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Kudlich, Hans, österreichischer Politiker, * Lobenstein (Úvalno, österreichisch-Schlesien) 25.10. 1823, † Hoboken, New Jersey 11.11.1917, aus einer alteingesessenen Bauernfamilie.
Leben
Nach dem Besuch des Gymnasiums in Troppau (Opava) erhielt K. 1839 von der Fürst Liechtensteinschen Obrigkeit die Erlaubnis, an der Wiener Universität Jura zu studieren. Eingeführt in die Kreise des altliberalen Großbürgertums im „Wiener Leseverein“ gewann er als Erzieher im Hause des Anwaltes und Textilfabrikanten Dr. Elz 1845-1848 Einblicke in die Reformwünsche dieser Schichten, die ihm die Vorlesungen des freisinnigen Universitätsprofessors der „Staats-Ökonomie“ Franz Ritter von Holger noch vertieften. Die Studentenversammlung am Vortag der Demonstration vor dem niederösterreichischen Ständehaus, dem 12. März 1848, zu der die „Akademische Legion“ Arbeiter und Vorstadtkleinbürger aufbieten konnte, rissen K. aus der Zurückhaltung und ließen ihn auch in der Legion aktiv werden. Eine Handwunde durch einen Bajonettstich und die Fülle von revolutionären Veranstaltungen erzwangen Mitte Mai einen Urlaub in der Heimat. Sein älterer Bruder Hermann K. war in die Frankfurter Nationalversammlung gewählt worden, sein jüngerer Bruder Ignaz K. hatte in der heimatlichen Nationalgarde ein Kommando erhalten. Diese Umstände sowie das Ansehen des Vaters ebneten K. den Weg in den Wiener Reichstag, und er errang am 24. Juni bei der Stichwahl in Bennisch (Horní Benešov) den Sieg - als Bauernsohn - auch mit Hilfe der tschechischen Bauern. Fünfzehn Tage nach dem Zusammentritt des Reichstages reichte er am 25. Juli seinen Antrag ein, „das Unterthänigkeitsver- hältnis sammt allen daraus entspringenden Rechten und Pflichten“ aufzuheben. „Die nöthige Gleichstellung der Unterthanen mit denjenigen, welche mit dieser Benennung nicht mehr gebrandmarkt sind“, so begründete er, sei unerläßlich. In den Kommissions- Verhandlungen siegten die „Linken“ auch mit der Forderung nach entschädigungsfreier Robotablösung, verloren aber in der Schlußabstimmung am 29. August, weil die „Schwenkung der Tschechen in das ministerielle Lager“ erfolgt war. Der Antrag führte schließlich zum Gesetz vom 7. September 1848. Der Fakelzug vom 24. September, den die „Linken“ mit Bauernvertretungen für K. veranstalteten, fand bereits unter dem drohenden Aufmarsch gegen die ungarische Revolutionsregierung Lajos Kossuths statt, daher die Mahnung K.s: „Bauern, reicht euch die starken Hände“, und zwar über alle nationalen Grenzen hinweg. Sein Gesinnungsfreund Ludwig von Löhner, der bereits im April an einem Yerbrüderungsfest mit ungarischen Studenten teilgenommen hatte, setzte sich nun als Hauptredner in der Debatte um die Zulassung der neuerlichen Deputation der ungarischen Regierung für die Erfüllung der ungarischen Wünsche ein. Der Antrag der „Linken“ und der Polen wurde jedoch am 19. Oktober durch die nationalen Tschechen unter Ladislav Rieger und den Präsidenten Antonín Strobach abgelehnt. Der Ausmarsch des Wiener Grenadierbataillons am 6. Oktober zu den Truppen des Banus Josip Jelačić gegen die Ungarn löste ein Gefecht an der Wiener Taborbrücke aus, in dem bewaffnete Teile der Legion und der Nationalgarden die militärische Aktion hinderten. K. griff als Abgeordneter ein, um weitere Menschenverluste zu verhüten und vermittelte noch am selben Tag vor dem Zeughaus zwischen den Aufständischen und der kleinen Besatzung, ohne allerdings die Plünderung der Waffen verhindern zu können. Am Abend wurde K. vom Parlament