Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Kukuljević-Sakcinski, Ivan
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Kukuljević-Sakcinski, Ivan

 Kukuljević-Sakcinski, Ivan, kroatischer Historiker, Politiker und Schriftsteller, * Warasdin (Varaždin) 29.05.1816, † Schloß Puhakovec bei Sv. Križ (Zagorien) 1.08.1889.

Leben

K. entstammte einer im 16. Jh. aus Dalmatien nach Zengg (Senj) und später in die Umgebung von Warasdin übersiedelten Adelsfamilie, die mit dem venezianischen Patriziergeschlecht Bassani de Sacci verwandt war (daher der Beiname Sakcinski). Der Vater Antun K. (10.05.1776 - 28.08.1851) war Kroatischer Nuntius zur Unteren Tafel der ungarischen Reichstage in Preßburg 1825-1827 und 1832-1836 sowie oberster Studienaufseher für Kroatien und Slawonien 1837-1844. K. absolvierte zunächst die unteren Schulklassen in Warasdin und besuchte von 1825 bis 1833 die philosophischen Klassen des Adligen-Convicts in Zagreb; von 1833 bis 1842 diente er in der kaiserlichen Armee (in Krems, Wien und Mailand) und machte während dieser Zeit die Bekanntschaft von Ljudevit Gaj (1837), dem Protagonisten der jungen kroatischen Nationalbewegung, der ihn für den Illyrismus und als Mitarbeiter für die „Danica ilirska“, das kulturelle Beiblatt der „Ilirske narodne novine“, gewann. Nachdem sich K. bereits vorher in deutscher Sprache schriftstellerisch betätigt hatte, erschien 1839 sein historisch-patriotisches Ritterspiel „Juran i Sofia ili Turci kod Siska“ (Georg und Sophie oder die Türken vor Sissek), das erste
Drama der „Wiedergeburts“-Bewegung, das 1839 in Sissek und 1840 in Zagreb aufgeführt wurde. Seine anderen schriftstellerischen Arbeiten aus den folgenden Jahren (Različita dela, 4 Bde, 1842/47) sind von der Romantik geprägt und zeigen mehr nationalpatriotischen als künstlerischen Wert. Nach Quittierung der militärischen Laufbahn stand K. 1842-1845 im Dienst der Zagreber Gespanschaft und war anschließend (bis 1848) im Warasdiner Komitat als Bezirksrichter tätig. Wiederholt sprach er sich in diesen Jahren für den Gebrauch der kroatischen Sprache im öffentlichen Leben (s. seine berühmte am 2.05.1843 im kroatischen Landtag erstmals in der Volkssprache gehaltene Rede), die Konstituierung einer selbständigen kroatischen Regierung („savetničtvo“) und die Abschaffung der Zensur aus. Als einer der Führer der liberalen illyrischen Nationalpartei bekämpfte er erfolgreich die Machtpositionen der „Madjaronen“ (Graf Johann Erdődy) in der Warasdiner Gespanschaft. Am 23. Oktober 1847 beschloß der Landtag auf K.s früheren Antrag hin die Einführung der kroatischen Amtssprache statt des Lateinischen und beauftragte ihn zwei Tage später mit der Zusammenstellung der wichtigsten Quellen zur staatsrechtlichen Lage Kroatiens. Nach dem Ausbruch der Märzunruhen 1848 in Wien und dem Sturz des absolutistischen Regimes übernahm K. gemeinsam mit Gaj und dem Unternehmer Amhroz Vranyczány die Führung der kroatischen Nationalbewegung bis zur Ernennung eines Banus oder zum Zusammentritt des Landtags. In einem programmatischen Artikel vom 20. April 1848 (Kakva treba da bude u obće politika naša = Wie soll überhaupt unsere Politik werden) regte er die Einberufung eines Allslawischen Kongresses und ein enges politisches Bündnis mit den ungarischen Völkern auf der Grundlage völliger nationaler Gleichberechtigung an. Zugleich forderte er die Vereinigung der kroatischen Länder und die Herstellung eines freien Bundes mit Slowenien bei völliger innerer Selbstverwaltung. Ende April 1848 wurde er zum Mitglied des Banalrats (als Präsident der Unterrichtsabteilung) gewählt. Im Landtag dieses Jahres erschien er als Vertreter des Warasdiner Komitats und wurde als Abgeordneter in den Wiener Reichstag entsandt, um dort das dreieinige Königreich zu vertreten. Die Wahrnehmung dieser Funktion wurde ihm jedoch - wie auch den übrigen Abgeordneten - von Wien verweigert. Im Mai schickte ihn Banus Josip Jelačić an der Spitze einer Gesandtschaft zu dem serbischen Patriarchen Josif Rajačić nach Karlowitz (Sremski Karlovci) und zu Alexander Karadjordjević nach Belgrad, um die Einzelheiten eines kroatisch-serbischen Bündnisses und einer gemeinsamen Verteidigung gegen einen eventuellen Angriff der Magyaren zu erörtern. Diese Frage wurde besonders aktuell, nachdem die Gespräche der kroatischen Deputation, die unter Vermittlung des Erzherzogs Johann einen Ausgleich mit den Pester Vertretern herbeiführen sollten, gescheitert waren. K. ersuchte daraufhin Feldmarschall Johann Radetzky in Mailand um materielle Unterstützung für einen Feldzug gegen die ungarische Regierung. Hinsichtlich