Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Cuspinianus, Johannes
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Cuspinianus, Johannes

Cuspinianus (Spießhaymer), Johannes, Humanist und Diplomat, * Schweinfurt Dezember 1473, † Wien 19.04.1529, Sohn des Bürgermeisters von Schweinfurt, Hans Spießhaymer, vermutlich aus Spiesheim stammend, verheiratet in erster Ehe (1502) mit Anna Putsch, in zweiter Ehe (1514) mit Agnes Stainer.

Leben

Nach Studien in Leipzig und einem Jahr Schuldienst in Würzburg kam C. 1492 nach Wien, wo er sich der dortigen Humanistengemeinde anschloß und 1493 von König Maximilian den Dichterlorbeer empfing. 1493/94 ließ er sich an der Universität immatrikulieren; er studierte klassische Sprachen und Literatur sowie Medizin. Bald trat er durch Vorlesungen über Interpretation antiker Texte und als Herausgeber von Schriften aus Antike und Mittelalter hervor. 1497 gab er seinen Lehrstuhl an Konrad Celtis ab und mußte sich bis 1500 mit einem Lehramt an der Bürgerschule zu St. Stephan begnügen. 1499 erwarb er das medizinische Doktorat, die Grundlage für seine ärztliche Praxis. 1500 wurde er zum Rektor der Universität und in der Folgezeit mehrfach zum Dekan der medizinischen Fakultät gewählt; seit 1501 bekleidete er das Amt des landesfürstlichen Superintendenten an der Wiener Universität. 1508, nach dem Tode von Celtis, übernahm er dessen Lehrkanzel für Poetik und Rhetorik.
1510 eröffnete sich für C. ein völlig neuer Wirkungskreis in der Politik. Zehn Jahre lang vertrat er als gewandter „Orator“ und kluger Realpolitiker die habsburgischen Interessen am ungarischen Hof. Es ist nicht zuletzt seiner diplomatischen Geschicklichkeit zu verdanken, daß das Projekt einer Doppelheirat zwischen den Enkeln Kaiser Maximilians I. und den Kindern König Wladislaws II. mit dem Wiener Kongreß von 1515 feste Gestalt annahm. Der Kaiser belohnte seine Verdienste durch die Ernennung zum kaiserlichen Rat (1512) und die Bestellung zum Wiener Stadtanwalt (1515); als solcher hatte er die Rechte des Landesfürsten gegenüber der Stadt zu wahren. Trotz zahlreicher diplomatischer Sendungen (1518 begleitete er die mailändische Prinzessin Bona Sforza zur Hochzeit mit König Sigismund nach Krakau und überbrachte König Ludwig II. von Ungarn die Insignien des Ordens vom Goldenen Vließ, 1519 sicherte er Karl die Stimme Ludwigs II. als König von Böhmen für die Kaiserwahl), fand C. Zeit für wissenschaftliche Arbeiten und seine Rolle als Mittelpunkt des Wiener Humanistenkreises.
Von seiner Tätigkeit als Politiker angeregt, veröffentlichte er eine Beschreibung der Monarchenzusammenkunft in Wien („Congressus ac celeberrimi conventus Caesaris Maximiliani et trium regum Hungariae, Boemiae et Poloniae in Vienna . . . anno MDXV. facti brevis ac verissima descriptio“, 1515) und einen flammenden Aufruf zum Türkenkrieg („Oratio protreptica Joannis Cuspiniani ad Sacri Romani Imperii principes et proceres, ut bellum suscipiant contra Turcos“, 1526). Die Drucklegung seiner beiden Lebenswerke, der „Geschichte der römischen Consuln bis auf Justinian“ („Consules“, Basel 1553) und der „Geschichte der römischen, griechischen und türkischen Kaiser“ („Caesares“, Straßburg 1540) erlebte er nicht mehr. Seine 1527/28 begonnene historisch-geographische Landeskunde von Niederösterreich, die „Austria“ (Basel 1553) ist Fragment geblieben; dagegen konnte er 1528 in Ingolstadt bei Peter Apian eine vom Sekretär des Kardinals Tamás Bakócz von Gran, Lazarus, entworfene, später von Collimitius verbesserte Karte von Ungarn herausgeben. Als eifriger Benützer der „Corvina“ brachte C. eine Reihe wertvoller Codices nach Wien („Zonaras“, „Philostratus“ u. a.). Die Geschichtsschreibung verdankt ihm die Erschließung vieler historischer Quellen, die z. T. inzwischen verloren gegangen sind (Chronik des Matthias von Neuenburg).

Literatur

Das Tagebuch Cuspinians. Hrsg. Hans Ankwicz. In: Mitt. Inst. österr. Gesch.-Forsch. 30 (1909) 280-326.
Ankwicz von Kleehoven, Hans: Ein unveröffentlichter Bericht über die Überreichung des Ordens vom Goldenen Vließe an König Ludwig II. von Ungarn. In: Ebd.,Ergbd 11 (1929) 463-473.
Johann Cuspinians Briefwechsel. Hrsg. Hans Ankwicz von Kleehoven. München 1933. = Veröffentlichungen der Kommission zur Erforschung der Geschichte der Reformation und Gegenreformation. Humanistenbriefe. 2.
Ankwicz von Kleehoven, Hans: Die Bibliographie des Dr. Johannes Cuspinian. In: Österreichische Nationalbibliothek. Festschrift für J. Bick. Wien 1948, 208-227.
Ders.: Der Wiener Humanist Johannes Cuspinian. Gelehrter und Diplomat zur Zeit Kaiser Maximilians I. Graz, Köln 1959.

Verfasser

Ute Monika Schwob (GND: 1050326059)


GND: 11867756X

Weiterführende Informationen: https://prometheus.lmu.de/gnd/11867756X

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Empfohlene Zitierweise: Ute Monika Schwob, Cuspinianus, Johannes, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 1. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1974, S. 346-347 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=694, abgerufen am: (Abrufdatum)

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