Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Wied, Wilhelm Friedrich Heinrich Prinz zu
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Wied, Wilhelm Friedrich Heinrich Prinz zu

Wied, Wilhelm Friedrich Heinrich Prinz zu, Fürst (Mbret) von Albanien 1914, * Neuwied 26.03.1876, † Predeal (Rumänien) 18.04.1945, zweiter Sohn des Fürsten Wilhelm Adolf Maximilian Karl zu Wied und der Prinzessin Marie der Niederlande.

Leben

W. verbrachte seine Jugend im heimatlichen Neuwied, wo er von einem Hauslehrer unterrichtet wurde. 1892-1896 besuchte er das Gymnasium in Jena, wo er am 6. März 1896 das Abitur ablegte. Danach besuchte er die Kriegsschule in Engers (bei Neuwied) und erhielt am 3. Juni 1897 das Leutnantspatent. Die darauffolgenden Jahre verbrachte er im Garderegiment des Kaisers und wurde am 19. Juli 1907 zum Oberleutnant der Kavallerie befördert. Am 20. März 1911 wurde W. als Rittmeister zum 3. Gardeulanenregiment nach Potsdam versetzt, wo er bis zu seiner Nominierung als Fürst von Albanien verblieb. Er war verheiratet mit Sophie, Prinzessin von Schönburg-Waldenburg.
Der 1. Balkankrieg 1912, während dessen fast ganz Albanien von den Truppen des Balkanbundes besetzt wurde, stellte die Albaner, die bisher nur eine Autonomie im Rahmen des Osmanischen Reiches angestrebt hatten, vor die Frage des politischen Überlebens. Ismail Qemal Bey Vlora proklamierte am 28. November 1912 in Valona, einer der wenigen noch unbesetzten Städte des Landes, die Unabhängigkeit Albaniens und bildete eine provisorische Regierung, deren Leitung er selbst übernahm, die aber von den Großmächten zunächst nicht anerkannt wurde. Über das künftige Schicksal Albaniens entschieden die Großmächte dann im Sommer 1913 auf der Botschafterkonferenz in London: Ende Juli einigte man sich darauf, daß Albanien ein Fürstentum unter der erblichen Herrschaft eines Fürsten werden sollte, dessen Auswahl sich die Mächte vorbehielten. Es gab eine ganze Reihe von Kandidaten, die sich auf den albanischen Thron Hoffnungen machten: Da waren zunächst die angeblichen Nachfahren des albanischen Nationalhelden Georg Kastriota Skanderbeg, der Marchese Giovanni di Auletta und Don Aladro Castriotay Perezy Velasco, dann der Mirditenführer Preng Bibé Doda, Fürst Albert Ghica aus einem rumänischen Bojarengeschlecht albanischer Herkunft, und Fürst Nikola von Montenegro. Die Großmächte hatten ihre eigenen Kandidaten, Österreich-Ungarn den Prinzen Moritz von Schaumburg-Lippe und den Herzog von Urach, die Franzosen den Prinzen Wilhelm, Sohn des Schwedenkönigs Gustav V., drei Prinzen aus der Familie Bonaparte und den Herzog Franz Ferdinand Bourbon Orleans-Montpensier. Daneben gab es muslimische Bewerber wie den ägyptischen Prinzen Ahmed Fuad, den Osmanenprinzen Abdülmecid und den General Izzet Pascha, der albanischer Abstammung war. Die Großmächte einigten sich auf W.; er war ein Kompromißkandidat, ausschlaggebend mag gewesen sein, daß er Protestant, und damit auch für Italien annehmbar war. Das Angebot, Fürst von Albanien zu werden, wurde W. von der österreichisch-ungarischen und von der italienischen Regierung im Namen der Großmächte Anfang Oktober 1913 unterbreitet. W. zeigte sich zunächst überrascht und erbat sich Bedenkzeit. Unter dem Einfluß von König Karl I. von Rumänien (die rumänische Königin Elisabeth - Carmen SyIva - war seine Tante) teilte er dann Ende Oktober mit, daß er unter bestimmten Bedingungen das Angebot annehmen würde: Neben den Großmächten müßte auch das albanische Volk durch die provisorische Regierung seine Zustimmung geben; Esad Pascha Toptani müßte den Entschluß der Großmächte anerkennen; die Großmächte müßten eine Anleihe von 75 Millionen Francs gewähren, und die Grenzfrage in Südalbanien müßte geregelt sein. Bis auf die Flöhe der Anleihe war man sich bald einig, und W. nahm die Kandidatur am 3. November 1913 offiziell an. Nachdem die Angelegenheit mit den Großmächten bereinigt war, galt es noch ein anderes Problem zu lösen: W. mußte durch eine albanische Delegation in Deutschland als der neue Fürst begrüßt werden. Uber die Zusammensetzung dieser Delegation gab es in Albanien viele Streitigkeiten, zeitweise erwog man sogar, drei verschiedene Delegationen zu schicken. Am 12. Februar 1914 reiste dann, nachdem Ismail Qemal Bey Vlora aufgegeben hatte, doch nur eine albanische Delegation mit Esad Pascha Toptani an der Spitze auf einem Extradampfer der italienischen Gesellschaft „Puglia“ nach Bari ab. Am 