Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Gömbös, Gyula
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Gömbös, Gyula

Gömbös, Gyula, ungarischer Ministerpräsident, * Murga (Komitat Tolna) 26.12.1886, † München 06.10.1936.

Leben

Der Berufsoffizier G. erlebte das Ende des Ersten Weltkrieges als Hauptmann des Generalstabs. Zur Zeit der beiden Revolutionen in Budapest (1918/19) ging er nach Wien, wo er an der Bildung des „Antibolschewistischen Comités“ (ABC) beteiligt war und das Wochenblatt „Magyar Futár“ (Ungarischer Kurier) gründete. Anschließend wurde er Staatssekretär des Kriegsministers Miklós Horthy in der Regierung Graf Gyula Károlyis. Nach seiner Ausweisung aus Szegedin durch die Entente vertrat G. diese Regierung in Horthys Auftrag in Wien (Juli 1919). G.s politische Laufbahn begann, als er im November 1918 Präsident des „Ungarischen Landesverteidigungsvereins“ (Magyar Országos Véderő Egyesület = MOVE), einer rechtsgerichteten Offiziersvereinigung, wurde. Auch an der Entstehung des „Bündnisses von Etelköz“ (Etelközi Szövetség = EKSZ) 1919 war G. maßgeblich beteiligt. Dieser Geheimbund war zunächst als eine Anti-Freimaurer-Gesellschaft entstanden, entwickelte sich aber zu einer wirksamen politischen Kraft im Hintergrund. 1921 bei den Restaurationsversuchen König Karls spielte G., der zwar Royalist, doch kein Karlist war und für die freie Königswahl eintrat, an der Seite Horthys eine ausschlaggebende Rolle. 1922 entstand die „Einigkeitspartei“ (Egységes Párt [Keresztény Kisgazda, Földműves és Polgári Párt]), und G. wurde ihr geschäftsführender Vizepräsident. 1923 entzweite sich G. mit István Bethlen und gründete die „Rassenschutzpartei“ (Fajvédő Párt), kehrte dann 1928 in die „Einigkeitspartei“ zurück und wurde Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Verteidigungsminister (1929) und Ministerpräsident (1.10. 1932).
Mit G. kam die Gruppe von Szegedin, der dem Reichsverweser nahestehende Kreis der Offizierskommandos, an die Macht. Mit Geschick und Anpassungsfähigkeit gelang es G., für sein aus 95 Punkten bestehendes „Nationales Arbeitsprogramm“ (Nemzeti Munkaterv) Vertrauen zu erwecken. Sogar die Anhänger der Bodenreform glaubten auf sein angekündigtes Ansiedlungsgesetz und die Fideikommißreform hoffen zu können, wenn auch Aussagen wie „selbstzwecklicher Nationalstaat“, dem er als „Führer und Baumeister der neuen Generation“ voranstehen und „die Umformung der nationalen Seele“ bewirken wollte, so gut wie nichts Konkretes versprachen. Er gab der Regierungspartei den neuen Namen „Partei der Nationalen Einheit“ (Nemzeti Egység Pártja) und gründete 1935 das „Nationale Arbeitszentrum“ (Nemzeti Munkaközpont), um die Gewerkschaften zu verdrängen. Innenpolitisch hatte die Regierung von G. lediglich zur Folge, daß alle Staatsämter mit Vertretern der Clique von Szegedin und denen, die ihr nahestanden, durchsetzt wurden, außenpolitisch ergab sie eine Festlegung der Orientierung zum faschistischen Italien und zum nationalsozialistischen Deutschland. Von diesen Verbindungen erwartete G. Hilfe für die Pläne zur Revision des Friedens von Trianon. 1934 kam es zur Unterzeichnung der Römischen Protokolle und 1936 zu der des Dreimächte-Protokolls mit Italien und Österreich. 1933 beeilte sich G., Hitler aufzusuchen, von dem er mit Begeisterung aufgenommen wurde. Große Schwierigkeiten entstanden für G. durch das Attentat in Marseille 1934, dem der jugoslawische König Alexander und der französische Außenminister Louis Barthou zum Opfer fielen, und dessen Fäden nach Jankapuszta (Komitat Somogy) führten. Er überstand diese Krise mit der Unterstützung Italiens beim Völkerbund. Innenpolitisch stand G. zu dieser Zeit schon weitgehend isoliert. An den wirtschaftlichen Problemen änderte er nichts, und seine radikale Außenpolitik erregte besonders bei den Konservativen Anstoß. Nur Horthy hielt ihn an der Macht. Er blieb zwar auch 1935 an der Regierung, doch die Abneigung gegen ihn wurde durch den maßlosen Wahlterror, für den er verantwortlich war, nur noch verstärkt. Im Mai 1936 zog er sich wegen eines Nierenleidens in ein Sanatorium in Deutschland zurück.
Das vom Horthy-Regime in Budapest errichtete G.-Denkmal wurde am 6. Oktober 1944 von Widerstandskämpfern gesprengt; G. galt für sie als Symbolfigur für Ungarns Engagement für das nationalsozialistische Deutschland.

Literatur

Révai, József: Gömbös Gyula élete és politikája. Budapest 1934.
Kerekes, Lajos (Hrsg.): Allianz Hitler-Horthy-Mussolini. Dokumente zur ungarischen Außenpolitik (1933-1944). Budapest 1966.
Páter Zadravecz titkos naplója. Hrsg. György Borsányi. Budapest 1967.
Kónya, Sándor: Gömbös kísérlete a totális fasiszta diktatura megteremtésére. Budapest 1968.
Ránki, György (u. a.) (Hrsg.): A Wilhelmstrasse és Magyarország. Német diplomáciai iratok Magyarországról 1933-1944. Budapest 1968.
Csepányi, Dezső: Az ellenforradalmi rendszer munkásellenes politikája 1935-39. Budapest 1972.
Dósa, Rudolfné: A MOVE, egy jellegzetes magyar fasiszta szervezet 1918-1944. Budapest 1972.
Szinai, Miklós u. László Szűcs (Hrsg.): Horthy Miklós titkos iratai. Budapest 1972(4) . (Engl. Ausgabe: The confidential papers of Admiral Horthy. Budapest 1965.)

GND: 123390532

Weiterführende Information (Deutsche Biographie): https://www.deutsche-biographie.de/pnd123390532.html


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Empfohlene Zitierweise: Ilona Reinert-Tárnoky, Gömbös, Gyula, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 2. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1976, S. 69-71 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=893, abgerufen am: (Abrufdatum)

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