Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Pavelić, Ante
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Pavelić, Ante

Pavelić, Ante, Oberhaupt (Poglavnik) des „Unabhängigen Staates Kroatien“, * Bradina (Herzegowina) 14.07.1889, † Madrid 28.12.1959.

Leben

Nach einem unregelmäßigen Schulbesuch in verschiedenen Orten Bosniens, der Herzegowina und Kroatiens legte P., der Sohn eines Aufsehers bei den staatlichen Eisenbahnbauarbeiten, 1910 in Zagreb die Reifeprüfung ab und wandte sich dem Studium der Jurisprudenz zu. Als Mitglied der nationalistischen Studentenorganisation „Junges Kroatien“ wurde er 1912 vorübergehend wegen separatistischer Agitation verhaftet, promovierte 1915 zum Dr. jur. und begann eine Tätigkeit als Advokat. Nach Kriegsende bekämpfte er als Sekretär der Kroatischen Rechtspartei (Hrvatska stranka prava) des verstorbenen Dr. Josip Frank die Idee des integralen Jugoslawismus im neuen Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen (SHS). Nachdem seine Partei bereits am 3. Dezember 1918 die Rechtmäßigkeit des Staatsgründungsaktes verneint hatte, sprach sie sich in ihrem Parteiprogramm vom März 1919 offen für die Separation Kroatiens und die Gründung eines großkroatischen Staates (unter Einschluß Dalmatiens, Bosniens und der Herzegowina) aus, konnte aber keine nennenswerte politische Anhängerschaft gewinnen.
1922 wurde P. in den Gemeindeausschuß der Stadt Zagreb und fünf Jahre später als Vertreter des kleinen rechtsextremen Flügels der kroatischen Opposition (Frankianer) in das Belgrader Parlament (Skupština) gewählt. Als Alexander Karadjordjević am 6. Januar 1929 die Königsdiktatur einführte, verließ P. das Land und fand nach mehreren Zwischenstationen und der Aufnahme bleibender Kontakte zur mazedonischen Separatistenorganisation IMRO bereitwillige Aufnahme in Italien. Die von ihm als Führer („Poglavnik“) noch im selben Jahr gegründete „Ustaša-kroatische Freiheitsbewegung“ wurde sowohl von den faschistischen Behörden als auch von Ungarn und Österreich unterstützt und machte anläßlich des Attentats in Marseille vom Oktober 1934 auf König Alexander und den französischen Außenminister Louis Barthou erstmals Schlagzeilen in der Weltpresse. Das Programm seines terroristischen Geheimbundes hatte P. bereits in einer 1931 in Wien veröffentlichten Broschüre „Aus dem Kampf um den selbständigen Staat Kroatien. Einige Dokumente und Bilder“ umrissen, wobei er sich in einseitiger Auslegung u. a. auf die Autorität des „großkroatischen“ Ideologen Ante Starčević berief. Sein Versuch, breitere Schichten des kroatischen Volkes durch eine extrem nationalistische Agitation zu mobilisieren, zeitigte trotz der kroatisch-serbischen Spannungen im jugoslawischen Königreich nur verhältnismäßig bescheidene Resultate, wenngleich nach der Verständigung zwischen dem Führer der kroatischen Bauernpartei Maček und dem Ministerpräsidenten Cvetković vom August 1939 die Tendenz zur politischen Radikalisierung unverkennbar war. Unterstützung fand P. in den Kreisen der traditionsreichen Kulturinstitution „Matica Hrvatska“, in Teilen des katholischen Klerus und der kroatischen Studentenschaft.
Als Hitler Ende März 1941 die „Zerschlagung Jugoslawiens als Staatsgebilde“ beschloß und am 6. April seinen „Blitzfeldzug“ begann, konnte er auf die Unterstützung durch P.s zahlenmäßig noch immer geringe Anhängerschaft rechnen. Am 10. April proklamierte der ehemalige k. u. k. Oberst Slavko Kvaternik als Vertreter des noch in Italien weilenden Poglavnik den „Unabhängigen Staat Kroatien“ (Nezavisna država Hrvatska - NDH), dessen Führung P. nach seinem Eintreffen in Zagreb am 15. April übernahm. Obwohl der von den Achsenmächten unter Verletzung des Völkerrechts geschaffene neue „Staat“ durch Einschluß Bosniens, der Herzegowina und Syrmiens einen beträchtlichen Umfang (von ca. 100 000 qkm) aufwies, mußte er durch Abtretung großer Teile Dalmatiens an Italien und des Mittelmurgebiets an Ungarn empfindliche Verluste kroatisch-besiedelter Territorien hinnehmen und geriet zudem von Anfang an in ein starkes politisches und wirtschaftliches Abhängigkeitsverhältnis zu den Gründermächten Italien (s. Römische Protokolle vom 18.05.1941) und Deutschland, deren fortdauernde militärische Präsenz das Land in zwei unterschiedliche Besatzungsgebiete teilte. Innenpolitisch gab P. seiner Herrschaft durch Nachahmung des nationalsozialistischen Führerprinzips, Gleichschaltung des Staatsapparats durch die Ustaša-Bewegung und in Verfolgung seines völkisch und klerikal begründeten großkroatischen Programms einen ausgeprägt „faschistischen“ Charakter. Seine beispiellose Gewaltpolitik gegenüber den nationalen Minderheiten, unter denen die Serben mit 30% der Gesamtbevölkerung von rd. 6,5 Mio. neben den Muslimen den stärksten Anteil stellten, führte schon im Sommer und Herbst 1941 zu zahlreichen spontanen Erhebungen im Lande (Bosanska krajina, Ostherzegowina, Lika, Kordun etc.). Wenngleich Hunderttausende von Serben (die genaue Zahl ist nicht mehr zu ermitteln) und ein Großteil der jüdischen Einwohner (ca. 30 000) in den Konzentrationslagern der Ustaša vernichtet wurden, konnte die Ausbreitung des Widerstands (auch unter der kroatischen Bevölkerung) nicht mehr verhindert werden. Das dadurch zunehmend verstärkte militärische Engagement der Besatzungsmächte machte die kroatische „Unabhängigkeit“ vollends zur Fiktion und verlieh dem Ustaša-Staat nach der Kapitulation Italiens de facto den Charakter eines deutschen Besatzungsgebietes.
Den wiederholt vorgetragenen Bitten deutscher Dienststellen zur Absetzung P.s wurde von Hitler jedoch nicht entsprochen, so daß das Ustaša-Regime auf einem immer enger werdenden Territorium - politisch und durch Inflation und Schwarzmarkt auch ökonomisch desorganisiert - unter dem Schutz deutscher Truppen bis Kriegsende fortdauerte. Wenige Tage vor der deutschen Kapitulation flüchtete P. nach Österreich und gelangte über verschiedene Zwischenstationen 1948 nach Argentinien und 1957 nach Spanien, wo er Ende des Jahres 1959 in einem deutschen Krankenhaus starb.

