Boué, Ami (Amédée), österreichischer Geologe und Naturforscher, * Hamburg 16.03.1794, † Bad Vöslau (Niederösterreich) 21.11.1881, väterlicherseits aus einer ursprünglich in Bergerac an der Dordogne ansässigen Hugenottenfamilie, die nach Aufhebung des Ediktes von Nantes um 1705 nach Hamburg ausgewandert war; die Vorfahren seiner Mutter, einer geb. Chapeaurouge, stammten aus Straßburg.
Leben
B. studierte zunächst Medizin in Genf. 1814 begab er sich nach Edinburgh, wo er seine medizinischen Studien fortsetzte, dann aber unter den Einfluß des berühmten britischen Geologen Robert Jameson geriet, dessen Vorlesungen über Geologie und Mineralogie ihn stark beeindruckten und ihn zu geologischen Expeditionen in Schottland und auf die Hebriden anregten. 1817 promovierte er dennoch zum Doktor der Medizin. In den folgenden Jahren lebte er vorwiegend in Paris, wo er sich immer mehr der Geologie widmete. Er wurde einer der Mitbegründer der „Société Géologique de France“ (gegründet 1830), deren Präsident er 1835 wurde. Durch den frühen Tod seiner Eltern gelangte er in den Besitz eines größeren Vermögens, das es ihm ermöglichte, längere Reisen durch ganz Europa - vor allem durch Deutschland, Österreich und Südosteuropa - zu unternehmen. 1835 ließ er sich für dauernd in Wien nieder, wo er 1848 Mitglied der Akademie der Wissenschaften wurde.
Für die Südosteuropa-Forschung sind seine Reisen durch das damals naturwissenschaftlich noch kaum erforschte Innere der europäischen Türkei von größter Bedeutung. B. bereiste vor allem Kroatien und Serbien. Sein Werk über die europäische Türkei, worin er sich mit Geologie, Tier- und Pflanzenwelt, Meteorologie, historischer Geographie und Topographie, aber auch mit Archäologie sowie Trachten und Bräuchen der Bevölkerung der bereisten Gebiete befaßte, war bis Ende des 19. Jahrhunderts grundlegend für die Kenntnis des mitteleren und östlichen Balkanraumes. B. entdeckte auf einer seiner Reisen die Schwefelvorkommen bei Radoboj und wies auf die Erzreichtümer des Gebietes um Majdanpek hin. Von der Vielseitigkeit seiner Interessen zeugt auch die Tatsache, daß er ein Projekt über die Streckenführung zukünftiger Eisenbahnlinien in der europäischen Türkei entwickelte.
B. veröffentlichte 11 größere selbständige Arbeiten und über 300 Abhandlungen in deutscher, französischer und englischer Sprache. Es seien hier nur die wichtigsten über den südosteuropäischen Raum genannt: Aperçu sur la constitution géologique des Provinces Illyriennes (Paris 1835); Géologie de l’Illyrie, de l'Istrie, de la Styrie méridinonale et d’une partie de la Croatie (Paris 1837); Dépots de calcaire siliceux d’eau douce sur les plateaux crétacés du S.-E. de la Bosnie (Paris 1839); La Turquie d’Europe (4 Bde, Paris 1840; deutsche Ausgabe in 2 Bden, Wien 1889); Sur l’établissement de bonnes routes et surtout de chemins de fer dans la Turquie d’Europe (Wien 1852); Recueil d’intinéraires dans la Turquie d’Europe (Wien 1854); Sur les mines de Maidan Pek (Paris 1855); Note sur la géologie de l’Herzégovine, de la Bosnie et de la Croatie turque (Paris 1859).
Literatur
Catalogue des oeuvres, travaux, mémoires et notice du Dr. Ami Boué. Wien 1876.
[Boué, Ami:] Autobiographie du Docteur médecin Ami Boué. Wien 1879.
Freh, Wilhelm: Ami Boué. Ein Pionier der geologischen Forschung in Oberösterreich. In: Oberösterr. Heimatbl. 4 (1950) 178-180.
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