Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Hlinka, Andrej
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Hlinka, Andrej

Hlinka, Andrej, slowakischer Politiker, * Černová (Komitat Liptau) 27.09.1864, † Rosenberg (Ružomberok) 16.08.1938, aus einer armen, kleinbäuerlichen Familie; Sohn von Andrej Sidor, der sich erst ab 1842 „Hlinka“ schrieb.

Leben

H. ging 1877-1881 in Rosenberg und 1881-1883 in Leutschau zur Schule. Dann trat er ins Priesterseminar in Spišská Kapitula (Szepeskáptalan) ein, wo er die philosophischen und theologischen Studien 1883-1885 bzw. 1886-1889 absolvierte. Hochbegabt, ergänzte H. seine Ausbildung durch das Studium der Geschichte und Literatur und verfolgte aufmerksam die zeitgenössischen sozial-politischen Strömungen (Wilhelm Emanuel Freiherr von Ketteler, Karl Lueger, Ottokár Prohászka). Nach kurzer Tätigkeit als Kaplan in Zakamený Klin (Klin-Zakamene, Komitat Arwa), Svätá Alžbeta (Szenterzsébet, Komitat Liptau) und Tvrdošín (Turdossin, Komitat Arwa) wurde er 1892 Pfarrer in Tri Sliače (Trium Szlécs, Komitat Liptau), schließlich 1905-1938 Stadtpfarrer und Apostolischer Protonotar in Rosenberg.
National bewußt, sozial empfindlich, wirtschaftlich bereits unabhängig, begann sich H. im Jahre 1894 publizistisch und organisatorisch zu betätigen, um im slowakischen Volke das durch die Magyarisierung angegriffene Nationalbewußtsein zu stärken und das Volk aus seiner wirtschaftlichen und sozialen Not zu befreien. H.s Artikel in den Blättern „Katolícke noviny“ (Katholische Zeitung), „Národnie Noviny“ (Nationalzeitung) - vgl. darin seine Artikelserie „Naše krivdy“ (Unsere Plagen) 1896-1897 -, „L’udové noviny (Volkszeitung), dessen Chefredakteur er 1897-1901 war, „Národný hlásnik“ (National-Anzeiger) und „Slovenské listy“ (Slowakische Blätter) haben wesentlich dazu beigetragen, daß die slowakische nationale Bewegung aus dem fast aussichtslosen Kampf einer sehr schmalen Intelligenzschicht zum Volksanhegen wurde. Durch die Gründung der Lebensmittel- und Kreditgenossenschaften schuf H. die erste Selbsthilfe des Volkes gegen dessen wirtschaftliche Ausbeutung. Er veröffentlichte hierzu die Schrift „Ako založíme gazdovsko-potravný úverný spolok“ (Wie gründet man eine landwirtschaftliche Lebensmittel- und Kreditgenossenschaft, Rosenberg 1895). Im Jahre 1905 gründete er die Volksbank in Rosenberg.
Politisch schloß sich H. anfangs der „Volkspartei“ (Néppárt) Graf Nándor Zichys an, mit deren Hilfe die Slowaken die Erfüllung ihrer Anliegen erhofften. Er reiste aber 1895 auch nach Prag, um mit den tschechischen politischen Führern Kontakte aufzunehmen. Seine immer radikalere Haltung in sozialer und nationaler Hinsicht führte schließlich 1905 zum Bruch mit der „Volkspartei“ und zur Gründung der „Slowakischen Volkspartei“ (Slovenská strana l’udová). Die Regierung in Budapest erreichte daraufhin beim Zipser Bischof Sándor Párvy die Suspension H.s „ab officio et ordine“, und nach scharfen Protesten der Bevölkerung wurde er 1906 verhaftet und zu 33 Monaten Gefängnis verurteilt (1907-1910). Die Verfolgung H.s und das Blutbad von Černová (bei einer Kundgebung für H. wurden am 27. Oktober 1907 von den ungarischen Gendarmen 15 Slowaken getötet) machten die Weltöffentlichkeit auf die slowakische Frage aufmerksam. Im Kerker arbeitete H. an der slowakischen Übersetzung des Alten Testaments, die neben seinem Gebets- und Gesangbuch „Nábožný krest'an“ (Der fromme Christ, Rosenberg 1905) jahrzehntelang zu den meistverbreiteten Büchern in der Slowakei gehörte.
Vor dem Ersten Weltkrieg verstärkte H. seine Beziehungen zu den katholischen Volksführern Mährens und Böhmens. Bereits am 24. Mai 1918 setzte er sich eindeutig für die Trennung der Slowaken von Ungarn ein und befürwortete einen gemeinsamen Staat mit den Tschechen. Durch die Gründung einer eigenen Druckerei und der Zeitschrift „Duchovný pastier“ (Der geistliche Hirt) beeinflußte er in diesem Sinne die stark magyarisierte katholische Geistlichkeit. Entscheidend war H.s Mitwirkung bei der Verabschiedung der „Martiner Deklaration“ vom 30. Oktober 1918 und bei der Angliederung der Slowakei an die Tschechoslowakei. Bald aber von den Tschechen politisch (Zentralismus) und ideologisch (Freidenkertum, Hussitismus und Marxismus) enttäuscht, gründete er am 19. Dezember 1918 erneut die „Slowakische Volkspartei“, um mit ihr und deren Tageszeitung „Slovák“ (Der Slowake) seinen Kampf „für Gott und die Nation“ fortzusetzen. Nach einem Versuch, der Friedenskonferenz in Paris die slowakischen Beschwerden vorzulegen, wurde er verhaftet und nach Mírov (Mähren) gebracht. Hier schrieb er die „Zápisky z Mírova“ (Aufzeichnungen von Mírov, herausgegeben von Karol Sidor, Preßburg 1941; auch in italienischer Sprache: Meditazioni di Hlinka a Mírov, Città del Vaticano 1942). Nach der Wahl zum Abgeordneten seiner Partei am 18. April 1920 freigelassen, führte H. seinen politischen Kampf für die Gleichberechtigung der Slowaken mit der Grundforderung der Autonomie für die Slowakei im Sinne des „Pittsburgher Vertrags“ vom Jahre 1918 fort. Seine Partei, die fast ununterbrochen in scharfer Opposition zur Prager Regierung stand, wurde zur stärksten politischen Partei in der Slowakei, und ihr autonomistisches Programm fand immer mehr Anhänger auch bei anderen slowakischen Parteien, bis es um 1935 von etwa 50-70 % der Slowaken angenommen wurde. Als anerkannter nationaler Führer von der großen Mehrheit der Slowaken geehrt und auch von seinen politischen Gegnern geschätzt, starb H. kurz vor der Verwirklichung seines Lebensprogramms und vor der mitteleuropäischen Krise 1938/39.

