Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Cuza, Alexandru Ioan
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Cuza, Alexandru Ioan

Cuza, Alexandru Ioan, erster Fürst des vereinigten Fürstentums Rumänien, * Bîrlad 20.03.1820, † Heidelberg 15.05.1873, Sohn des Spătar und Postelnic (Hofmarschall) Ioan C. und der Sultana Cozadini; der Vater entstammte einem angesehenen moldauischen Bojarengeschlecht, die Mutter einer in Istanbul ansässigen griechisch-italienischen Familie.

Leben

C. erwarb das Reifezeugnis 1835 in Paris und begann hier ein Jurastudium, das er jedoch nicht abschloß. Nach seiner Rückkehr in die Heimat trat er 1837 als Kadett in die Armee ein, in der er bis 1840 blieb. 1843 nahm C. eine Tätigkeit als höherer Gerichtsbeamter im Kreis Covurlui auf, legte aber 1845 auch dieses Amt nieder. 1844 hatte er die Tochter des Postelnic Iordache Rosetti, Elena, geehelicht. Nach dem 1848 gegen den Fürsten Mihai Sturza inszenierten Aufstand, an dem C. führend beteiligt war, wurde er verhaftet und entging einer bevorstehenden Verbannung nur durch die Flucht nach Siebenbürgen, wo er am 15. Mai an der großen Volksversammlung der Rumänien in Blaj (Balázsfalva) teilnahm. Von hier aus begab er sich in die Bukowina, wo er gemeinsam mit Costache Negri und einigen anderen Patrioten ein „Moldauisches Revolutionäres Komitee“ gründete. Eine Choleraepidemie in der Bukowina veranlaßte ihn, zunächst nach Wien und dann über Paris nach Istanbul zu reisen. Von hier aus begleitete er den neuen Woiwoden Grigore Alexandru Ghica nach Jassy. Von diesem erhielt C. 1849 die Ernennung zum Gerichtsvorsteher des Kreises Covurlui. Anfang 1851 wurde C. zum Ministerialdirektor im Innenministerium befördert und erhielt 1855 die Ernennung zum Vornic, ein Jahr später zum Pîrcălab der Stadt Galaţi. Der Nachfolger Ghicas, der Kaymakam Teodor Balş, entließ ihn jedoch im selben Jahr auf die Forderung Österreichs hin wegen seines Eintretens für die Politik der Vereinigung mit der Walachei. Balş' Nachfolger, Nicolae Vogoride, ebenfalls ein Gegner der Vereinigung, ernannte C. 1857 zum Pîrcălab von Covurlui, um den populären Politiker für sich zu gewinnen. Bei den Wahlen im Jahre 1858, die den „Unionisten“ einen überwältigenden Sieg brachten, wurde C. zum Abgeordneten von Galaţi gewählt. Als solcher wirkte er entscheidend bei der neuen Agrarreformgesetzgebung mit. Am 12. September 1858 wurde C. zum stellvertretenden Chef, sechs Wochen später zum Chef der Miliz ernannt. Am 17. (5.) Januar 1859 folgte seine Wahl zum Fürsten der Moldau. Seine Wahl zum Fürsten der Walachei am 5. Februar (24. Januar) 1859 eröffnete den Weg zur Vereinigung der beiden Donaufürstentümer.
Die Wahl C.s zum Fürsten beider rumänischer Länder stieß auf den Widerstand mehrerer europäischer Großmächte. Die Hohe Pforte forderte die Einberufung einer Konferenz der Garantiemächte. Auch Österreich protestierte gegen die Doppelwahl. England änderte seine Haltung zugunsten der Doppelwahl auf französisches Drängen hin. Frankreich, Rußland, Sizilien und Preußen begegneten der Doppelwahl mit Wohlwollen. Dennoch erbrachte erst die dritte Sitzung der Pariser Konvention im September 1859 die von den Donaufürstentümern angestrebte Anerkennung. Zu den außenpolitischen kamen innenpolitische Schwierigkeiten hinzu, zumal das neue Staatsgebilde zum ersten Mal eine parlamentarische Legislative aufbaute und die durch eine schwere Wirtschaftskrise geförderten inneren Gegensätze einen Höhepunkt erreichten. Bis 1862 gab es in der Moldau neun, in der Walachei sogar elf Regierungen. C. bildete in jenen Jahren den