Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Tildy, Zoltán
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Tildy, Zoltán

Tildy, Zoltán, ungarischer Politiker, kalvinischer Pastor, * Losonc (Komitat Nógrád) 18.11.1889, † Budapest 3.08.1961.

Leben

Nach dem Studium der Theologie in Pápa und Belfast war T. in mehreren Ortschaften des Komitats Somogy als Religionslehrer und Pastor tätig, zuletzt 1932-1945 als Pfarrer der reformierten Gemeinde von Szeghalom. Früh hatte er sich der Politik zugewandt, und er stand schon zur Zeit des Ersten Weltkrieges mit dem Bauernführer István Nagyatádi Szabó in Verbindung. Als Ministerpräsident Graf Stephan Bethlen die Landwirtepartei Szabás 1922 mit anderen regierungsfreundlichen Gruppen zur „Einigkeitspartei“ (Egységes Párt) verschmolzen hatte, schloß sich ihr auch T. an. Er verließ aber 1929 das Regierungslager, beteiligte sich führend an der Gründung der oppositionellen „Unabhängigen Kleinlandwirtepartei“ (Független Kisgazdapárt), redigierte ihr Programm, wurde zu ihrem geschäftsführenden Vizepräsidenten bestellt und gewann 1936 ein Abgeordnetenmandat, das er bis 1944 behielt. 1940 wählte ihn seine Partei zu ihrem Präsidenten.
T.s Haltung war, besonders 1939-1943, schwankend. In den ersten Kriegsjahren war er als oppositioneller Politiker von vorsichtiger Zurückhaltung, im Parlament feierte er den Kreuzzug gegen die Sowjetunion, aber er beteiligte sich Anfang 1942 auch an dem „Historische Gedenkmission“ benannten frühen, von der Regierung willig geduldeten Zusammenschluß der ungarischen Kriegsgegner. Nach dem Fall Stalingrads und dem Untergang der 2. ungarischen Armee am Don Anfang 1943 stellte T. seine Taktik deutlich auf den kommenden Sieg der Alliierten ab; im Spätsommer des Jahres 1943 wirkte er maßgeblich bei der Gründung des als Keimzelle einer Widerstandsbewegung gedachten geheimen Bündnisses der Kleinlandwirtepartei mit der (ebenfalls legalen) Sozialdemokratie und der (illegalen) kommunistischen Partei mit. Nach der Besetzung Ungarns durch die deutsche Wehrmacht am 19. März 1944 ging er in den Untergrund, und von seinem Versteck aus förderte er tatkräftig die (am Ende gescheiterten) Bemühungen Reichsverweser Horthys um einen Sonderfrieden.
Nach Kriegsende wurde T. als Präsident der Kleinlandwirtepartei bestätigt. Bei den (geheimen und freien) Parlamentswahlen vom November 1945 gewann sie überraschend mit 57% der Stimmen die absolute Mehrheit; ein großer Teil der Bevölkerung, nicht nur die Bauernschaft, entschied sich für die Kleinlandwirtepartei als nichtmarxistische nationale Alternative zu Sozialdemokratie und Kommunistischer Partei. Jetzt fiel T. das Amt des Ministerpräsidenten zu, und als das Parlament im Februar 1946 die Errichtung einer Volksrepublik beschloß, wurde T. zu deren Präsidenten gewählt.
Als Regierungschef wie als Staatsoberhaupt spielte der durch kommunistische Drohungen erfolgreich unter Druck gesetzte T. zumeist die Rolle eines Anwalts des Nachgebens gegenüber den Forderungen der KP. Er wirkte beflissen an der Preisgabe der auf der absoluten Parlamentsmehrheit beruhenden Machtpositionen der Kleinlandwirte zugunsten der Kommunisten und deren Verbündeten mit und betrieb den Parteiausschluß, in Einzel- fällen auch die Verfolgung von Parteifreunden, die sich seiner Politik widersetzten. Bei den Parlamentswahlen vom August 1947 erhielten die Kleinlandwirte nur noch 15,4% der Stimmen. Als somit T.s Verbleiben im höchsten Staatsamt der KP keinen Nutzen mehr versprach, wurde sein Schwiegersohn des Landesverrats angeklagt und hingerichtet, und T. mußte im August 1948 abdanken und wurde unter Hausarrest gestellt. Nach Stalins Tod wurde die Maßnahme aufgehoben, doch blieb T. einstweilen im Hintergrund. Während des Aufstandes vom Oktober 1956 wurde er noch einmal politisch aktiv, er trat an die Spitze der neuauflebenden Kleinlandwirtepartei und wurde Staatsminister (ohne Geschäftsbereich) im 2. Kabinett Imre Nagys. Nach der Niederwerfung der Erhebung wurde er Anfang 1957 verhaftet. Im Juni 1958 wurde er wegen Mitverantwortung für den Aufstand zusammen mit Imre Nagy und Genossen vor Gericht gestellt und in geheimer Verhandlung, in der er sich schuldig bekannt hatte, zu sechs Jahren Kerker verurteilt. Im März 1960 entließ man ihn vorzeitig aus der Haft, und den Rest seines Lebens verbrachte er zurückgezogen in Budapest.

Literatur

Ki-kicsoda. Kortársak lexikona. Budapest [1937].
Kovács, Imre: Im Schatten der Sowjets. Zürich 1948.
Nagy, Ferenc: The Struggle Behind the Iron Curtain. New York 1948.
Vida, István: A Független Kisgazdapárt politikája (1944-1947). Budapest 1976.
Bölöny, Joszef: Magyarország kormányai. Budapest 1978.

Verfasser

Denis Silagi (GND: 1032871083)


GND: 119203340

Weiterführende Informationen: https://prometheus.lmu.de/gnd/119203340

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Empfohlene Zitierweise: Denis Silagi, Tildy, Zoltán, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 4. Hgg. Mathias Bernath / Karl Nehring. München 1981, S. 317-318 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1782, abgerufen am: (Abrufdatum)

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