND: 118640968

Weiterführende Informationen: https://prometheus.lmu.de/gnd/118640968

RDF: RDF

Vorlage (GIF-Bild):  Bild1   Bild2   Bild3   

Empfohlene Zitierweise: Heidrun Wurm, Marsili, Luigi Ferdinando Conte di, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 3. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1979, S. 107-109 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1299, abgerufen am: (Abrufdatum)

Druckerfreundliche Anzeige: Druckerfreundlich

Treffer 
 von 1526
Ok, verstanden

Website nutzt Cookies, um bestmögliche Funktionalität bieten zu können. Mehr Infos