Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Supilo, Frano
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Supilo, Frano

Supilo, Frano, kroatischer Politiker und Journalist, * Cavtat 30.11.1870, † London 25.09.1917.

Leben

S. absolvierte 1889 die zweijährige Ackerbauschule in Gruž und war dann landwirtschaftlicher Wanderlehrer im Gebiet von Dubrovnik. Als 1890 die „Serbische Partei“ (Srpska stranka) gemeinsam mit den italienisch-nationalen Autonomisten in Dubrovnik einen Wahlsieg errang, gründeten die kroatischen Bürger die Zeitung „Crvena Hrvatska“ (Rot-Kroatien), wie in der Chronik des Popen Dukljanin aus dem 12. Jh. das südliche Dalmatien genannt wird. Der Redakteur der rasch überregionale Bedeutung gewinnenden Zeitung war bis 1899 S. In diesen Jahren wurde S. gemeinsam mit Ante Trumbić zum ideologischen Führer der dalmatinischen Variante der „Kroatischen Rechtspartei“ (Hrvatska stranka prava). Die spezifischen Merkmale der dalmatinischen Rechtspartei waren die von der Nationalpartei übernommene liberale Tradition, das Streben nach der Vereinigung Dalmatiens mit Kroatien und der konsequente Kampf gegen den österreichisch-ungarischen Dualismus und den Dreibund. Die antiösterreichische Haltung wurde wesentlich verstärkt durch das wirtschaftliche Zurückbleiben Dalmatiens. Nach dem Niedergang der Segelschiffahrt wurde auch der Hauptwirtschaftszweig, der Weinbau, durch die Weinklausel im österreichisch-italienischen Handelsvertrag von 1891 und die Vernichtung der Rebenkulturen durch die Reblaus in den 1890er Jahren schwer betroffen.
In den ersten Jahren bekämpfte S. in seiner Zeitung vor allem die opportunistische „Serbische Partei“, wobei er aber den Serben die eigene Nationalität nicht absprach, und strebte die Einheit des kroatischen politischen Lagers an. 1895 wurde er in die Führung der „Kroatischen Rechtspartei“ gewählt, gab aber nach deren Spaltung noch im selben Jahr diese Funktion zurück. Unter seinem Einfluß entstand in Dubrovnik eine eigene Rechtspartei, der sich bald jene in Dalmatien und Istrien anschlossen.
1899 übersiedelte S. nach Rijeka, wo er im Jahr darauf die Redaktion der Zeitung „Novi List“ (Neues Blatt; ab 1907 „Riječki Novi List“) übernahm. Es gelang ihm in kurzer Zeit, die zweisprachige, kroatisch-italienische Zeitung zu einer der bedeutendsten im gesamten kroatischen Gebiet zu machen und so den bis dahin überwiegenden Einfluß der Zeitungen aus Triest, Wien und Budapest zurückzudrängen. Nach Rijeka, das der Regierung in Budapest direkt unterstand, reichte die strenge Zagreber Zensur nicht. Von hier aus konnte S. Verbindung zu bedeutenden politischen Persönlichkeiten aufnehmen und die Weltpresse für das kroatische Problem interessieren.
Als 1903 der Kampf um die finanzielle Unabhängigkeit Kroatiens in einer nationalen Erhebung gipfelte und Serbien eine österreichfeindliche Politik einschlug, übernahmen die dalmatinischen Politiker mit S., Ante Trumbić und Josip Smodlaka an der Spitze die Initiative in der kroatischen Politik und formulierten die sogenannte Politik des „Neuen Kurses“. Während in Banalkroatien fast ausschließlich das kroatische Staatsrecht und damit das Verhältnis zu Ungarn die Politik bestimmte, sahen die dalmatinischen Politiker das kroatische nationale Problem im größeren, europäischen Zusammenhang. Das Fernziel des „Neuen Kurses“ war die Schaffung eines selbständigen südslawischen Staates, der das Vordringen Österreichs und im weiteren Sinne den deutschen Expansionsdrang nach Südosten verhindern sollte. Um dieses Ziel zu erreichen, sollte die Zusammenarbeit aller bedrohten Völker angestrebt werden, d.h. in erster Linie der Kroaten und Serben, aber darüber hinaus auch der Magyaren und Italiener. Das Nahziel war die Vereinigung Dalmatiens mit Kroatien, wofür man der magyarischen Unterstützung sicher sein konnte. Die sich verschärfende Krise des österreichisch-ungarischen Dualismus sollte für diese Politik genützt werden. Es war weitgehend das Verdienst S.s, daß die dalmatinischen und istrischen Abgeordneten sowie jene der Opposition im kroatischen Landtag am 3. Oktober 1905 die „Resolution von Rijeka“, das Manifest der Politik des „Neuen Kurses“, Unterzeichneten. Darin wurde erklärt, daß die Unterzeichneten den Kampf der magyarischen Opposition um die volle staatliche Selbständigkeit Ungarns unterstützen, wenn diese ihrerseits der Vereinigung der kroatischen Länder und der Erweiterung der konstitutionellen Freiheiten für Kroatien zustimmten. Der Resolution von Rijeka schlossen sich die serbischen Abgeordneten Dalmatiens und Kroatiens in der „Resolution von Zadar“ am 17. Oktober 1905 an. Damit war eine neue politische Situation entstanden, die noch 1905 zur Vereinigung mehrerer oppositioneller kroatischer und serbischer politischer Parteien in der „Kroatisch-serbischen Koalition“ (Hrvatsko-srpska koalicija) führte, die bei den Wahlen 1906, als auch S. zum Abgeordneten gewählt wurde, die Mehrheit im kroatischen Landtag erreichte. S., der entscheidend zu dieser Entwicklung beigetragen hatte, wurde als ihr fähigster Politiker zum Führer der „Kroatisch-serbischen Koalition“.
Die in die 1906 an die Macht gelangte magyarische Opposition gesetzten Erwartungen erwiesen sich schon bald als völlig unberechtigt. Den Kroaten wurden keinerlei Zugeständnisse gemacht, und 1907 erreichte die Magyarisierungspolitik mit der Einführung der magyarischen Amtssprache auf den Eisenbahnen in Kroatien einen neuen Höhepunkt. S. sah den „Neuen Kurs“ gescheitert. Er entschloß sich zur Obstruktion im ungarischen Parlament und pflegte die kroatisch-serbische Zusammenarbeit, die sich besonders 1908 in den Ereignissen um die Annexion Bosniens und der Herzegowina zu bewähren hatte. Als der Wiener Historiker Heinrich Friedjung aufgrund gefälschter Dokumente die „Kroatisch-serbische Koalition“ und speziell S. des Hochverrats beschuldigte, kam es im Dezember 1909 zum berüchtigten Friedjung-Prozeß. Der überaus korrekte S. konnte die Anschuldigungen auf Bestechlichkeit und mehrfache Agententätigkeit von sich weisen, trat aber aus der Koalition aus und gab die Führung 1910 an Svetozar Pribićević ab, der sie für kleine Zugeständnisse zurück an die Regierung brachte. S. lehnte diesen Opportunismus ab und förderte mit seiner Zeitung die ab 1910 sich formierende national-radikale Jugend.
Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges griff S. wieder entscheidend in die Politik ein. Als einer der führenden Politiker der südslawischen Emigration aus Österreich-Ungarn unternahm er alle Anstrengungen, um die Mächte der Entente an einem unabhängigen und föderalistischen jugoslawischen Staat zu interessieren. Er forderte klare Voraussetzungen für die Vereinigung der kroatischen Länder mit Serbien, was ihn in Gegensatz zu Nikola Pašić und auch zu den übrigen Mitgliedern des am 30. April 1915 in Paris gegründeten „Südslawischen Komitees“ Jugoslavenski odbor) brachte, die, um die Serben nicht zu verärgern, erst nach der Vereinigung über die innere Ordnung des neuen Staates verhandeln wollten. S. trat deshalb am 5. April 1916 aus dem „Südslawischen Komitee“ wieder aus. Er erlebte noch die Unterzeichnung der Deklaration von Korfu (20.07.1917), die er indirekt mitgestaltet hatte, und in der er seine Politik bestätigt sah. S.s politische Schriften und Reden sowie seine Korrespondenz erschienen in verschiedenen Ausgaben: „Korespondencija Frana Supila iz perioda 1891 - 1914“ (Die Korrespondenz von Frano Supilo 1891 - 1914; in: Arhivski vjesnik (1963) 7-229), „Pisma i memorandumi Frana Supila 1914 - 1917“ (Die Briefe und Memoranden von Frano Supilo 1914 - 1917, Belgrad 1967) und „Politički spisi“ (Politische Schriften, Zagreb 1970).

