Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Ottokar II. Přemysl
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Ottokar II. Přemysl

Ottokar II. Přemysl (Přemysl Otakar II.), König von Böhmen 1253-1278, * 1233, † bei Dürnkrut 26.08.1278, Sohn König Wenzels I. und der Staufertochter Kunigunde, verheiratet 1252 mit Margarethe von Österreich und 1261 mit Kunigunde (Kunhuta) von Halicz.

Leben

Schon 1247, im Alter von 14 Jahren, stand Prinz O. an der Spitze einer Adelsfronde gegen seinen Vater. Trotz anfänglicher Erfolge scheiterte dieses Unternehmen, und O. mußte sich nach kurzer Haft mit der Herrschaft über Mähren begnügen. Sein älterer Bruder Wladislaw hatte nach dem Tode des letzten Babenbergers, Herzog Friedrichs II. (1250), dessen Länder geerbt, da er mit Friedrichs Nichte Gertrud vermählt war. Als Wladislaw schon nach wenigen Monaten starb, huldigte eine starke Partei des österreichischen Adels O. in Prag und dieser kam nach Österreich. Einer zusätzlichen Legitimierung seiner Herrschaft diente die Heirat mit Margarethe, der doppelt so alten Schwester des letzten Babenbergers. Gegen die enorme Ausweitung der přemyslidischen Macht wandten sich die Nachbarfürsten in Bayern, Oppeln, Krakau und Galizien, vor allem aber der Ungarnkönig Béla IV., der die Ansprüche Gertruds und ihres dritten Gatten, Roman von Halicz, unterstützte. Im Frieden von Ofen (1254) fiel Österreich mit dem Traungau und dem Pittner Gebiet an den Böhmenkönig O., die Steiermark kam an Ungarn. Nach einem Feldzug gegen Preußen, an den die Gründung von Königsberg (1255) erinnert, nützte O. die Unzufriedenheit des steirischen Adels mit der Ungarnherrschaft geschickt aus. Bei Groißenbrunn siegte er mit dem böhmisch-österreichischen Heer über den Ungarnkönig, der im Frieden von Wien (1260) zugunsten O.s auf die Steiermark verzichten mußte. Da ihm die Legitimierung seiner außerehelichen Kinder versagt wurde, ließ sich O. 1261 von Margarethe scheiden und nahm Kunigunde (Kunhuta), eine Enkelin Bélas IV., zur Frau. Eine nachträgliche Belehnung mit Österreich und der Steiermark, die er 1262 vom deutschen König Richard von Cornwall erreichte, erging nur in schriftlicher (und damit rechtswidriger) Form und ohne die notwendige Zustimmung der Kurfürsten. Die 1266 erfolgte Ernennung zum Reichsvikar rechts des Rheins ermöglichte O. den Erwerb des Egerlandes. Während ein großangelegtes Feldzugsprojekt gegen Preußen, das die Ausdehnung seiner Macht bis an die Ostsee und die Errichtung eines Erzbistums für Bruno von Olmütz vorsah, 1267/68 scheiterte, war die Expansion nach Süden in den nächsten Jahren umso umfangreicher. Aufgrund eines Erbvertrages mit Herzog Ulrich III. sicherte sich O. nach dessen Tod (1269) die Länder Kärnten, Krain und die Windische Mark, nachdem er Ulrichs Bruder Philipp und die Ungarn besiegt hatte. 1271 erwarb er Pordenone, und als er im folgenden Jahr auch Generalkapitän von Aquileia wurde, reichte seine Herrschaft von den Sudetenländern bis zur Adria. Das Interregnum hatte es O. ermöglicht, seine Macht vor allem auf Kosten des Reiches zu vergrößern. Die Wahl eines starken Königs hat er deshalb bewußt hintertrieben, und Rudolf von Habsburg wurde 1273 ohne Beteiligung Böhmens (an dessen Stelle Bayern stimmte) gewählt. Wegen der Versäumnis des Lehensempfanges und der Weigerung, auf dem Nürnberger Gerichtstag zu erscheinen, wurde über O. die Reichsacht verhängt. Als König Rudolf I., unterstützt von deutschen Verbündeten und den Ungarn, 1276 in Österreich, der Steiermark und Kärnten einrückte, fielen der Adel und auch die Städte rasch vom Böhmenkönig ab, nur Wien hielt ihm die Treue. O. entschloß sich deshalb zu kampfloser Unterwerfung und leistete am 25. November 1276 auf die