Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Mehmed V. Reşad
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Mehmed V. Reşad

Mehmed V. Reşad, osmanischer Sultan 1909-1918, * Istanbul 02.11.1844, † ebd. 03.07.1918, Sohn von Sultan Abdülmecid I.

Leben

M. erhielt eine gewisse Ausbildung und lebte auch in der Regierungszeit seines Onkels Abdülaziz (1861 -1876) relativ frei, wurde von seinem Bruder Abdülhamid II. jedoch völlig von der Außenwelt isoliert. Er war 65 Jahre alt, als er den Thron nach dem Aufstand des 13. April 1909 und der Absetzung seines Bruders am 27. April des gleichen Jahres bestieg, doch konnte er dem Lande seine innere Stabilität nicht zurückgeben. Der zunehmende Chauvinismus eines Flügels der Jungtürken entfremdete dem osmanischen Staat auch seine gutwilligen nichttürkischen Untertanen. Zur Beruhigung der nach Autonomie strebenden Albaner reiste M. im Sommer 1911 nach Rumelien und besuchte Saloniki, Bitola, Skopje und Priština. Die Kriegserklärung Italiens am 29. September 1911 hatte für die Türkei den Verlust von Tripolitanien und faktisch auch des Dodekanes zur Folge (Friede von Ouchy 15.10. 1912) . Zur gleichen Zeit brach der Erste Balkankrieg aus (08.10. Kriegserklärung Montenegros, 17.10. auch Serbiens, Griechenlands und Bulgariens), und ein albanischer Kongreß in Valona proklamierte am 28. November 1912 die Unabhängigkeit. Die türkische Macht auf dem Balkan brach in wenigen Monaten zusammen, am 26. März 1913 fiel nach tapferem Widerstand auch Edirne, und der Friede von London (30.05. 1913) begrenzte die europäische Türkei auf die Linie Enez-Midye. Inzwischen hatten nach kurzer Unterbrechung (seit Juli 1912) am 23. Januar 1913 die Jungtürken durch einen Überfall auf die Hohe Pforte wieder die Macht ergriffen; im Zweiten Balkankrieg konnten sie am 22. Juli 1913 Edirne zurückerobern und durch den Grenzvertrag mit Bulgarien (30.09.1913) eine verbesserte Grenzziehung erreichen. Die Ermordung des Großwesirs Mahmud Şevket Pascha (11.06.1913) gab Talât, Enver und Cemal Pascha den Anlaß zur Schaffung einer Diktatur mit pantürkischen und panislamischen Tendenzen. Außenpolitisch lehnte man sich an das Deutsche Reich an (Verteidigungspakt vom 02.08.1914) und wurde auf der Seite der Mittelmächte in den Ersten Weltkrieg hineingezogen (russische Kriegserklärung am 02.11.1914 nach der Beschießung von Odessa und Sevastopol’). Der Aufruf M.s in seiner Eigenschaft als Kalif an alle Muslime der Welt, der Türkei und ihren Verbündeten zu helfen, in der Hoffnung, die in den englischen, französischen und russischen Kolonien wohnenden Bekenner des Islams zum Aufstand zu veranlassen, hatte keine Wirkung. Zwar blieb der alliierte Angriff auf Gallipoli am Ende ergebnislos (Oktober 1916), doch konnten die Türken Mesopotamien und Arabien nur zum Teil und mit Mühe halten und erlitten an der Ostfront schwere Niederlagen. Auch die Öffnung der Landverbindung über Bulgarien zum Deutschen Reich und Österreich-Ungarn nach der Besetzung Serbiens (November 1915) brachte keine Entlastung. M. starb, bevor die Niederlage der Mittelmächte auch über das Schicksal seines Reiches entscheiden sollte. M. nahm sein Amt sehr ernst und bemühte sich trotz der verworrenen Zeiten, gemäß der Verfassung zu regieren und Reformen durchzusetzen. Unter ihm wurden der Osmanische Geschichtsverein (Tarih-i Osmanî Encümeni), lokale historische Vereinigungen und ein Museum für islamische Kunstwerke gegründet, den Frauen wurden die ersten Wege zur öffentlichen Betätigung freigemacht und die Kapitulationen mit den auswärtigen Mächten durch Dekret aufgehoben (07.09.1914). M. war literarisch und künstlerisch begabt, doch seine Gutherzigkeit und Nachgiebigkeit hinderten ihn, im Schatten der Jungtürken noch eine zwischen den Religionen und Nationalitäten vermittelnde Rolle spielen zu können.

Literatur

Lûtfî Simavî: Sultan Mehmed Reşad Han’ın ve halefinin sarayında gördüklerim. 2 Bde. Istanbul 1340/1924 (Osmanlı sarayının son günleri. 1972(2)).
Inal, Mahmud Kemal: Osmanlı devrinde son sadrıazamlar. 14 Teile. Istanbul 1940/50.
Bayur, Yusuf Hikmet: Türk inkılâbi tarihi. 10 Bde. Ankara 1943/67.
Türkgeldi, Ali Fuad: Görüp işittiklerim. Ankara 1951(2).
Ahmad, Feroz: The Young Turks. Oxford 1969.
Aliev, G[amid] Z[ejnalabdin ogly]: Turcija v period pravlenija Mladoturok (1908-1918 gg.). Moskva 1972.

GND: 124832946

Weiterführende Information (Deutsche Biographie): https://www.deutsche-biographie.de/pnd124832946.html


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Empfohlene Zitierweise: Hans-Jürgen Kornrumpf, Mehmed V. Reşad, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 3. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1979, S. 143-144 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1323, abgerufen am: (Abrufdatum)

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