Literatur

Lovrenčić, René: Ekonomska problematika u Supilovu ,,Novom listu“ 1903-1905. In: Radovi filoz. Fak., Odsjek za povijest 3 (1960) 95-122.
Ders.: Ekonomska problematika u Supilovu ,,Novom listu“ 1906-1914. In: Radovi Instituta za hrvatsku povijest 6 (1974) 129-272.
Horvat, Josip: Frano Supilo. Beograd 1961.
Šepić, Dragovan: Supilo diplomat. Zagreb 1961.
Sirotković, Hodimir: Pravni i politički aspekti procesa „Reichspost“ i Friedjung. In: Starine JA 52 (1962) 48-184.
Ders.: Politički lik Frana Supila. In: Encyclopaedia moderna 5 (1970) 14, 15-25.
Šepić, Dragovan: Frano Supilo. In: Časopis za suvremenu povijest 2 (1970) 2, 213-228.
Lovrenčić, René: Geneza politike novog kursa u Hrvatskoj. Zagreb 1972.
Ganza-Aras, Tereza: Frano Supilo u svjetlu najnovijih istraživanja. In: Hist. Zborn. 25/26 (1972/73) 387-406.

Verfasser

Andreas Moritsch (GND: 123957184)


GND: 118991396

Weiterführende Informationen: https://prometheus.lmu.de/gnd/118991396

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Empfohlene Zitierweise: Andreas Moritsch, Supilo, Frano, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 4. Hgg. Mathias Bernath / Karl Nehring. München 1981, S. 234-237 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1722, abgerufen am: (Abrufdatum)

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