Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Karl I., Kaiser von Österreich, König von Ungarn
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Karl I., Kaiser von Österreich, König von Ungarn

Karl I. (Karl Franz Joseph Ludwig Hubert Georg Maria), Kaiser von Österreich, König von Ungarn (Karl IV.) 1916-1918, * Schloß Persenbeug an der Donau (Niederösterreich) 17.08.1887, † Quinta do Monte bei Funchal (Madeira) l.IV. 1922, Sohn Erzherzogs Otto und der Maria Josepha von Sachsen, Großneffe Kaiser Franz Josephs I.

Leben

K.s Erziehung, in späteren Jahren stark von Graf Arthur von Polzer-Hoditz beeinflußt, zeigte zunächst kaum Besonderheiten, erfuhr indessen nach dem frühen Tode seines Vaters (1906) eine gewisse Akzeleration. Seine Jugend verbrachte K. in Verfolgung der üblichen militärischen Karriere weitgehend in Provinzgarnisonen. Am 21. Oktober 1911 heiratete er Zita von Bourbon-Parma. Ab November 1912 in Wien, übersiedelte er alsbald in das Schloß Hetzendorf; sein erster Sohn Otto kam am 20. November 1912 zur Welt. K. wurde Thronfolger, nachdem Rudolf sich das Leben genommen hatte (30.01.1889), Maximilian in Mexiko erschossen (19.06.1867), Karl Ludwig an Typhus gestorben (17.05.1896) und Franz Ferdinand in Sarajevo - ohne für die Thronfolge in Frage kommende Nachkommen zu hinterlassen - ermordet (28.06.1914) worden waren. Nach dem Erbfall verblieb K. nicht in Wien, um in die politischen Entscheidungsprozesse eingeweiht zu werden, sondern verbrachte die nächsten Jahre hauptsächlich an der Front und im Hauptquartier (Przemyśl, Teschen, italienische Front, im Gefolge der Brussilow-Offensive an der russischen Front). Schließlich wurde K. mit Hans von Seeckt zum Leiter eines Heeresgruppenkommandos, endlich auch zum Generalobersten und Großadmiral befördert. Seine Aufenthalte in Wien gaben ebenso Anlaß zu Kritik wie jene an der Front; jedenfalls war K. nicht in ausreichendem Maße in die politischen Führungsprobleme eingeweiht, als er nach dem Tode Franz Josephs (21.11.1916) den Thron bestieg. K.s Proklamation einen Tag nach seiner Thronbesteigung erfüllte nicht die in sie gesetzten hochgespannten Erwartungen. Er umgab sich zwar mit neuen Männern - Polzer-Hoditz wurde Kabinettsdirektor, Clam-Martinic österreichischer Ministerpräsident, Czernin Außenminister - und erklärte sich am 2. Dezember 1916 zum Oberkommandierenden, indem er Conrad von Hötzendorf ersetzte. Letzten Endes steuerte er jedoch nicht jenen Reformkurs an, der vielfach von ihm erwartet wurde, und der ihm wohl im Kriege nur bedingt möglich schien. Zudem war K. in etwaigen Reformplänen auch durch die Krönung zum ungarischen König (30.12.1916), die auf das Drängen Graf István Tiszas bald erfolgt war, gebunden. Der ungarische Ministerpräsident wollte verhindern, daß mit der ungarischen Verfassung nicht in Einklang zu bringende Pläne zur Neugestaltung der Monarchie (Erzherzog Franz Ferdinand) zur Diskussion gestellt würden. Der junge Monarch hatte bereits das im Thronbesteigungsmanifest übliche Gelöbnis auf die österreichische Verfassung unterlassen, um die Ungarn nicht herauszufordern. Daraufhin trat Ministerpräsident Ernest von Koerber am 14. Dezember 1916 zurück. K. blieb letztlich völlig glücklos: die politische Amnestie erfüllte nicht die in sie gesetzten Hoffnungen, praktisch erfolglos blieb auch der - bescheidene - Abbau der Ausnahmegesetzgebung, vor allem aber der Versuch, über seinen Schwager Sixtus den - a priori nicht als Sonderfrieden konzipierten - Frieden herbeizuführen. Diese Bemühungen scheiterten an zahllosen Faktoren, u. a. an der intransigenten Haltung Czernins und einem gewissen Desinteresse Italiens, vor allem weil dazu aber jene Radikalität nötig gewesen wäre (Trennung von Deutschland), zu der K. auf keinem Gebiete bereit war, letztlich wohl auch deshalb, weil im Zeitalter der Massendemokratie keine Möglichkeit existierte, durch Geheimdiplomatie Große Politik zu machen. Die nach Aufdeckung der „Sixtus-Affaire“ noch mehr gesteigerte Abhängigkeit Wiens von Berlin markierte die hoffnungslose Lage K.s; Siege in Italien und der Friede von Brest-Litowsk waren quasi nur noch retardierende Momente auf dem Weg zum Untergang. Innenpolitisch hatte auch die Berufung Ernst von Seidlers keine positiven Auswirkungen mehr, und ab Sommer 1918 machten die innenpolitischen Auflösungserscheinungen alarmierende Fortschritte. K.s Oktobermanifest (16.10. 1918) kam viel zu spät und scheint seine Yorgangsweise charakteristisch zu illustrieren: zu wenig, zu spät, zu unentschlossen, zum falschen Zeitpunkt. So wurde K.s letztes österreichisches Ministerium (Heinrich Lammasch) zum Liquidator, Ungarn wurde durch das Oktobermanifest zur Kündigung des Dualismus veranlaßt. Am 11. November 1918 Unterzeichnete K. eine Verzichtserklärung auf Ausübung der Regierungsgeschäfte (ein nahezu gleichlautendes Dokument wurde von ihm am 13. November für Ungarn unterfertigt). Ab November 1918 lebte K. mit seiner Familie in Eckartsau, begab sich am 24. März 1919 unter britischem Schutz in die Schweiz ins Exil, wobei er zuvor in Feldkirch seine Erklärung vom 11. November 1918 als ungültig erklärte. Von Prangins am Genfer See aus bereitete er seinen ersten ungarischen Restaurationsversuch vor (Ostern 1921), der ebenso wie der zweite (Oktober 1921) an der ablehnenden Haltung des Reichs Verwesers Horthy scheiterte. Auf britischen Kriegsschiffen nach Madeira ins Exil gebracht, verstarb K. in der Überzeugung, richtig gehandelt zu haben. Das Ende der Donaumonarchie auf K.s Schwäche und Unentschlossenheit zurückzuführen, geht wohl insofern an den historischen Tatsachen vorbei, als auch ein anderer Herrscher die Krone nicht mehr hätte retten können.