Literatur

Kolísek, Alojz: Andrej Hlinka. Bratislava 1924.
Cháb, Václav: Andrej Hlinka. Život a politika. Praha 1934.
Sidor, Karol: Andrej Hlinka (1864-1926). Bratislava 1934.
Jehlička, František: Father Hlinka’s Struggle for Slovak Freedom. Reminiscences. Genève 1938.
Forst de Battaglia, O[tto]: Monseigneur Hlinka. In: La revue catholique des idées et des faits (Bruxelles) 18 (9.09.1938), Nr. 25, 5-7.
Fagul'a, Gejza L.: Andrej Hlinka. Bratislava 1943.
Čulen, Konštantín: Andrew Hlinka and Prague. In: Slovakia (Middletown, Pa.) 8 (1958) 3 (28), 57-68.
Kramer, Jura]: Slovenské autonomistické hnutie v rokoch 1918-1929. Bratislava 1962.
Kalenčík, Rudolf: Politické spojenie Hlinka-Rázus. Hamilton, Ont. 1965.
Lipták, L’ubomír: Slovensko v 20. storočí. Bratislava 1968.
Gogolák: Bd 3, S. 130-139.


GND: 118774573

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Empfohlene Zitierweise: Milan Stanislav Ďurica, Hlinka, Andrej, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 2. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1976, S. 167-169 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=963, abgerufen am: (Abrufdatum)

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