Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Tsaldaris, Konstantinos
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Tsaldaris, Konstantinos

Tsaldaris, Konstantinos, griechischer Politiker, * Alexandria 14.04.1884, † Athen 17.11.1970, Neffe des Panajis T., mit Nadine, Tochter eines englischen Anwalts und einer Dänin aus Holland, verheiratet, die in erster Ehe Gattin des Agamemnon Schliemann, des Sohnes des Archäologen Heinrich Schliemann, gewesen war.

Leben

Nach der Wahlniederlage der Liberalen am 14. (1.) November 1920 trat K., Mitglied der jetzt in Volkspartei (Laikon Komma) umbenannten Partei der Nationalgesinnten (Komma ton ethnikofronon), als Postminister in das Kabinett des Dimitrios Gunaris ein; 1933 war T. Staatssekretär beim Ministerpräsidenten Panajis T. Als dieser 1936 starb, wurde T. Mitglied des Leitungskomitees der Volkspartei. T. gehörte zu den wenigen Politikern auch in seiner eigenen Partei, die im Weltkrieg und nach der Befreiung für die Rückkehr des durch die Errichtung der Diktatur des Ioannis Metaxas diskreditierten Königs Georg II. ohne vorausgehende Volksbefragung eintraten. Nach dem Bürgerkrieg zwischen den Widerstandsorganisationen während der Besatzungszeit, nach dem kommunistischen Dezemberaufstand 1944 und in der von Ausschreitungen extremistischer Gruppen und von allgemeiner Beunruhigung gekennzeichneten Phase vor dem neuen Bürgerkrieg (1946-1949) hatte seine eindeutig rechte und royalistische Option Erfolg: In der Wahlkoalition (Union der Nationalgesinnten, Enosis Ethnikofronon) mit der ephemeren Volksbauernpartei (Laikon Agrotikon Komma) erhielt die Volkspartei bei den unter internationaler Aufsicht durchgeführten Wahlen am 31. Februar 1946 55,12% der Stimmen und 156 von 206 Mandaten. Am 4. April 1946 trat er als Außenminister in die Regierung des Panajotis Pulitsas ein, am 18. April bildete er sein erstes Koalitionskabinett, in dem er das Außenministerium behielt. In seinen Verhandlungen in London im Juli 1946 versuchte er vergeblich, England zu einem größeren Engagement in Griechenland, vor allem zu weitergehender finanzieller und militärischer Hilfe gegen die aufständischen Kommunisten zu bewegen, doch gelang es ihm im Dezember desselben Jahres, in Washington Interesse für die griechischen Probleme zu wecken und zur Vorbereitung der im nächsten Jahr verkündeten „Trumandoktrin“  beizutragen. Die UNO beschloß auf die Beschwerde der Athener Regierung über die Unterstützung der Aufständischen durch Albanien, Jugoslawien und Bulgarien, eine Unter- suchungskommission zu entsenden, deren Berichte die griechischen Vorwürfe erhärteten. Die Innenpolitik des T. war zwiespältig: Einerseits blieb die KPG auch nach dem Wiederausbruch des Bürgerkrieges bis Ende 1947 eine legale Partei, die durch Propaganda, die Organisation von Streiks, durch Ausspähung, heimliche Rekrutierung für das „Demokratische Heer Griechenlands“, durch Sabotage und Mordanschläge des illegalen Apparats den Aufständischen half, andererseits steuerte T. einen harten Kurs, der sich auch gegen ehemalige Offiziere der kommunistisch gelenkten Widerstandsorganisation Ethniko Ape- leftherotiko Metopo/EAM (Nationale Befreiungsfront) richtete und zur Ausstattung untergeordneter Dienststellen mit weitgehenden, zum Machtmißbrauch verleitenden Vollmachten führte: Statt die von England dringend gewünschte große Koalition der demokratischen Parteien zu ermöglichen, provozierte er die scharfe Opposition der liberalen Parteien des Zentrums und der nichtkommunistischen Linken. Zwar ging seine Regierung schließlich energisch gegen die