21. Februar 1914 wurde sie auf Schloß Neuwied empfangen. Die Form war also gewahrt, W. war auch von den Albanern der Thron angeboten worden. Jetzt verlief alles relativ rasch: W. fuhr zunächst in die Hauptstädte der an Albanien am meisten interessierten Mächte, also nach Rom und Wien; danach begab er sich nach London, Paris und St. Petersburg. Auf der österreichisch-ungarischen Jacht „Taurus“ begab er sich dann von Triest aus, begleitet von Kriegsschiffen der Großmächte, mit seinem kleinen Hofstaat nach Durazzo, wo er am 7. März 1914 eintraf. Seine erste Aufgabe mußte in der Einsetzung einer Regierung bestehen. Noch von Neuwied aus hatte er sich mit Turban Pascha Permeti, der zuletzt türkischer Botschafter in St. Petersburg gewesen war, in Verbindung gesetzt. Am 17. März kam nach längeren Verhandlungen das Kabinett zustande, in dem Turban Pascha neben dem Amt des Ministerpräsidenten auch das des Außenministers innehatte. Esad Pascha Toptani, damals zweifellos der mächtigste Mann in Albanien, wurde Innen- und Verteidigungsminister. Zu den schwierigsten Aufgaben der neuen Regierung gehörte die Bereinigung der epirotischen Frage: Die Griechen hatten während des Balkankrieges weite Teile von Epirus besetzt, darunter auch Gebiete, die in London Albanien zugesprochen worden waren. Die Griechen hatten im Dezember 1913 zwar versprochen, ihre Truppen zurückzuziehen, zögerten das aber solange hinaus, bis sich in Gjirokastra am 28. Februar 1914 unter der Leitung von Georgios Zographos eine provisorische Regierung des autonomen Nordepirus gebildet hatte. W. ernannte den holländischen Major Lodewijk Thomson, der die albanische Gendarmerie befehligte, zum Generalkommissar für Südalbanien und beauftragte ihn, die von den Griechen geräumten Gebäude durch seine Polizeitruppe zu besetzen und dort eine albanische Verwaltung einzurichten. In Konja klappte das auch, nicht aber in Gjirokastra, wo Zographos inzwischen „Heilige Bataillone“ aufgestellt hatte. Als Thomson mit Zographos zu verhandeln begann, faßten W. und sein Kabinett das als Kompetenzüberschreitung auf und beriefen Thomson nach Durazzo zurück. Die Angelegenheit wurde schließlich von der Internationalen Kontrollkommission für Albanien bereinigt, die mit den nordepirotischen Führern auf Korfu verhandelte, wo am 17. Mai 1914 das sogenannte „Protokoll von Korfu“ zustande kam, das Nordepirus sprachliche, kirchliche und Verwaltungsautonomie unter christlichen Gouverneuren zusicherte. War der griechische Aufstand im Süden eine Gefährdung der territorialen Integrität, so stellte der muslimische Aufstand in Mittelalbanien die Existenz des neuen Staates überhaupt in Frage. Dieser Aufstand, an dessen Spitze Haxhi Qamili und Qamil Haxhi Fejza standen, wurde hauptsächlich von Bauern getragen und von der muslimischen Geistlichkeit unterstützt. Die Aufständischen hatten aber wahrscheinlich auch zu Esad Pascha Toptani Verbindungen, der den Fürsten allmählich an die Wand zu spielen trachtete. Toptani unterhielt eine Privatarmee, sein Haus in Durazzo war eine Festung und ein Waffenlager. In der Nacht vom 19. zum 20. Mai 1914 wurde es von der Gendarmerie umstellt und von soeben eingetroffenen österreichischen Gebirgsgeschützen beschossen. Wer den Befehl dazu gab, ist unklar, möglicherweise stand die ehrgeizige Fürstin dahinter, die den Hauptkonkurrenten ihres Mannes los werden wollte. Toptani kapitulierte vor den Kanonen, wurde auf das österreichisch-ungarische Kriegsschiff „Szigetvár“ und danach auf den italienischen Dampfer „Benghasi“ gebracht, mit dem er nach Brindisi fuhr, nachdem er sich schriftlich verpflichtet hatte, sich in die inneren Angelegenheiten Albaniens nicht mehr einzumischen. Eine Lösung brachte die Entfernung Esad Paschas nicht; die Aufständischen, die bereits am 18. Mai Tirana besetzt hatten, erschienen in den Außenbezirken von Durazzo, wo es zu Kämpfen mit der albanischen Gendarmerie kam. W. begab sich mit seiner Familie auf Anraten des italienischen Botschafters Baron Aliotti am 24. Mai auf das italienische Kriegsschiff „Misurata“, kehrte jedoch noch in der gleichen Nacht nach Durazzo zurück, um mit den Aufständischen zu verhandeln. Die Rebellen forderten neben einer Amnestie eine stärkere Berücksichtigung der islamischen Religion. Es gelang W., die Aufständischen zu besänftigen und so die Gefahr für den Augenblick zu bannen. Die Lage W.s war trotzdem schwieriger denn je; die von den Holländern organisierte Gendarmerie war viel