mit sechs seiner „populärsten Männer“ ins Kriegsministerium entsandt, doch die Kommission konnte Kriegsminister Theodor Graf Baillet de Latour vor der Menge nicht mehr retten. Der „Permanenzausschuß“ des Reichstages ergriff nach der Flucht des Hofes die Exekutive. K. wurde kooptiert und forderte angesichts des Vormarsches der Truppen des Fürsten Alfred von und zu Windisch-Graetz von Prag und des Banus Jelačić von Ungarn aus das Aufgebot des Landsturmes. Als Werber in die bäuerlichen Landschaften Nieder- und Oberösterreichs entsandt, scheiterte er, da die kaiserliche Proklamation vom 15. Oktober die sozialen Errungenschaften als gesichert erklärt und die Bauern dadurch beruhigt hatte. Ende Oktober befand sich Wien fest in der Hand der kaiserlichen Truppen, und K. wurde auf die Fahndungsliste gesetzt. K. verbrachte nun die Wochen bis zur Einberufung des Reichstages nach Kremsier (Kroměříž), wohin er am 15. November reiste, bei Freunden in Wilhelmsburg in Niederösterreich. Zwar konnte er mit Hilfe galizischer Bauernabgeordneter die Immunität für einen der Böhmerwälder Abgeordneten durchsetzen, doch machte die erzwungene Auflösung des Reichstages am 7. März 1849 auch ihn vogelfrei und ließ ihm nur die Flucht über seine Heimat nach Frankfurt zu seinem Bruder Hermann übrig. Er beteiligte sich noch an den Vorbereitungen eines Prager Aufstandes in Leipzig (Mai 1849) und wirkte bei den Aufständen in der Pfalz und in Baden mit, weshalb er auch noch durch ein bayerisches Gericht gesucht wurde. Nach dem Scheitern der revolutionären Hoffnungen ging er dann am 18. Juni 1849 in die Schweiz, wo ihm der Internist der Berner Universität Wilhelm Vogt und dessen Familie Rückhalt bot. Das Medizinstudium, das er in Zürich im März 1853 erfolgreich abschloß, ermöglichte ihm und seiner Frau Luise, der Tochter Professor Vogts, den Aufbau einer Existenz in Amerika. K. wurde in Wien am 10. März 1854 in Abwesenheit zum Tode verurteilt. K.s „Gegendarstellung“ des Schicksalsjahres 1848/49 erschien als „Rückblicke und Erinnerungen“ erstmals 1873 in Wien (3 Bände; 2. Auflage Budweis 1924). Im Jahr zuvor hatte er mit seiner Frau die Amnestie genutzt und über die Schweiz seine Heimat besucht, als amerikanischer Staatsbürger, der seit seiner Parteinahme im Sezessionskrieg auf seiten der Republikaner 1869 bekannte, daß er sich in seiner neuen Heimat „seitdem nicht mehr als Fremdling“ fühle. Als Arzt in Hoboken hatte er auch in den deutschen Kreisen lebhaft gewirkt. In seiner Dankrede anläßlich einer Festveranstaltung in Troppau betonte er sein Bedauern darüber, daß ein „Staatsverein auf demokratischer Grundlage“, der die Nationen würde zusammenführen können, nicht mehr in Erwägung käme. 1913 erschien in Leitmeritz sein Buch „Die Revolution des Jahres 1848“. 1925 wurden die Aschenurnen des Ehepaares K. in die Heimat überführt und in der „Kudlich-Warte“ bei Lobenstein beigesetzt.
Literatur
Pollak, Walter: Hans Kudlich und die Revolution von 1848. Wien 1940.
Krommer, H. und P. Reimann: Hans Kudlichs politisches Testament. Aus unveröffentlichten Briefen des Bauernbefreiers. London 1944.
Prinz, Friedrich: Hans Kudlich (1823-1917). Versuch einer historisch-politischen Biographie. München 1962 (mit Bibliographie).
Sieber, E. K.: Ludwig von Löhner, ein Vorkämpfer des Deutschtums in Böhmen, Mähren und Schlesien im Jahre 1848/49. München 1965.
Prinz, Friedrich: Hans Kudlich. In: Lebensbilder zur Geschichte der böhmischen Länder. Bd 1. München, Wien 1974, 139-162 (mit Bibliographie).
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