einzigen Faktor innenpolitischer Kontinuität. Eine von ihm zur Hälfte ernannte „Zentralkommission“ von je acht Moldauern und Walachen, die gemeinsame Gesetze erarbeiten sollte, begann ihre Tätigkeit im Mai 1859. C. und die liberalen Elemente der beiden Landesparlamente waren jedoch mit den Gesetzesvorschlägen der Kommission unzufrieden, und C. nützte geschickt den häufigen Regierungswechsel aus, um die konservativen Persönlichkeiten des Gremiums allmählich auszuschalten. Zugleich führte er gemeinsame Institutionen ein. Noch bevor die Vereinigung der Fürstentümer proklamiert wurde, entstanden ein einheitliches Armeekommando, ein gemeinsames Kriegsministerium, ein Generalstab u. a. Im Oktober 1860 stattete C. der Hohen Pforte einen ersten offiziellen Besuch ab und wurde mit allen einem souveränen Fürsten gebührenden Ehren empfangen. Er nützte diese Gelegenheit aus, um dem Sultan die Notwendigkeit einer „Zentralisierung der Macht“ in den beiden Fürstentümern in einer Hand zu verdeutlichen. Damit war die Grundlage für eine positive Haltung der Pforte in der Vereinigungsfrage geschaffen. Die in den beiden Fürstentümern von der großen Masse der Bevölkerung erwartete Proklamation der Vereinigung konnte C. allerdings erst am 23. Dezember 1861 erlassen.
Am 5. Februar 1862, drei Jahre nach seiner Doppelwahl, eröffnete C. in Bukarest die Gründungssitzung der vereinigten Kammern der beiden bis dahin getrennten Fürstentümer. Er unternahm sofort den Versuch, zahlreiche politische und sozialpolitische Reformen in die Wege zu leiten. Vor allem die Versuche, die Wahl- und die Agrarreform durchzusetzen, stießen auf den erbitterten Widerstand der konservativen Kreise, die in der ersten Regierung des neuen Staates unter Barbu Catargiu vertreten waren. Nach der Ermordung Catargius im Juni 1862 betrieb dessen Nachfolger, der gemäßigte Konservative Nicolae Kretzulescu, unter Anleitung C.s die Vereinheitlichung der Verwaltungen. Als erste große Reform wurde Ende 1863 die Säkularisierung der Klöstervermögen vollzogen. Um diese Zeit formierte sich auch die sog. „monströse Koalition“ aus teils konservativen, teils rechtsliberalen Elementen, die ungeachtet zahlreicher unterschiedlicher Anschauungen und Interessen gemeinsam den Sturz C.s herbeiführen wollten. Im Parlament versuchten diese Politiker, nahezu alle von C. unterbreiteten Reformvorschläge zu Fall zu bringen. C. bereitete darauf den Staatsstreich vor, zumal die konservative Opposition begonnen hatte, gegen ihn auch im Ausland zu intrigieren. Der konservative Politiker Constantin Sutzu appellierte sogar an die Pforte, den Fürsten zu vertreiben. Dessen ungeachtet beschloß C., seine Pläne zur Agrarreform voranzutreiben, wofür er sich aber zunächst des rückständigen Wahlsystems entledigen mußte. Am 14. Mai forderte er das Parlament auf, ein neues Wahlgesetz zu verabschieden, das unweigerlich zu einer weitgehenden Ausschaltung der konservativen Abgeordneten geführt hätte. Die konservative Mehrheit antwortete darauf mit einem Mißtrauensvotum, worauf Regierungschef Kogălniceanu das Parlament auflöste. Schon wenige Tage später, am 22. Mai, unterbreitete er dem Fürsten ein neues Grundgesetz, das am 26. Mai durch Plebiszit mit großer Mehrheit angenommen wurde. Die wichtigsten Änderungen gegenüber dem früheren Grundgesetz waren die Ausstattung der Exekutive mit mehr Befugnissen auf Kosten der Legislative und die Betrauung allein des Fürsten mit Gesetzesinitiative. Der durch das Grundgesetz ins Leben gerufene Senat stand weitgehend unter dem persönlichen Einfluß des Fürsten. Erst jetzt betrachtete dieser die