der Gestaltung der künftigen staatsrechtlichen Beziehungen Kroatiens zu Österreich und Ungarn trat K. im Landtag als entschiedener Befürworter eines gemeinsamen Vorgehens aller slawischen Völker der Monarchie gegen die deutsche und magyarische Hegemonie auf und bekämpfte ab März 1849, nachdem sich die vage Hoffnung auf ein Einlenken Österreichs zerschlagen hatte, im Gegensatz zu Jelačić entschlossen - wenn auch vergeblich - die Verkündung der oktroyierten Verfassung. Nach der Einführung des Bachschen Absolutismus gab K. seine politische Betätigung auf und behielt nur das Amt eines Landesarchivars. In den folgenden Jahren widmete er sich ausschließlich der historisch-wissenschaftlichen Arbeit und legte die Grundlagen der modernen kroatischen Historiographie, wobei er das Schwergewicht auf biographische Untersuchungen (s. seinen „Slovnik umjetnikah jugoslavenskih“ - Lexikon der südslawischen Künstler, 4 Bde, 1858/60; seinen „Život Jurja Julija Klovija slikara“ - Leben des Malers Georg Ludwig Clovio, 1852; „Glasoviti Hrvati prošlih vjekovah“ - Berühmte Kroaten vergangener Jahrhunderte, 1886, u. v. a.) und Quelleneditionen - weniger jedoch auf Epochendarstellungen - legte. Auf vielen Reisen (1851 Steiermark, Kärnten, Krain, Istrien, Venedig und das dalmatinische Küstenland, 1853 abermals Venedig und Wien, 1854 Dalmatien, 1856 Neapel und Rom usw.) sammelte er Materialien zur Geschichte der Südslawen und alte Handschriften, studierte Bau- und epigraphische Denkmäler und zeichnete zahlreiche Volkslieder auf. Am 21. April 1850 gründete er den „Verein für südslawische Geschichte“ und dessen Organ „Arkiv za povestnicu jugoslavensku“ (Archiv für südslawische Geschichte, 1851-1875), in dem er zahlreiche seiner historischen Aufsätze (vor allem zur Stadt- und Regionalgeschichte) veröffentlichte. 1851-1858 war er Vizepräsident der „Matica ilirska“ und ab 1855 Konservator (der erste in Kroatien und Slawonien) der Kunstdenkmäler sowie Präsident der Kroatischen Archäologischen Gesellschaft. 1859 bereitete er die „Monumenta Serbica“ (8.-14. Jh.) und den „Codex diploma- ticus regni Croatiae, Slavoniae et Dalmatiae a saec. IV-XIV“ für den Druck vor (der 2. Teil erschien 1874/75). In die gleiche Zeit fällt der Abschluß der „Bibliografija hrvatska“ (das erste, wenngleich nicht immer mit bibliographischer Genauigkeit gearbeitete Verzeichnis der bis dahin gedruckten kroatischen Bücher, 1860, Ergänzungsband 1863), die „Iura regni Croatiae, Slavoniae et Dalmatiae“, ein für die Rechtsgeschichte Kroatiens noch heute wichtiges Werk (3 Bde, 1861/62) und die „Monumenta historica Slavorum meridionalium“, deren erster Teil (Acta croatica) 337 kroatische, meist mit glagolitischer Schrift geschriebene Urkunden enthält (1863). Vielfach geehrt und ausgezeichnet war K. Mitglied zahlreicher gelehrter Akademien und Vereine (St. Petersburg, Moskau, Budapest, Wien, Rom, Krakau, Prag, Laibach usw.), außerdem 1874-1889 Präsident der „Matica hrvatska“ und 1886 Ehrenmitglied der Jugoslawischen Akademie der Wissenschaften. Ab 1861, nach dem Zusammenbruch des Bachschen Absolutismus, wieder politisch tätig, war K. Obergespan des Zagreber Komitats und außerdem ab 2. Juli 1865 Stellvertreter des Banus (bis 1867). Von Ende 1864 an. gehörte er trotz seiner Vorbehalte gegen den Schmerlingschen Zentralismus neben dem Kanzler Ivan Mažuranić zu den Führern der ein Jahr zuvor von der Nationalpartei abgespaltenen „Selbständigen Nationalpartei“ (Samostalna narodna stranka), die aus Furcht vor einem österreichisch-ungarischen Ausgleich auf Kosten Kroatiens ein enges Bündnis mit den übrigen slawischen Völkern der Monarchie und (vergeblich) die Verständigung mit Wien mit dem Fernziel einer „verfassungsmäßigen und freien Föderation" anstrebte. Als das Scheitern dieser Konzeption offenkundig und Ende 1866 die Einheit der Nationalpartei wiederhergestellt wurde, beteiligte sich K. publizistisch an ihrem Kampf gegen den österreichisch-ungarischen und ungarisch-kroatischen Ausgleich von 1867 bzw. 1868 (s. „Die legitimen und historischen Rechte Croatiens und der Ausgleich mit Ungarn“, 1871), stimmte aber zwei Jahre nach dem Sturz des Grafen Karl Sigmund von Hohenwart (1871) der Revision des Ausgleichs zu. Durch die Politik der Magyarisierung und das immer offensichtlichere Bestreben Ungarns, den Ausgleich systematisch zu unterhöhlen, jedoch enttäuscht, nahm er in seinen Landtagsreden einen scharf oppositionellen Standpunkt ein, der ihn 1880 zum Mitglied der unter dem Schutz Josip Juraj Strossmayers neugegründeten „Unabhängigen Nationalpartei“ (Neodvisna narodna stranka) machte.

