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Kallerjis, Stavros, griechischer Politiker und Publizist, * Chumeri (Bezirk Mylopotamos, Kreta) 1865, † ebd. 1926.
Leben
1882 begann K. ein Architekturstudium an der Technischen Hochschule in Athen, unterbrach es jedoch nach zwei Jahren und nahm mit einer um Platon Drakulis sich sammelnden kleinen Sozialistengruppe Kontakt auf. Zunächst wirkte er an der von
Drakulis herausgegebenen sozialistischen Zeitung „Arden“ (1885) mit und unternahm die Organisierung kleiner Studentengruppen mit sozialistischen Tendenzen (1886 „Orpheus“). 1890 gründete er den ersten „Zentralen Sozialistischen Verein“ (Kentrikos Sosialistikos Sillogos) in Griechenland mit zunächst 200 Mitgliedern und gab dessen Organ „Sosialistis“ (Sozialist) heraus (Juni-September 1890). Im selben Jahr veröffentlichte er die Broschüre „Odigos pantos anthropu“ (Führer jedes Menschen), in der er den anarchistischen Sozialismus Bakunins popularisierte. Gleichzeitig widmete er sich der organisatorischen Arbeit und gründete kleine sozialistische Gruppen als Abteilungen des Zentralvereins in Piräus, Lavrion, Patras, Pyrgos, Zakynthos, Ägion und Syros. Am l.Mai 1894 nahm er mit Drakulis an der Organisierung einer der ersten Mai- Manifestationen in Griechenland aktiv teil und wurde daraufhin, als er deren Manifest im Parlament verlesen wollte, festgenommen. Kurz danach wurde er wieder freigelassen, mußte jedoch wegen einer ihm angelasteten Erpressung des Millionärs Andreas Singros im selben Jahr zwei Monate im Gefängnis verbringen. Ende 1894 reiste K. nach Paris, wo er mit griechischen und westeuropäischen Sozialisten Verbindung aufnahm, darunter mit Jean Allemane, bei dessen Zeitung „Socialiste Revolutionnaire“ er sich betätigte. Anfang 1896 kehrte er nach Athen zurück und brachte wieder die Zeitung „Sosialistis“, diesmal in griechischer und französischer Sprache, heraus. 1897 begab sich K. nach Kreta und nahm dort am ein Jahr zuvor ausgebrochenen Aufstand gegen die türkische Herrschaft teil. Nach dessen Scheitern kehrte er 1898 nach Athen zurück. Von seinen Genossen des Sozialchauvinismus angeklagt, verteidigte er sich mit der Schrift „Epistoli pros apantas tus ellinas sosialistas“ (Brief an alle griechischen Sozialisten, 1898). Wegen finanzieller Schwierigkeiten (um seinen Lebensunterhalt zu sichern, arbeitete K. von Zeit zu Zeit als Drucker in Kreta oder importierte landwirtschaftliche Produkte aus seiner Heimat nach Athen) mußte er 1902 das Erscheinen des „Sosialistis“ einstellen und sich in sein Heimatdorf zurückziehen. Abgesehen von seiner aktiven Teilnahme am letzten kretischen Aufstand 1912, bei dem er einen Appell an die europäischen Sozialisten zur Unterstützung der Vereinigung Kretas mit Griechenland richtete, verbrachte er den Rest seines Lebens als Privatmann in seinem Geburtsort. K. ist neben Platon Drakulis der bedeutendste Initiator und Verfechter des Frühsozialismus in Griechenland. Obwohl er eine mehr auf die organisatorische Arbeit gerichtete Tendenz vertrat als Drakulis, mußte auch er in den unreifen Zuständen seiner Zeit und seines Landes gefangen bleiben. Seine „sozialistische“ Theorie und Praxis war eine widersprüchliche Mischung von orthodoxem und reformistischem Marxismus (Vorbilder August Bebel und Wilhelm Liebknecht), Anarchismus Bakuninscher Prägung und Sozialpatriotismus (Vorbilder italienische und französische Sozialisten). Abgesehen von seinen bescheidenen Wirkungsmöglichkeiten mußte K., zusammen mit anderen Gleichgesinnten, dem Sturm des aufsteigenden Bürgertums in Griechenland und dessen nationalchauvinistischer Ideologie weichen.
Literatur
Kordatos, Janis: Istoria tu elliniku ergatiku kinimatos. Athen 1956(2), 57-74, 93-97.
Ders.: Istoria tis neoteris Elladas. Bd 4. Athen 1958, 619-628.
Moskof, Kostis: I ethniki ke kinoniki sinidisi stin Ellada (1830-1909). Thessaloniki 1972, 205-213.
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