österreichischen Länder Verzicht; mit Böhmen und Mähren wurde er von Rudolf belehnt. Da in den folgenden Jahren die deutschen Fürsten König Rudolf ihre Unterstützung versagten, Herzog Heinrich von Niederbayern auf die Seite O.s trat und sich dessen Anhang auch in Österreich erhob, kam es zum offenen Kampf. Auf dem Marchfeld bei Dürnkrut konnte Rudolf mit Hilfe der Ungarn und dank des geschickten Einsatzes seiner Reserve am 26. August 1278 einen vollständigen Sieg erringen. O. wurde auf der Flucht von österreichischen Adeligen aus persönlicher Rache getötet. In Böhmen und Mähren hat sich O. vor allem um die Erschließung der Wirtschaft und den Landesausbau bemüht. Er förderte die bäuerliche Siedlung und ebenso die Kolonisation der Zisterzienser. An den wehrhaften Städten suchte er eine feste Stütze gegen den opponierenden Adel zu gewinnen. Die Verwaltung der Stammländer wurde straff organisiert. Eine gewisse Bevorzugung der Deutschen wird O. vor allem von der böhmischen Historiographie angelastet. Sein Hof hatte deutsches Gepräge, sein bedeutendster Ratgeber, Bischof Bruno von Olmütz, entstammte dem Geschlecht der Grafen von Schauenburg (Schaumburg), die deutschen Bürger und Bauern wurden von ihm begünstigt. Auch in den österreichischen Ländern gestaltete sich seine Herrschaft durchaus erfolgreich. Die Unterstützung der Städte brachte ihm vor allem in Wien eine starke und treue Anhängerschaft. Gescheitert ist O. vor allem am Widerstand des von ihm zurückgedrängten Adels, der 1276 in der Steiermark und Österreich, 1278 teilweise auch in Böhmen (Witigonen, Riesenburger) von ihm abfiel, und an dem latenten Gegensatz zu Ungarn, den er auch nach der Wahl Rudolfs nicht beizulegen vermochte. Obwohl O. im Endkampf gegen Rudolf an die slawische Solidarität appellierte und auch auf der Gegenseite von den Bettelmönchen eine nationale Propaganda betrieben wurde, darf dieser Aspekt der Auseinandersetzung schon aufgrund der vorangegangenen Politik O.s und der gemischten Zusammensetzung der beiden Heere nicht überschätzt werden. Die häufig gebrauchten Schlagworte von der Vorwegnahme einer auf „Zwischeneuropa“ oder den „Donauraum“ ausgerichteten Politik entspringen einer retrospektiven Geschichtsbetrachtung. Der „goldene“ oder „eiserne“ König, wie er schon von der nächsten Generation genannt wurde, strebte auf dem Höhepunkt přemyslidischer Machtentfaltung nach einem Zugang zum Meer. Während dieser Plan im Norden mißlang, war er im Süden erfolgreich. Das tragische Ende des großen Böhmenkönigs hat Freunde und Feinde in ganz Europa tief beeindruckt.

Literatur

Lorenz, Ottokar: Geschichte König Ottokars II. von Böhmen und seiner Zeit. Wien 1866.
Šusta, Josef: České dějiny. Bd II/l: Soumrak Přemyslovců a jejich dědictví. Praha 1935.
Novotný, Václav: České dějiny. Bd 1/4: Rozmach české moci za Přemysla II. Otakara 1253-1271. Praha 1937.
Seibt, Ferdinand: König Ottokars Glück und Ende - Dichtung und Wirklichkeit. In: Probleme der böhmischen Geschichte. München 1964, 7-22. = Veröffentlichungen des Collegium Carolinum. 16.
Palacký, Franz: Geschichte von Böhmen. Bd II/l. Osnabrück 1968(2), 146-289, 375-392 (tschech. Ausgabe Praha 1939(2)).
Graus, František: Přemysl Otakar II. - sein Ruhm und sein Nachleben. In: Mitt. Inst. österr. Gesch.-Forsch. 79 (1971) 57-110.

Verfasser

Heinz Dopsch (GND: 122952197)


GND: 118590898

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Empfohlene Zitierweise: Heinz Dopsch, Ottokar II. Přemysl, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 3. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1979, S. 375-377 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1492, abgerufen am: (Abrufdatum)

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