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Beust, Friedrich Ferdinand Freiherr (ab 5.12.1868 Graf) von, sächsischer bzw. österreichisch-ungarischer Staatsmann, * Dresden 13.01.1809, † Schloß Altenberg bei Greifenstein (Niederösterreich) 24.10. 1886.
Leben
Als Leiter der sächsischen Außenpolitik und anerkannter Führer des „Dritten Deutschland“ - er war vom 24. Februar 1849 bis 16. August 1866 Außenminister des Königreiches Sachsen - war B. der entschiedenste Gegner der deutschen Politik Preußens. 1866 kämpfte und unterlag die sächsische Armee mit der Österreichs bei Königgrätz. Bismarck weigerte sich, mit B. einen Frieden zu schließen. Durch persönliche Vermittlung König Johanns von Sachsen nahm Kaiser Franz Joseph den Emigranten als Minister des Äußern in österreichische Dienste (30.10. 1866).
Die erste Aufgabe, die B. in seiner neuen Stellung zu lösen hatte, war der Abschluß des Ausgleiches mit Ungarn. Bei der Beurteilung dieser die Geschicke der Donaumonarchie nachhaltig bestimmenden innenpolitischen Neuordnung von 1867 wurde oft übersehen, daß der Ausgleich de facto bereits geschlossen war, bevor ihn B. de jure zur Durchführung brachte. B. war kein überzeugter Anhänger des Dualismus, sah jedoch zunächst in der Aussöhnung mit der Partei Deáks die einzige Möglichkeit, das Magyarentum einer vor allem auf die außenpolitische Stellung der Monarchie hin konzipierten Staatspolitik nutzbar zu machen. Die Gegnerschaft der föderalistisch orientierten, klerikal-konservativen Partei in Österreich und Böhmen galt im übrigen nicht so sehr dem Ausgleichspolitiker B., als vielmehr dem liberalen Protestanten, der die Verfassungspolitik des Bürgerministeriums Auersperg unterstützte und 1870 das österreichische Konkordat kündigte. Die verhängnisvollen Folgen des Ausgleiches stellten sich zudem erst ein, nachdem die Vorherrschaft der Magyaren in Trans- und die der Deutschen in Cisleithanien durch den Anschluß Österreich-Ungarns an das neue deutsche Kaiserreich außenpolitisch abgesichert war. Erst dann wurde der Ausgleich zum unüberwindlichen Hindernis für eine föderalistische Reichsreform. Ob B. einer solchen Reform grundsätzlich abgeneigt war, ob er vor allem den Ausgleich als endgültige Lösung des Staats- und Reichsproblems betrachtete, darf nach dem derzeitigen Stand der Forschung als offene Frage gelten. Wohl wirkte B. im Oktober 1871 am Sturz des föderalistischen Ausgleichsministeriums Hohenwart-Schäffle mit, kurz darauf aber - am 6. November - erhielt er selbst seine Entlassung; der ungarische Ministerpräsident Andrássy errang einen vollkommenen Sieg über B., der als Reichskanzler doch noch die Reichseinheit zu wahren getrachtet hatte und dessen Person der von Andrássy angestrebten engeren Verbindung mit dem Bismarck-Reich im Wege stand. Die neue, im Zweibundvertrag von 1879 schließlich vollendete außenpolitische Orientierung sicherte zwar für Österreich-Ungarn das innenpolitische System der deutsch-magyarischen Vorherrschaft, beschränkte aber auf weitere Sicht die Bewegungsfreiheit der Monarchie im Rahmen der europäischen Politik.