Voraussetzungen für gegeben, das neue Agrargesetz zu erlassen. Die Fronarbeit wurde darin endgültig abgeschafft. Der von C. gewonnene Eindruck, daß Kogălniceanu selber von der Volkstümlichkeit der Agrarreform profitieren wollte, führte zu einer Abkühlung des Verhältnisses zwischen dem Fürsten und seinem Ministerpräsidenten. Dennoch setzte sich ihre Zusammenarbeit noch eine Zeitlang fort und sie sollte sich bis zur Entlassung Kogălniceanus Anfang Februar 1865 vor allem auf gesetzgeberischem und verwaltungstechnischem Gebiet als überaus fruchtbar erweisen. Beide Staatsmänner waren bestrebt, durch die Übernahme westeuropäischer Institutionen den Rückstand gegenüber West- und Mitteleuropa in kürzester Zeit aufzuholen. Am 16. Dezember erhielt das Land sein erstes modernes Bürgerliches Gesetzbuch, eine Entwicklung aus dem „Code Napoleon“ und dem italienischen Bürgerrecht, vermischt mit einheimischen Rechtselementen. Der jüdischen Minderheit wurden alle politischen Rechte erteilt. Der Verwaltungsapparat wurde weiter ausgebaut und gestrafft. Am 18. Dezember 1865 eröffnete C. das neugewählte Parlament, dem kein einziger namhafter Gegner des Fürsten mehr angehörte. Das staatspolitische Werk C.s, das größtenteils zugleich ein Werk Kogălniceanus gewesen ist, war damit im wesentlichen abgeschlossen.
Kogălniceanus Nachfolger als Ministerpräsident, Constantin Bosianu, erwies sich als schwach und konnte sich nur wenige Monate halten. Ihm folgte am 26. Juni 1865 wieder Nicolae Kretzulescu. Die politische Opposition war allerdings weder geschlagen noch eingeschüchtert und begann sich im Sommer 1865 neu zu formieren. Eine von ihr am 15. August angezettelte Revolte konnte zwar noch niedergeworfen werden, sie verursachte aber im Ausland ein negatives Echo und C. mußte seinen Kuraufenthalt in Bad Ems unterbrechen und die Heimreise antreten. Ende 1865 und Anfang 1866 gewann die inner- und außerparlamentarische Opposition erneut an Einfluß. Kretzulescu glaubte sich angesichts der Lage veranlaßt, C. seine Demission einzureichen; diese wurde jedoch vom Fürsten nicht angenommen. Am 23. Februar 1866 gelang es dann der Opposition, durch Staatsstreich die Abdankung C.s zu erzwingen.
Nach längerem Aufenthalt in Paris ließ sich C. 1867 in Wien nieder. 1868 erklärte er dort dem französischen Botschafter, der ihm die Unterstützung Frankreichs im Falle seiner Rückkehr nach Rumänien in Aussicht gestellt hatte, er würde nie versuchen, den Thron mit fremder Hilfe zu besteigen. Eine 1867 an seinen Nachfolger Karl I. gerichtete Bitte, ihm die Rückkehr als „einfacher Bürger“ zu gestatten, wurde von diesem verweigert. C.s sterbliche Überreste wurden während des Zweiten Weltkriegs nach Rumänien übergeführt und in der „Trei Ierarchi“-Kirche zu Jassy beigesetzt.

Literatur

Xenopol: Bd 13/14.
East, William Gordon: The Union of Moldavia and Wallachia 1859. An episode in diplomatic history. Cambridge 1929.
Riker, Thad Weede: The Making of Roumania. A study of an international problem, 1856-1866. London 1931.
Giurescu, Constantin C.: Viaţa şi opera lui Cuza Vodă. Bucureşti 1966.

Verfasser

Dionisie Ghermani (GND: 118893238)


GND: 118648012

Weiterführende Informationen: https://prometheus.lmu.de/gnd/118648012

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Empfohlene Zitierweise: Dionisie Ghermani, Cuza, Alexandru Ioan, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 1. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1974, S. 349-352 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=696, abgerufen am: (Abrufdatum)

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