Petőfi, Sándor (eigentlich Sándor Petrovics), ungarischer Dichter und Freiheitskämpfer, * Kiskőrös (Komitat Bács-Kiskun) 01.01.1823, † (gefallen) Schäßburg (Segesvár, heute Sighişoara, Komitat Nagykükülő) 31.07.1849, Sohn des Fleischers István Petrovics und der Mária Hruz, slowakischer Herkunft.
Leben
P., dessen Familie sehr arm war, hatte eine ziemlich dürftige Schulbildung, die er später mit unermüdlichem Eifer zu ergänzen suchte. Er besuchte u. a. Schulen in Pest, Aszód und Schemnitz. 1839 meldete er sich in Sopron zum Militärdienst, wurde aber bereits 1841 wegen Krankheit und körperlicher Schwäche verabschiedet. Im Herbst 1841 konnte er erneut ein Jahr in Pápa studieren und lernte hier Mór Jókai kennen. Hier trat er auch zum ersten Male mit einem Gedicht (A borozó [Der Zecher], in: Athenaeum vom 21.05.1842) vor die Öffentlichkeit, damals aber noch unter seinem ursprünglichen Namen. Sein erstes Gedicht unter seinem Dichternamen (Hazámban [In meiner Heimat]) erschien bald darauf (08.11.1842) ebenfalls in Athenaeum.
P.s Traum war die Bühne und Shakespeare sein Ideal, aber weder seine Stimme noch seine Figur taugten für das Theater. Einige Zeit verbrachte er als Mitglied wandernder Schauspielergruppen. Im April 1843 ging er nach Preßburg in der Hoffnung, im dortigen deutschen Theater spielen zu können. Der kurze Aufenthalt war für seine weitere Karriere sehr wichtig, da er durch einige dort weilende Schriftsteller (zu dieser Zeit tagte der ungarische Reichstag in Preßburg) ein Angebot zur Übersetzung von zwei Romanen aus dem Französischen und aus dem Englischen erhielt. Im Juli 1843 weilte er bereits in Pest, wo er mit vielen jungen Intellektuellen und Schriftstellern Bekanntschaft schloß. Im Herbst 1843 kehrte er zum letzten Male zur Schauspielerei zurück, mußte aber bald, völlig heruntergekommen und krank, nach Debreczin und von dort im Februar 1844 nach Pest zurückkehren.
Nachdem P. fast sechs Jahre Elend und Demütigungen hatte erdulden müssen, folgten ihm nun fünf Jahre voller Erfolg. Es gab keinen ungarischen Künstler, der seinen Weg nach so vielen Leiden und Schicksalsprüfungen fand und keinen, der auf seinem Weg mit so phänomenaler Schnelligkeit vorankam. Durch die Vermittlung des damals schon berühmten Dichters Vörösmarty übernahm der Pester Nationalklub (Nemzeti Kör) die Herausgabe seiner Gedichte (Petőfi versei 1842-1844, Pest 1844). Gleichzeitig arbeitete P. auch als Journalist am „Pesti Divatlap“ (Pester Modeblatt) und war 1846 Organisator des radikalen Jugend- und Schriftstellerkreises „Tízek Társasága“ (Gesellschaft der Zehn), an deren Zeitschrift „Életképek“ (Lebensbilder) er ebenfalls mitarbeitete. Seine Gedichte erschienen in rascher Folge (Versek 1844-1845, Pest 1845; összes költeményei, Pest 1847; ferner zahlreiche Einzelgedichte) und machten ihn zum gefeierten Mittelpunkt der ungarischen Literatur. Schon 1846 war er der Nationaldichter Ungarns, 1847 der Abgott der Nation, das größte dichterische Genie, das Ungarn hervorgebracht hat und die ungarische Literatur im Ausland bekannt machte: Eine im patriotischen Gesang, im Liebeslied und in poetischer Erzählung gleich große Erscheinung.