Literatur

Mirković, Stjepan (Pseud. f. Djuro Deželić): Ivan Kukuljević Sakcinski. Zagreb 1861.
Smičiklas, Tade: Život i djela Ivana Kukuljevića Sakcinskoga. In: Rad JAZU 110 (1892) 110 bis 204.
Grlović, Milan: Album zaslužnih Hrvata 19 stoljeća. Zagreb 1898/1900. Sv. 12.
Ravlić, Jakša: Ivan Kukuljević. U povodu 70-godišnjice smrti. In: Hist. Pregl. (1959) 297-306.
Krestić, Vasilije: Prilozi za biografiju Ivana Kukuljevića. In: Hist. Zborn. 19/20 (1966/67) 393-404.
Šidak, Jaroslav: Politička djelatnost Ivana Kukuljevića Sakcinskoga. In: Radovi Instituta za hrvatsku povijest 2 (1972) 47-104.
Ders.: Studije iz hrvatske povijesti XIX stoljeća. Zagreb 1973.

Verfasser

Holm Sundhaussen (GND: 120956055)


GND: 11904854X

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Empfohlene Zitierweise: Holm Sundhaussen, Kukuljević-Sakcinski, Ivan, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 2. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1976, S. 521-524 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1211, abgerufen am: (Abrufdatum)

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