Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Protić, Stojan
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Protić, Stojan

Protić, Stojan, serbischer Politiker, * Kruševac 28.01.1857, † Belgrad 28.10.1923.

Leben

P. besuchte das Gymnasium in Kruševac, Kragujevac und Belgrad, studierte an der Universität Belgrad Philologie und Geschichte und war danach vorübergehend als Gerichtspraktikant in Šabac, dann als Referendar am Gymnasium in Svilajnac tätig.
1881 verließ er den Staatsdienst, um ungehindert als Journalist für Zeitungen der Radikalen Partei zu arbeiten. 1884 gab er die Zeitschrift „Srpski odjek“ (Serbisches Echo) heraus, die nach wiederholtem Verbot ab 1885 als „Drugi odjek“ bzw. „Treći odjek“ (Zweites bzw. Drittes Echo) herauskam. Von 1887 an vertrat P. den Wahlkreis Kruševac in der Skupština. Als Mitglied des Verfassungsausschusses arbeitete er an der Konstitution von 1888 mit, in der wichtige Forderungen von Pašićs Radikalen berücksichtigt wurden.
Im Januar 1888 zum Sekretär im Innenministerium, dann im Finanzministerium ernannt, schied er im August 1892, nach dem Rücktritt des Kabinetts Nikola Pašić wegen des Konfliktes mit der Regentschaft, wieder aus der Beamtenlaufbahn aus, wurde nach Alexander Obrenovićs Staatsstreich 1893 zum Stadtdirektor von Belgrad berufen, aber nach der Rückkehr Milan Obrenovićs im Februar 1894 entlassen. Auch seine Einstellung als Beamter 1897 war nur von kurzer Dauer. Nach dem Attentat auf Milan Obrenović 1899 erhielt P. eine Gefängnisstrafe wegen Majestätsbeleidigung in der Presse, wurde aber nach der Trennung König Alexanders von seinem Vater (1900) zunächst Bibliothekar der Staatsbibliothek, dann Direktor der Staatsmonopole und Kommissar der Nationalbank.
Nach der Ermordung König Alexanders und seiner Gemahlin Draga Mašin am 11. Juni 1903 trat P. als Innenminister in das Kabinett von Jovan Avakumović ein und behielt dieses Ressort auch in den Regierungen des Sava Grujić (04.10. - 10.12.1904) und Nikola Pašić (10.12.1904 - 29.05.1905, ab 30.04.1906), mußte aber im Juni 1907 nach wütenden Angriffen der Opposition wegen des gewalttätigen Verhaltens der Polizei gegenüber demonstrierenden Studenten und streikenden Arbeitern zurücktreten.
Nach der internationalen Krise, die Österreich-Ungarn durch die Annexion Bosniens und der Herzegowina verursacht hatte, führte P. als Finanzminister im Koalitionskabinett des Stojan Novaković (ab 23.02.1909) die Verhandlungen um eine französische Anleihe von 150 Millionen Dinar für den Eisenbahnbau und die Beschaffung von Rüstungsgütern zum Erfolg. Finanzminister war P. auch in den Regierungen des Nikola Pašić (ab 22.10.1909) und Milovan Milovanović (07.07.1911 - 21.05.1912). Am 12. September 1912 übernahm er das Innenministerium im Kabinett Nikola Pašić, das er bis Dezember 1914 innehatte. Wegen der von ihm mit Nachdruck empfohlenen und verteidigten Entscheidung der Regierung, die Verfassung in den durch die Balkankriege 1912/13 neuerworbenen Gebieten nicht anzuwenden, zog er die heftige Kritik der Opposition auf sich. Die serbische Antwort auf das Wiener Ultimatum vom 23. Juli 1914 redigierte P., der 1917 als Finanzminister, später als Kriegs- und als Außenminister den Regierungen des Nikola Pašić angehörte. Nach dem Ende des Krieges bildete P. die erste Regierung des neuen Staates der Serben, Kroaten und Slowenen (07.12.1918 - 16.08.1919) und trat später noch einmal an die Spitze einer Koalition (19.11. - 17.05. 1920) . Das Ressort für Rechtsvereinheitlichung, das er in diesem Kabinett innehatte, behielt er auch in der Regierung Milenko Vesnić (17.05.1920 - 01.01.1921). Von der Verfassungskonzeption seiner Partei, die einen zentralistischen Staatsaufbau anstrebte, distanzierte sich P. mit einem eigenen Verfassungsentwurf, der den Erwartungen der Kroaten und Slowenen durch die Einrichtung von neuen Regionen (Serbien, Altserbien/Mazedonien, Syrmien/Bačka, Banat, Bosnien, Montenegro/Herzegowina, Kroatien/Slawonien, Dalmatien, Slowenien) mit eigenen Verwaltungsausschüssen und Parlamenten sowie der Vertretung dieser Gebiete und der Konfessionen in einem Oberhaus entgegenkommen sollte. Deswegen trennte sich P. von den Mehrheitsradikalen unter Nikola Pašić, doch konnte er mit seiner „Nezavisna Radikalna Stranka“ (Unabhängigen Radikalen Partei) keinen Erfolg erzielen (Wahlen 1923: 0,63% der Stimmen, kein Mandat; 1925: 0,2% der Stimmen, kein Mandat) und schied aus dem politischen Leben aus.
P. trat auch als Publizist hervor, wobei er sidi besonders mit den Nationalitätenproblemen im südslawischen Raum beschäftigte. Von Bedeutung sind seine Schriften „O Makedoniji i Makedoncima“ (Über Mazedonien und die Mazedonier, 1888), „Hrvatske prilike i jedinstvo Srba i Hrvata“ (Kroatische Verhältnisse und die Einheit der Serben und Kroaten, 1911), „Odlomci iz Ustava i narodne borbe u Srbiji“ (Bruchstücke aus der Verfassung und dem Nationalkampf der Serben, 2 Bde, 1911/12), „Albanski problemi i Srbija i Austro-Ugarska“ (Die albanischen Probleme und Serbien und Österreich-Ungarn, 1913), „The Aspirations of Bulgaria“ (1915; serbische Ausgabe: Današnja Bugarska i njene pretenzije, 1915).

Literatur

Nacrt Ustava po predlogu Stojana M. Protića. Beograd 1920.
Šijački, Dušan: Gradja za pedesetogodišnju istoriju Narodne radikalne stranke i političku istoriju Srbije. 4 Bde. Beograd 1924/27.
Čulinović, Ferdo: Jugoslavija izmedju dva rata. Bd 1. Zagreb 1961.
Protić, Milan St.: Pašić i Protić pre 1914. Skice likova. In: Istorijski glasnik (1971) 1, 81-118.

Verfasser

Gunnar Hering (GND: 1078119694)


GND: 118929062

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Empfohlene Zitierweise: Gunnar Hering, Protić, Stojan, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 3. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1979, S. 493-495 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1561, abgerufen am: (Abrufdatum)

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