zu schwach, und die Großmächte widersetzten sich der Aufforderung des Fürsten, Truppen nach Albanien zu schicken. W.s letzte Hoffnung war jetzt Hilfe aus dem bisher vernachlässigten Norden. Preng Bibé Doda erhielt bei der Regierungsumbildung am 29. Mai das Außenministerium; katholische Nordalbaner trafen daraufhin zum Schutze W.s in Durazzo ein. Aber auch sie konnten die Aufstandsbewegung nicht mehr aufhalten. Am 15. Juni wurde ein Angriff auf Durazzo unter großen Verlusten auf beiden Seiten zurückgeschlagen, am 12. Juli fiel dann aber Berat, und am 1. September zogen die Aufständischen kampflos in Valona ein. Da nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges die Großmächte ihre Truppen aus Nordalbanien abzogen und die holländischen Gendarmerieoffiziere in ihre Heimat zurückkehrten, verfügte W. im vom Land her eingeschlossenen Durazzo nur noch über die kosovarischen Abteilungen unter Isa Buletini; da auch die Anleihe nicht weiter ausbezahlt wurde, sah W. in einem weiteren Aufenthalt im Lande keinen Sinn mehr. Am 3. September 1914 verließ er mit seiner Familie auf der „Misurata“ Albanien. Bevor er an Bord ging, erließ er noch eine Proklamation an die Albaner, in der er betonte, daß er für einige Zeit nach Westeuropa gehen werde, um Ruhe und Eintracht im Lande wieder einkehren zu lassen. Bis zu seiner Rückkehr sollte die formell noch existierende Internationale Kontrollkommission die Verwaltung übernehmen. Über Venedig begab sich W. zu einem kurzen Urlaub in die Schweiz. Er schien die Absicht gehabt zu haben, dann die Entwicklung der Ereignisse in Rumänien abzuwarten, was seiner späteren Wiedereinsetzung wahrscheinlich förderlicher gewesen wäre als sein Wiedereintritt in die deutsche Armee, zu dem er sich schließlich entschloß. Am 14. Oktober wurde er als Major dem Stabe der Gardekavallerie-Division zugeteilt und ging sofort an die Front in Flandern. Daß W. gewillt gewesen war, nach Kriegsende sofort wieder nach Albanien zurückzukehren, davon zeugen seine vergeblichen Bemühungen, von Österreich-Ungarn und Deutschland die Anerkennung seiner albanischen Thronrechte zugesichert zu bekommen. Aus dem gleichen Grunde verfaßte er auch eine „Denkschrift über Albanien“, die er, als Manuskript gedruckt, an die zuständigen Regierungskreise in Deutschland und Österreich- Ungarn verschickte. Eine albanische Übersetzung dieser Denkschrift (Memorandum permbi Shqypenie. Glogau, Berlin: Carl Flemming A.G. 1917) war wohl zur Verbreitung in Albanien selbst und in den albanischen Kolonien im Ausland bestimmt. Am 16. April 1918 trat W. aus der Armee aus. Es ist nicht bekannt, welche Schritte er in den letzten Kriegsmonaten unternahm, um auf den Thron Albaniens zurückzukehren. Nach dem Zusammenbruch der Mittelmächte hatte er als aktiver Kriegsteilnehmer keine Chance mehr, bei den Siegermächten eine Berücksichtigung seiner Rechte zu erlangen. Nach Kriegsende lebte W. mit seiner Familie zuerst in Tirol und danach in München. 1925 zog er nach Fäntanale in Rumänien, wo die Fürstin Besitz hatte.
W.s kurze Herrschaft ist unterschiedlich bewertet worden, man warf ihm Ignoranz und Unentschlossenheit vor. Das gerechteste Urteil fällte über ihn Fan Noli, wenn er schrieb: „Prince William can be criticized only for being unable to perform miracles.“

Literatur

Swire, J.: Albania - The Rise of a Kingdom. London 1929.
Comes (Baron J. v. Redlich): The Albania-Wied Cause. New York 1932.
Fabius, J.: Met Thomson in Albanië. Maastricht 1964.
Vlora, Ekrem Bey: Lebenserinnerungen. Bd 2. München 1973.
Goslinga, Gorrit T. A.: The Dutch in Albania (A History of the first Albanian Gendarmerie Organized and Directed by Dutch Officers 1913-’14). In: Shêjzat 15 (1971) 117-130, 224-238; 16 (1972) 14-51.
Schmidt-Polex, Hans: Prinz Wilhelm zu Wied, Fürst von Albanien. Unvollendete Dissertation 1961, Mskr. Albanien-Institut München.  

Verfasser

Peter Bartl (GND: 133417492)

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Weiterführende Information (Deutsche Biographie): https://www.deutsche-biographie.de/pnd101078161.html


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Empfohlene Zitierweise: Peter Bartl, Wied, Wilhelm Friedrich Heinrich Prinz zu, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 4. Hgg. Mathias Bernath / Karl Nehring. München 1981, S. 463-466 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1876, abgerufen am: (Abrufdatum)

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