Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Rački, Franjo
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Rački, Franjo

Rački, Franjo, kroatischer Historiker und Politiker, * Fužine (bei Rijeka) 25.11.1828, † Zagreb 13.02.1894, Sohn des Kleinhändlers Grga R.

Leben

R. ging in Fužine zur Volksschule (1836-1840) und besuchte danach die Gymnasien in Rijeka (1840-1842) und Waraschdin (1842-1846). Bereits zu dieser Zeit hatte er sich die Idee der illyrischen Bewegung zu eigen gemacht und sich für den Gedanken Kollárs über die „slawische Wechselseitigkeit“ begeistert. Ab 1846 studierte R. in Senj Philosophie, anschließend von 1849 bis 1852 in Wien Theologie. Am 15. August 1852 wurde er in Senj zum Priester geweiht und setzte bald danach sein Studium in Wien fort. Auf Wunsch des Bischofs Mirko Ožegović von Senj sollte er zunächst die Lehrbefähigung für Mathematik und Physik erlangen, um am Priesterseminar lehren zu können; R. promovierte aber am 12. Juli 1855 zum Doktor der Theologie. In Wien lernte er führende Persönlichkeiten wie Karadžić, Miklosich und Palacký kennen und schloß enge Freundschaft mit Djuro Daničić und vor allem Josip Strossmayer. Diese Freundschaft, die bis zu seinem Tode ungetrübt blieb, war von großer Bedeutung für das kulturelle und politische Leben in Kroatien.
Nach Abschluß seiner Studien kehrte R. nach Senj zurück und lehrte am dortigen Priesterseminar Kirchengeschichte und kanonisches Recht. Am 2. August 1857 wurde er zum Kanoniker ernannt. Schon während seiner Studienzeit hatte sich R. intensiv mit Kirchengeschichte beschäftigt und mehrere Arbeiten verfaßt, deren wichtigste in Kukuljević-Sakcinskis „Arkiv za pověstnicu jugoslavensku“ (Archiv für südslawische Geschichte) sowie im Zagreber „Katolički list“ (Katholisches Blatt), an dem er bereits ab 1851 mitarbeitete, veröffentlicht wurden. Aufgrund seiner Begabung und seiner Arbeiten wurde ihm ein Studienaufenthalt in Rom ermöglicht, wo er im Oktober 1857 ins Kollegium des Kapitels vom hl. Hieronymus einzog. R. durchforschte die Archive von Rom und Neapel nach Material zur kroatischen Geschichte und Kirchengeschichte. Hier wurde er mit den historischen Hilfswissenschaften und Forschungsmethoden näher vertraut und entdeckte wertvolle Quellen, womit er den Grundstein für seine späteren Werke legte. Nach dreijähriger unermüdlicher Arbeit besuchte er im Sommer 1860 seine Eltern in Fužine, und von dieser nur für kurze Zeit geplanten Reise kehrte er nicht mehr nach Rom zurück.
R. fand in der Heimat eine neue politische Situation vor: nach der Niederlage bei Solferino (24.06.1859) war Wien gezwungen, den Völkern der Monarchie nationale Zugeständnisse zu machen. Gemeinsam mit Strossmayer wurde R. der eigentliche Führer der 1860 gegründeten Nationalpartei (Narodna stranka), trat aber, im Gegensatz zur Parteimehrheit, für die Föderalisierung Österreichs und die Zusammenarbeit aller slawischen Völker innerhalb der Monarchie ein. Seine sofort nach dem Oktoberdiplom (20.10.1860) in der Zeitung „Pozor“ (Achtung!) erschienene Artikelserie über das „Jugoslawentum“ („Jugoslovjenstvo“) erhielt programmatischen Charakter für die Nationalpartei. In ihr betonte R. an erster Stelle die Notwendigkeit einer gemeinsamen Literatursprache für alle Südslawen und strebte an zweiter Stelle die völlige Autonomie Kroatiens im Rahmen des Königreichs Ungarn an. Aufgrund seiner Verdienste wurde er 1861 zum ersten Mal - sowie erneut 1868 und 1872 - in den kroatischen Sabor gewählt. Nach der Auflösung des Sabors von 1861 spaltete sich unter dem Banus Ivan Mažuranić ein Teil der Nationalpartei vorübergehend ab und bildete 1863 die Selbständige Nationalpartei (Samostalna narodna stranka), die die zentralistische Politik von Schmerlings unterstützte, und so den Kroaten eine größere Selbständigkeit gegenüber Ungarn zu sichern suchte, eine Politik, die jedoch R. sowie Strossmayer und die Mehrheit der „Narodnjaki“ nicht unterstützte. Allen Hoffnungen auf die Föderalisierung der Monarchie wurde durch die Einführung des Dualismus und des ungarisch-kroatischen Ausgleichs von 1868 ein Ende gesetzt. 1880 protestierte R. erneut gegen die Verstärkung der Magyarisierungsbestrebungen in Kroatien und gründete die Unabhängige Nationalpartei (Neodvisna narodna stranka), in dessen Organ „Obzor“ (Horizont; in Fortsetzung von Pozor) er weiterhin für eine Vereinigung aller Südslawen innerhalb der Donaumonarchie wirkte.
Eine führende Rolle spielte R. bei den 1892 begonnenen Verhandlungen mit Ante Starčevićs Rechtspartei (Stranka prava) über eine Koalition und die Aufstellung eines gemeinsamen Programms der beiden Oppositionsparteien, das wenige Monate nach R.s Tod zustandekam und wenn auch nicht zu einer Koalition führte, so doch zur Grundlage aller gemäßigten Parteien der Folgezeit wurde.
In den Jahren 1863 bis 1867 bekleidete R. die Stelle eines Inspektors aller Schulen in Kroatien. 1864 begründete er gemeinsam mit Vatroslav Jagić und Josip Torbar den „Književnik“ (Der Schriftsteller), die erste wissenschaftliche Zeitschrift Kroatiens. Als am 4. März 1866 die Südslawische Akademie der Wissenschaften und Künste (JAZU) gegründet wurde, war R. als Wissenschaftler bereits so anerkannt, daß man ihn zu deren ersten Präsidenten ernannte. Er sicherte in den Veröffentlichungsreihen der Akademie der Historiographie eine führende Stellung. Er selbst redigierte 26 Bände der „Starine“ (Altertümer), veröffentlichte in den „Rad“ (Arbeit) eine Anzahl von Artikeln aus dem Gebiet der Mediävistik, edierte zahlreiche Quellen zur kroatischen Geschichte (u.a. Documenta historiae croaticae periodum antiquam illustrantia, 1877) und veröffentlichte eine Anzahl von Monographien zu den verschiedensten Problemen der mittelalterlichen südslawischen Geschichte, so über die Slawenlehrer Kyrill und Method (Viek i djelovanje Sv. Cyrilla i Methodia slovjenskih apostolov, 2 Bde, 1857/59), über das Staatsrecht der Kroaten (Odlomci iz državnoga prava hrvatskoga za narodne dinastije, 1861), über die südslawische Geschichte im 14. und 15. Jh. (Pokret na slavenskom jugu koncem XIV i početkom XV vieka, 1868), über Bogomilen und Patarener (Bogomili i Patareni, 1869/70), über den Kampf der Südslawen für ihre staatliche Unabhängigkeit im 11. Jh. (Borba južnih slavena za državnu neodvisnost u XI vieku, 1873/75) u. a. m. Zugunsten der Akademie schlug R. sogar eine Professur an der am 19. Oktober 1874 neugegründeten Zagreber Universität aus. Seiner Aktivität war es in erster Linie zu verdanken, daß die Akademie jene hervorragende Stellung im kroatischen Kulturleben einnahm. Nach zwanzigjähriger Amtszeit, 1886, mußte R. aus politischen Gründen zurücktreten, er führte aber die Geschäfte der Akademie de facto unverändert bis 1892 weiter.