Literatur

Polzer-Hoditz, Arthur von: Kaiser Karl. Wien 1929.
Lorenz, Reinhold: Kaiser Karl und der Untergang der Donaumonarchie. Graz, Wien, Köln 1959.
Jedlicka, Ludwig: Kaiser Karl. In: Hantsch, Hugo (Hrsg.): Gestalter der Geschicke Österreichs. Wien 1962.
Kann, Robert A.: Die Sixtusaffaire und die geheimen Friedensverhandlungen Österreich-Ungarns im Ersten Weltkrieg. Wien 1966.
Rumpler, Helmut: Das Völkermanifest Kaiser Karls vom 16. Oktober 1918. München 1966.
Brook-Shepherd, Gordon: The Last Habsburg. New York 1968. (Deutsch: Um Krone und Reich. Wien, München, Zürich 1968.)
Hoyer, Helmut: Kaiser Karl I. und Feldmarschall Conrad von Hötzendorf. Ein Beitrag zur Militärpolitik Kaiser Karls. (Diss.) Wien 1972.
Lehár, Anton: Erinnerungen. Gegenrevolution und Restaurationsversuche in Ungarn 1918-1921. Hrsg. Peter Broucek. Wien 1973.

Verfasser

Georg Erich Schmid (GND: 13221637X)

GND: 118560077

Weiterführende Information (Deutsche Biographie): https://www.deutsche-biographie.de/pnd118560077.html


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Empfohlene Zitierweise: Georg Erich Schmid, Karl I., Kaiser von Österreich, König von Ungarn, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 2. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1976, S. 365-367 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1101, abgerufen am: (Abrufdatum)

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