Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Nikephoros I., Patriarch von Konstantinopel
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Nikephoros I., Patriarch von Konstantinopel

Nikephoros I., Patriarch von Konstantinopel 806-815, Geschichtsschreiber, * Konstantinopel um 758/9, † Chrysopolis (?) 2. VI. 828 oder 829, Sohn des kaiserlichen Sekretärs Theodoros, der wegen seiner Bilderverehrung verbannt wurde († 767), und der Eudokia, die als Nonne verschied, nachdem N. bereits den patriarchalen Thron bestiegen hatte.

Leben

N., der als kaiserlicher Sekretär dem 2. Konzil von Nikaia (787) beiwohnte, bekundete nicht lange danach seine Gesinnung in einem Gedicht gegen die Bilderstürmer. Um 797 zog er sich aus dem Staatsdienst in die Einsamkeit zurück. Kaiser Nikephoros I. und Patriarch Tarasios, der als Protasekretis sein Vorgesetzter gewesen war, holten N. nach Konstantinopel zurück und betrauten ihn mit der Verwaltung des größten Armenhauses der Stadt. N., der nach Tarasios’ Tod (18.02.806) als Laie, trotz einer entgegengesetzten Empfehlung des Theodoros Studites, vom Kaiser als Nachfolger auf den patriarchalen Thron bestimmt wurde, versuchte vergebens, die Ernennung abzulehnen. Am 5. April empfing er die Mönchstonsur und vom 9. bis 12. April hintereinander Diakons-, Priester- und Bischofsweihe. Auf Wunsch des Kaisers hob N. im Juni 806 die Verurteilung des Priesters Joseph, der die unkanonische Ehe Konstantins VI. mit Theodote eingesegnet hatte, auf und verurteilte im Januar 809 die Gegner dieser Unterordnung der Kirche unter den Kaiser, ja erklärte sogar, daß der Kaiser durch die kirchlichen Kanones nicht gebunden sei. Die Führer der gegnerischen Partei, Theodoros Studites und dessen Onkel, der Abt Platon, wurden darauf verbannt. Erst nach dem Tod Nikephoros' I. (26.07.811), unter dem nachgiebigen Michael  I., sandte N. Papst Leo III. sein Inthronisationsschreiben; für die Verspätung machte er den verstorbenen Kaiser verantwortlich, der die Krönung Karls des Großen nicht hatte anerkennen wollen. Der Papst bot darauf seine Dienste an für eine Versöhnung mit den Studitenmönchen. Der Priester Joseph wurde nun endgültig verurteilt und die verbannten Mönche konnten in ihr Kloster zurückkehren. Um diese Zeit (812-814) bemühte sich N. auch um die Verurteilung von Paulikianern, Phrygianern und anderen Häretikern, wie auch um die Abschaffung der Doppelklöster und um eine strengere Fastenpraxis. 813 krönte N. Leon V., der ihm zwar versprochen hatte, auf religiösem Gebiet keine Neuerungen anzustreben, aber sein Wort nicht hielt. Im Dezember 814 erneuerte der Kaiser den Kampf gegen die Bilderverehrung. Vergebens wies N. - gemeinsam mit seinem früheren Gegner Theodoros Studites - die Beschuldigung, Bilderkult sei Götzendienst, zurück. Leon ließ ihn absetzen, aber N. verurteilte die Bischöfe, die ihm den Prozeß gemacht hatten. Als seine Festnahme einen Volksaufstand auszulösen drohte, erklärte er sich, um dies zu vermeiden, zum Rücktritt bereit (13.03.815). Er wurde in ein Kloster am Bosporus verbannt. Einen Kompromiß mit dem gemäßigteren Michael II., der ihn auf den patriarchalen Thron hätte zurückbringen können, lehnte er ab. Die Ikonophilen, namentlich auch Theodoros Studites, strebten weiterhin seine Wiedereinsetzung an, die vielleicht auch erfolgt wäre, wenn N. nicht 828 oder 829 das Zeitliche gesegnet hätte. N.’ wichtigstes Werk ist seine „Historia syntomos“ (Breviarium historicum), ein Jugendwerk, das ihn neben Theophanes zum wichtigsten Chronographen für das 7. und 8. Jh. der byzantinischen Geschichte macht. Das Werk setzt ein mit dem Tod Kaiser Maurikios’ (602), wo Theophylaktos Simokattes aufgehört hatte, und bringt als letztes Ereignis die Hochzeit Leons IV. mit Eirene (769). Es ist eine Kompilation aus uns nicht mehr erhaltenen Quellen, knapp und klar geschrieben, ohne eigene Interpretation der mitgeteilten Fakten. Historisch bedeutsam für das Verhältnis Konstantinopel-Rom ist der obengenannte Brief an Papst Leo III. Das theologische Oeuvre beschränkt sich auf polemische Schriften zur Verteidigung des Bilderkults (Apologeticus minor, Apologeticus maior, Antirrhetici, Zwölf Kapitel gegen die Bilderbekämpfer u. a. m.). Ein Chronographikon syntomon und ein Traumbuch sind N. fälschlich zugeschrieben worden.

Literatur

Lipšic, Elena Emmanuilovna: Nikifor i ego istoričeskij trud. In: Viz. Vrem. 3 (1950) 85-105.
Visser, A. J : Nikephoros und der Bilderstreit. Den Haag 1952.
Alexander, Paul J.: The Patriarch Nicephorus of Constantinople. Oxford 1958.
Moravcsik: Bd 1, 456-459, 572.
Beck: S. 489-491.
Mainka, Rudolf: Zum Brief des Patriarchen Nikephoros I. von Konstantinopel an Papst Leo III. In: Ostkirchliche Studien 13 (1964) 273-281.
Stiernon, Daniele: Niceforo di Costantinopoli. In: Bibliotheca Sanctorum. Bd 9. Roma 1967, Sp. 871- 884.
Beševliev, Veselin: Der Bericht des Theophanes und Nikephoros über die Thronwirren in Bulgarien 763-765. In: Jahrbuch der österreichischen Byzantinistik 20 (1971) 67-82.
Ders.: Zwei Versionen bei Theophanes und Nikephoros dem Patriarchen. In: Rev. Ét. sud-est europ. 9 (1971) 363-367.
Hunger, Herbert: Die hochsprachliche profane Literatur der Byzantiner. Bd 1. München 1978, 344-347.

Verfasser

Jan Louis van Dieten (GND: 1047967324)


GND: 118734881

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Empfohlene Zitierweise: Jan Louis van Dieten, Nikephoros I., Patriarch von Konstantinopel, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 3. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1979, S. 318-319 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1453, abgerufen am: (Abrufdatum)

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