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Kallerjis, Dimitrios, griechischer Offizier und Politiker, * Kreta 1803, † Athen 20.04.1867, verheiratet mit der Korinther Honoratiorentochter Sofia Rentis, Schwiegervater des Politikers Andreas Kunturiotis.
Leben
K., ein Neffe Nesselrodes, entstammte einer bis in die byzantinische Zeit nachweisbaren Familie Kretas, deren Wappen die heutige Staatsflagge ist, und wurde wie viele seiner Verwandten in St. Petersburg erzogen. Nach dem Medizinstudium in Wien nahm er am Unabhängigkeitskrieg teil und diente als Adjutant des napoleonischen Generals Charles-Nicolas Fabvier, der das erste reguläre Heer organisierte. K. sympathisierte seiner Erziehung gemäß mit der russischen Partei; die kurz nach Kapodistrias’ Ermordung 1831 in Argos tagende 5. Nationalversammlung beschützte er mit seiner Kavallerieabteilung und stand auch in den Wirren des Interregnums auf seiten der Anhänger des Regenten. Im August 1843 wurde er, der wie die Führer der russischen Partei in Opposition zum Absolutismus Ottos stand, in die Pläne eines Putsches zur Errichtung einer verfassungsmäßigen Ordnung eingeweiht und übernahm als Chef der Athener Kavallerie die Führung der unblutigen Militärrevolte des 15. (3.) September 1843. Zum Generalmajor ernannt, wurde er Chef der Athener Garnison sowie der Wache der Konstituante, deren konservative Politiker er offen unterstützte, und schließlich Adjutant des Königs. Als Kolettis ihn 1845 in die Provinz abschieben wollte, nahm er seinen Abschied. In London gewann er das Vertrauen von Charles-Louis-N apoleon (dem späteren Napoleon III.), der ihn nach 1848 als Anwalt der französischen Interessen betrachtete. Mit französischer Unterstützung wurde K. 1854 Heeresminister im „Okkupationskabinett“ Mavrokordatos und zog sich die Feindschaft des Hofes zu, weil er den Immediatvortrag der Offiziere verbot. Als sein Brief an Königin Amalie mit einer Beschwerde über deren öffentliche Mißfallensbekundung gegenüber einer vom Hof illegitimer Beziehungen zu K. verdächtigten Dame der Athener Gesellschaft in Frankreich publiziert wurde, stürzte das gesamte Kabinett (11.10. / 29.09.1855). 1861 ging er als Gesandter nach Paris; dort erhielt er nachweislich 1863 Zuwendungen von monatlich 2.000 frs für die „Beratung“ Napoleons III. und wurde gleichzeitig von der britischen Diplomatie bestochen. Nach längeren diplomatischen Sondierungen während der Sponneck-Affäre über seine Verwendung in Athen nahm er den 1864 aufgegebenen Gesandtenposten von neuem an, trat am 15. November 1865 als Kriegsminister in das 36 Stunden amtierende Kabinett Vulgaris ein und versuchte 1866, die Unruhe auf Kreta zur Bildung einer breiten Front von Politikern unter Einschluß von Anhängern des abgesetzten Königs Otto gegen die gemäßigte Außenpolitik Georgs I. und für die rasche Verwirklichung der „Großen Idee“ einer Befreiung aller Griechen von der os- manischen Herrschaft auszunutzen. K. war ein couragierter Offfizier, aber kein integrer Charakter und rief gegen Ende seiner Karriere Mißtrauen und Ablehnung in allen politischen Lagern hervor. Sein Einfluß war auch infolge seines impertinenten Auftretens begrenzt; in den 60er Jahren konnte er nur noch dank der Freundschaft mit Napoleon III. eine Rolle spielen, deren Möglichkeiten er freilich überschätzte.
Literatur
Petropulos, John Anthony: Politics and Statecrafl in the Kingdom of Greece 1833-1843. Princeton, N. J. 1968.
Dontas, Domna N.: Greece and the Great Powers 1863-1875. Thessaloniki 1966. == Institute for Balkan Studies. 87.
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