Als am 15. März 1848 in Pest die Revolution ausbrach, war P. einer der Anführer der radikalrevolutionären intellektuellen Jugend. Die sechs Strophen seines Nationalliedes „Talpra magyar, hí a haza!“ (Auf, die Heimat ruft, Magyaren!) wurden sofort zur Hymne der Revolution. Er wurde Mitglied zahlreicher politischer Delegationen und Kommissionen und Kapitän der Nationalgarde in Pest, sah sich aber bald durch seinen plebejischen Radikalismus und sein Republikanertum isoliert und schloß sich dem radikalsten Flügel der Revolution, dem von den Brüdern László und József Madarász geleiteten Gleichheitsklub (Egyenlőségi Társulat) an, dem er die Rolle eines ungarischen „Jakobinerklubs“ übertragen wollte. In diesem Sinne verfaßte er die Proklamation des Klubs. P.s Leben war mit dem Kampf für die Freiheit verbunden; nach dem Ausbruch des Freiheitskampfes wurde er Hauptmann, später Major bei General Bem in Siebenbürgen und fiel in der Schlacht von Schäßburg im Kampf gegen russische Interventionstruppen.
Das Vollendetste gab P. in seiner Lyrik, die vom Volkslied ausging. In seinem Märchenepos „János Vitéz“ (Der Held János, 1845) schuf er ein wahres Volksepos. Mit seinen realistischen Szenen aus dem bäuerlichen Leben und den Motiven des ungarischen Volksmärchens machte P. deutlich, in welchem Maße die romantische Dichtung Ungarns politische Dichtung war. Sogar seine politischen Gedichte sind mit Volksliedern und beschreibenden Dichtungen vermischt. P., der Dichter des ungarischen Alföld (Ebene) und der Freiheit, erhob die ungarische Volkssprache zu einem literarischen Wert und gab in seiner Dichtung die Denkensart des Volkes wider. Er verlieh seiner Lyrik nach Ausbruch der Revolution einen aufrührerischen Ton; er wurde Wortführer des Republikanertums („Akasszátok föl a királyokat!“ [Hängt die Könige!]). Von 1845 bis zu seinem Tode wurden über hundert seiner Gedichte - hauptsächlich ins Deutsche - übersetzt. Zwischen 1846 und 1860 erschien der größte Teil seiner Gedichte in Übersetzungen in etwa 50 Sprachen. Auch die Vertonung seiner Gedichte begann schon zu seinen Lebzeiten. Bis 1930 vertonten 180 Komponisten 202 seiner Gedichte (u. a. Ferenc Erkel, Ferenc (Franz) Liszt, Zoltán Kodály usw.). Weitere Werke von P. sind das Epos in vier Gesängen „A helység kalapácsa“ (Der Dorfhammer, 1844), sein erstes in Broschürenform veröffentlichtes Werk, eine meisterhafte Poesie des Heldenepos’ seiner Zeit, Wegbereiter des ungarischen Realismus. „Az apostol“ (Der Apostel, 1848) ist das Wörterbuch von P.s Ideen. Die Verehrung der Freiheit mit nahezu religiöser Andacht, der Dienst an der Revolution und damit dem Fortschritt und der Menschlichkeit kommen in diesem Credo des radikalen Revolutionärs am besten zum Ausdruck. („Der Mensch hat nicht nur ein Recht darauf, frei zu sein, - vor Gott ist es sogar seine Pflicht.“)
P.s gesammelte Werke (Összes művei) erschienen in sieben Bänden 1951/64 in Budapest.
Literatur
Zilahy, Károly: Petőfi Sándor életrajza. Pest 1864.
Fischer, Alexander: Petöfis Leben und Werke. Leipzig 1889.
Landgraf, Lorenz: Alexander Petőfi. Lyrische und epische Dichtungen. Budapest 1938.
Hatvany, Lajos: Így élt Petőfi. 5 Bde. Budapest 1955/57.
Pándi, Pál: Petőfi. Budapest 1961.
Illyés, Gyula: Petőfi Sándor. Budapest 1936, 1963(2) (deutsche Ausgabe: Sándor Petőfi. Ein Lebensbild. Berlin/Ost, Weimar 1971).