Popović, Jovan Sterija, serbischer Schriftsteller, * Werschetz (Vršac) 01.01.1806, † ebd. 26.02.1856.
Leben
P. besuchte die Gymnasien in Werschetz, Karlowitz, Temeschwar und Pest und studierte 1828-1830 in Käsmark Jura. Schon in seiner Schulzeit hatte er sentimentale Romane und Dramen mit historischem Sujet in slaweno-serbischer Sprache veröffentlicht (z. B. „Boj na Kosovu“ [Die Schlacht auf dem Amselfeld, 1828] und „Miloš Obilić“, 1830). Nach Abschluß des Studiums betätigte er sich in seiner Heimatstadt zunächst als Lateinlehrer, später als Rechtsanwalt. Unter dem Einfluß von Lessings Dramaturgie wandte er sich nun der Komödie als der didaktisch wirksamsten literarischen Gattung zu. In seinen frühen Komödien „Laža i paralaža“ (Lügner und Zulügner, 1830), „Tvrdica“ (Der Geizhals, 1837) und „Pokondirena tikva“ (Der hochmütige Flaschenkürbis, 1838) variierte er traditionelle komödiographische Motive sehr geschickt durch Einbeziehung der konkreten gesellschaftlichen Situation des serbischen Bürgertums in der ersten Hälfte des 19. Jh.s. Diese Realitätsbezogenheit konnte nur auf der Grundlage der Umgangssprache erzielt werden, und so wurde P. für kurze Zeit zum wichtigsten literarischen Exponenten der Sprachreform Vuk St. Karadžićs.
1840 wurde P. als Professor für Naturrecht an das Lyzeum von Kragujevac berufen. Im Herbst 1841 beteiligte er sich an der Gründung des ersten Belgrader Theaters und gab die Initiative zur Gründung der „Serbischen gelehrten Gesellschaft“ (Društvo srpske slovesnosti, 1842), der Vorläuferin der Akademie. Nach dem Sturz von Michael Obrenović im September 1842 wurde er unter Alexander Karadjordjević zum Leiter des Kultusministeriums berufen, und in dieser Position, die er bis 1848 innehatte, richtete er sein Hauptaugenmerk auf die Entwicklung des Schulwesens; er förderte besonders die Einrichtung von Mittel- und Mädchenschulen und trug selbst zur Behebung des Lehrmittelmangels bei, indem er Lehrbücher verfaßte, darunter auch eine Schulrhetorik. Als hoher Kulturfunktionär und einflußreiches Mitglied der Serbischen gelehrten Gesellschaft wandte er sich ab 1845 in Artikeln und Pamphleten gegen eine allzu puristische Sprachreform, wodurch er sich heftigen Anfeindungen seitens der jungen Romantiker unter den Anhängern Vuks aussetzte. Darüber verbittert, zog er sich Anfang 1848 nach Werschetz zurück.
Die Revolution von 1848 erlebte P. vor allem als für die konterrevolutionäre serbische Bourgeoisie der Wojwodina willkommenen Anlaß, sich unter dem Deckmantel nationaler Interessen zu bereichern und sich persönliche Machtpositionen zu sichern. In seiner letzten Komödie „Rodoljupci“ (Vaterlandsfreunde, entstanden 1853) nahm er diese Erscheinungen aufs Korn und schuf, den Rahmen der Sittenkomödie sprengend, ein bleibendes Genrebild der politischen Leidenschaften seiner Zeit.
In seinen letzten Lebensjahren, die er als Rechtsanwalt in Werschetz verbrachte, schrieb P. hauptsächlich klassizistische Gedichte („Davorje“ [Kampfgesänge, 1854]), übersetzte Horaz und äußerte sich theoretisch über den Nutzen des Theaters. Bald nach seinem Tode geriet er in Vergessenheit und wurde erst zu Beginn des 20. Jh.s von Jovan Skerlić und Pavle Popović wiederentdeckt. Seitdem stellen seine Komödien einen festen Bestandteil des Repertoires der jugoslawischen Bühnen dar, und auch seine späte Lyrik wurde mehrmals neu aufgelegt. Seine gesammelten Werke (Celokupna dela) erschienen 1928/31 in fünf Bänden in Belgrad.
Literatur
Novaković, Stojan: Jovan Sterijin Popović. In: Glas SA 74 (1907) 1-121.
Milisavac, Živan: Savest jedne epohe. Studija o Jovanu Steriji Popoviću. Novi Sad 1956.
Grujič, Vladimir: Školsko reformatorski rad J. St. Popovića u Srbiji 1840-1848. Pedagoško istoriska studija. Beograd 1956.
Tokin, Milan: Jovan Sterija Popović. Beograd 1956.
Knjiga o Steriji. Beograd 1956. - Srpska književna zadruga. 49/335.
Milinčević, Vašo: Sterija u svetlu kritike i istorije književnosti. In: Savremenik 9 (1963) 17, 267-282.