rechtsextremistischen Terrorbanden der Organisation X (Chi) des Georgios Grivas vor und brachte Gesetze durch, die drakonische Strafen für Bandenmitgliedschaft und Begünstigung der Rebellen vorsahen. Trotzdem konnte er die öffentliche Ordnung auch wegen der Verletzung rechtsstaatlicher Prinzipien durch untergeordnete Beamte und der ineffektiven Führung der Streitkräfte nicht hersteilen. Die Verwendung der Ausländsanleihen von 1946 trug ihm den Vorwurf der Mißwirtschaft auch seitens ausländischer Sachkenner ein; unter diesen Voraussetzungen blieben die Anstrengungen im Bürgerkrieg und die Aufbauleistungen hinter dem Möglichen zurück. Nach seinem Rücktritt am 24. Januar 1947gehörte er als stellvertretender Ministerpräsident und Außenminister der Regierung des Dimitrios Maximos an, bildete am 29. August 1947 ein neues Kabinett, das jedoch schon am 7. September wieder zurücktrat, um den Weg zu einer Koalition mit den Liberalen unter Ministerpräsident Tbemistoklis Sofulis freizugeben. T. wurde Vizepremier und Außenminister, im zweiten Koalitionskabinett Sofulis am 20. Januar 1949 leitete er nur noch das Ressort des Auswärtigen, nach Sofulis‘ Tod übernahm er am 30. Juni 1949 wieder beide Ämter in der Regierung des Alexandras Diomidis-Kiriakos. In den Wahlen am 5. März 1950 fielen der Volkspartei 18,8% der Stimmen und 62 Mandate zu, die am 13. September 1950 wieder in eine Koalitionsregierung mit den Liberalen unter Ministerpräsident Sofoklis Venizelos und T. als dessen Stellvertreter eintrat. Bei den Neuwahlen am 9. September 1951 wanderten die meisten Wähler und Politiker der Volkspartei zur Grie- schischen Sammlung des Alexandros Papagos ab, so daß die Partei nurmehr 6,66% der Stimmen und zwei Mandate erhielt; in den Wahlen am 16. November 1952 konnte T. lediglich in vier von 99 Wahlkreisen Kandidaten aufstellen, die nur 1,05% der Stimmen bekamen; nicht einmal T. selbst erhielt in der Hochburg der Volkspartei, in Argolis und Korinth, einen Sitz. In der Wahlkoalition der Parteien des Zentrums und der Linken konnte sich die Volkspartei am 19. Februar 1956 drei Mandate sichern. Der Versuch des T., 1958 mit Panajotis Kanellop ulos die Union der Volkspartei (Enosis Laiku Kommatos) als neue Partei der rechten Mitte und der Konservativen aufzubauen, als in der Frage des neuen Wahlgesetzes sich die ERE-Fraktion (Ethniki Rizospastiki Enosis = Nationalradikale Union) spaltete, Minister zurücktraten und die Regierung des Konstantinos Karamanlis
 gestürzt wurde, schlug fehl: Am 11. Mai 1958 erhielt seine Partei wiederum nur vier Sitze. T. zog sich daraufhin aus der Politik zurück.

Literatur

Sweet-Escott, Bickham: Greece. A Political and Economic Survey, 1939-1953. London 1954.
Xydis, Stephen G.: Greece and the Great Powers, 1944-1947. Thessaloniki 1963.
Meynaud, Jean: Les forces politiques en Grèce. Montreal 1965.
Legg, Keith Raymond: Politics in Modern Greece. Stanfort 1969.
Iatrides, John O.: Revolt in Athens. The Greek Communist „Second Round“, 1944-1945. Princeton, N.J. 1972.
Woodhouse, Christopher M.: The Struggle for Greece 1941-1949. London 1976.
Linardatos, Spiros: Apo ton emfilio sti chunta. 3 Bde. Athen 1977/78.

Verfasser

Gunnar Hering (GND: 1078119694)


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Empfohlene Zitierweise: Gunnar Hering, Tsaldaris, Konstantinos, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 4. Hgg. Mathias Bernath / Karl Nehring. München 1981, S. 356-358 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1806, abgerufen am: (Abrufdatum)

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