Literatur

Smičiklas, Tade: Život i djela dra Franje Račkoga. Zagreb 1895.
Zagorsky, Vladimir: François Rački et la renaissance scientifique et politique de la Croatie (1828-1894). Paris 1909.
Šišić, Ferdo: Franjo Rački historik. In: Spomenica proslave stogodišnjice rodjenja Franje Račkoga 1 i 2 juna 1929. Zagreb 1929, 26-38.
Ders.: Korespondenčija Rački - Strossmayer. 4 Bde. Zagreb 1928/31.
Novak, Viktor: Franjo Rački (1828-1894). Beograd 1958.
Ders.: Valtazar Bogišić i Franjo Rački. Prepiska (1866-1893). Beograd 1960.
Košćak, Vladimir (Hrsg.): Josip J. Strossmayer/Franjo Rački. Politički spisi. Zagreb 1971.

Verfasser

Béla Grolshammer (GND: 107765659)

GND: 118787616

Weiterführende Information (Deutsche Biographie): https://www.deutsche-biographie.de/pnd118787616.html


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Empfohlene Zitierweise: Béla Grolshammer, Rački, Franjo, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 4. Hgg. Mathias Bernath / Karl Nehring. München 1981, S. 2-4 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1566, abgerufen am: (Abrufdatum)

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