Die Wiedergewinnung und Erhaltung eben dieser Bewegungsfreiheit war das letzte Ziel der B.schen Außenpolitik gewesen. Als B. 1866 die Leitung der Wiener Außenpolitik übernahm, war er keineswegs vom Gedanken der Rache an Preußen beherrscht. Er befand sich mit dem Wunsch nach einer Vereinigung der süddeutschen Staaten als eines starken Gegengewichtes gegen den norddeutschen Bund auf dem auch von Preußen anerkannten Rechtsboden des Prager Friedens. Wohl war B. überzeugt, Preußen werde nicht an den österreichischen Grenzpfählen haltmachen, weil die einem deutschen Nationalstaat innewohnende Tendenz unweigerlich dazu drängen würde, die deutschen Provinzen der habsburgischen Monarchie an sich zu reißen, um ein großdeutsches Reich zu errichten. Nie aber warb B. offen um die Gunst Süddeutschlands, weil er berücksichtigte, daß die Slawen Österreichs eine Rückkehr der Monarchie nach Deutschland nicht begrüßt und die Magyaren einer Steigerung der Macht Deutsch-Österreichs sogar entgegengewirkt hätten. Innenpolitische Rücksichten bestimmten B.s Haltung letztlich auch in den diplomatischen Verhandlungen mit Frankreich. Die politische Zusammenarbeit mit Frankreich diente wohl auch dem Ziel, Österreich-Ungarns Stellung gegen Preußen zu stärken, sollte aber auch eine Sicherung gegen Rußland in der Orientpolitik bieten. Zu mehr als einer moralischen Entente und der formlosen Zusicherung wohlwollender Neutralität in einem Krieg Frankreichs mit Preußen war es in den österreichisch-französisch-italienischen Dreibundverhandlungen 1869/1870 nie gekommen. B. riet in Paris von einem Krieg gegen Preußen ab und entschied sich in der Juli-Krise des Jahres 1870 mit der Mehrheit des gemeinsamen Ministerrates der österreichisch-ungarischen Monarchie für eine Neutralitätspolitik. Selbst einer Annäherung an Preußen bahnte B. durch Gespräche mit Bismarck in Gastein den Weg. Nur eine Allianz mit Preußen lehnte er im Gegensatz zu seinem Rivalen Andrássy ab. Die Erfahrungen mit der Berliner Politik seit 1849 hatten in B. die Überzeugung gefestigt, daß eine solche Allianz nur zum Nachteil Österreich-Ungarns ausschlagen würde.
Sowohl in Österreich-Ungarn, wie vorher in Deutschland, war B. mit seinen Ideen nicht durchgedrungen. Als er 1887 in seinen Memoiren Rückschau über sein Wirken hielt, mußte er einsehen, daß er politisch gescheitert war; er glaubte aber daran festhalten zu dürfen, daß er letztlich im Recht gewesen sei. Die traditionelle deutsche und deutsch-österreichische Geschichtsschreibung fällte demgegenüber in annähernder Einstimmigkeit ein negatives Urteil über B.s politisches Wollen. Dieses Urteil scheint jedoch in dem Maße revisionsbedürftig als die Idee des nationalen Machtstaates, der B. unterlegen ist, als fragwürdig erkannt wird.
Literatur
Friesen, Richard Freiherr von: Erinnerungen aus meinem Leben. Bd 1-2. Dresden 1882(2) . Bd 3. Dresden 1910.
Beust, Friedrich Ferdinand Graf von: Aus drei Vierteljahrhunderten. Erinnerungen und Aufzeichnungen. 2 Bde. Stuttgart 1887.
Vitzthum von Eckstädt, Carl Friedrich Graf: Denkwürdigkeiten 1866 bis 1873. Dresden 1894.
Wertheimer, Eduard von: Graf Julius Andrássy. Sein Leben und seine Zeit. 3 Bde. Stuttgart 1910.
Grob, Ernst: Beusts Kampf gegen Bismarck. Turbenthal 1934.
Houston, Douglas William: The Negotiations für a Triple Alliance between France, Austria and Italy, 1869-1870. (Diss.) Pennsylvania 1959.
Potthoff, Heinrich: Die deutsche Politik Beusts von seiner Berufung zum österreichischen Außenminister Oktober 1866 bis zum Ausbruch des deutsch-französischen Krieges 1870/71. Bonn 1968. = Bonner Historische Studien. 31.
Schmitt, Hans A.: Count Beust and Germany, 1866-1870. In: Centr. Europ. Hist. 1 (1968) 20-34.
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