Zinzendorf, Karl Graf, kaiserlicher Staatsmann, * Dresden 5.01.1739, † Wien 5.01.1813, Sohn des Grafen Friedrich Christian Z. aus dessen zweiter Ehe mit Sophie, geb. Gräfin Callenberg, und jüngerer Halbbruder des Grafen Ludwig Z. und der letzte Namensträger der Familie.
Leben
Nach einer strengen Erziehung begann Z. nach dem Tod seines Vaters 1757 das Studium der Rechte in Jena, das er bis 1760 fortsetzte, da sich eine Anstellung in Sachsen wegen des Krieges zerschlug. Im Januar 1761 reiste er zu seinem Bruder Ludwig nach Wien, wurde 1762 Rat im niederösterreichischen Commercien-Consess und trat nach langem Zögern 1764 zum Katholizismus über, da er als jüngster unversorgter Sohn im österreichischen Staatsdienst bleiben mußte. Im folgenden Jahr wurde er auch in den Deutschen Orden aufgenommen. Von 1763 bis 1775 bereiste er mit Ausnahme der Türkei ganz Europa im Auftrag Maria Theresias, um Möglichkeiten für den österreichischen Handel zu erkunden. Die durch lange Studien, eifrige Lektüre und Reisen erworbenen Kenntnisse konnte er als Gouverneur von Triest 1776 bis 1782 einsetzen, wo er sich um Handel und Hafen- und Straßenbau große Verdienste erwarb. 1782 wurde er Berater Josephs II. in Finanzangelegenheiten und Präsident der wieder selbständigen Hofrechenkammer.
Z. trat für physiokratische Theorien und für den Freihandel ein und geriet hier oft in Widerspruch mit dem merkantilistisch eingestellten Kaiser. Bemerkenswert ist Z.s Kampf gegen die Zwischenzollinie mit Ungarn und andere den Handel hemmende Einrichtungen. 1784 mußte er das Präsidium der Robotabolitions- und der Steuerregulierungshofkommission übernehmen und geriet dadurch in Konflikt mit der eigenen Gesellschaftsschicht, dem landständischen Adel. Seine Versuche, das überstürzte Steuerprojekt auf besser berechnete Grundlagen zu stellen und zu ergänzen, führten zum Konflikt mit dem Kaiser und zu Z.s Rücktritt von der Leitung dieser Kommissionen 1788. Nach der Aufhebung der Hofrechenkammer 1792 wurde Z. Staatsminister der inländischen Angelegenheiten. Durch seine Gutachtertätigkeit im Staatsrat konnte Z. im ganzen Bereich der Monarchie wirken. Bekannt wurde u. a. seine maßvolle Beurteilung der sogenannten Jakobinerverschwörung und sein Eintreten für einen geordneten Rechtsgang. Als Gegner des Kriegs mit Frankreich machte sich Z. in den folgenden Jahren zunehmend unbeliebter. 1800 wurde er Landmarschall von Niederösterreich und Landkomtur der Ballei Österreich des Deutschen Ordens.
Nach Auflösung des Staatsrats 1801 wurde er im folgenden Jahr Minister in der Staatskonferenz, erhielt aber erst 1808 als dirigierender Staats- und Konferenzminister eine wirklich führende Position, die er bis zu seinem Rücktritt 1809 nur kurze Zeit innehatte. Der von seinem Halbbruder Ludwig Z. geschulte unermüdlich tätige Mann konnte in seiner gemäßigt fortschrittlichen Gesinnung und seinem Freimut nie das volle Vertrauen des Kaisers Franz erringen. Seine minutiös genau geführten und lückenlos erhaltenen Tagebücher in 56 Bänden sind eine wertvolle Quelle für die Zeit, vor allem für die Kulturgeschichte.
Literatur
Pettenegg, E. Gaston Graf: Ludwig und Karl Grafen von Zinzendorf. Ihre Selbstbiographien. Wien 1879.
Walter, Friedrich: Geschichte der österreichischen Zentralverwaltung 1780-1792 und 1792-1848. Wien 1950, 1956. = Veröffentlichungen der Kommission für Neuere Geschichte Österreichs, 35. 42.
Silagi, Denis: Jakobiner in der Habsburger-Monarchie. Wien, München 1962. = Wiener Historische Studien. 6.
Wagner, Hans: Wien von Maria Theresia bis zur Franzosenzeit. Aus den Tagebüchern des Grafen Karl von Zinzendorf. Wien 1972 (mit Bibliographie).
Balázs, Éva H.: Karl von Zinzendorf et ses relations avec la Hongrie. Budapest 1975. = Studia Historica Academiae Scientiarum Hungaricae. 104.
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