Literatur

Schweißguth, Edmund: Der Kroatenführer Dr. Ante Pawelitsch. In: Zeitschrift für Politik 31 (1941) 311-313.
Der Lebensweg des Poglavnik. In: Kroatien baut auf. Zagreb 1943, 37-40.
Internationales Biographisches Archiv (Munzinger Archiv). Lfg. 4/60, Bl. 6815 vom 30.1.1960.
Krizman, Bogdan: Pavelićev dolazak u Zagreb 1941. godine. In: Zbornik Historijskog instituta Slavonije 1 (1963) 133-223.
Hory, Ladislaus u. Martin Broszat: Der kroatische Ustascha-Staat 1941-1945. Stuttgart 1964.
Jelić-Butić, Fikreta: Prilog proučavanju djelatnosti ustaša do 1941. In: Časopis za suvremenu povijest 1 (1969) 1/2, 55-91 (mit Bibliographie).
Krizman, Bogdan: A Pavelić i Sl. Kvaternik kod Adolfa Hitlera u ljeto 1941. In: Hist. Zborn. 23/24 (1970/71) 307-323.
Milovanović, Nikola: Generali izdaje. Beograd 1977.

Verfasser

Holm Sundhaussen (GND: 120956055)


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Empfohlene Zitierweise: Holm Sundhaussen, Pavelić, Ante, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 3. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1979, S. 409-411 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1504, abgerufen am: (Abrufdatum)

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