Abdülhamid I., osmanischer Sultan 1774-1789, * Istanbul 20.03.1725, † ebd. 7.04.1789, Sohn Sultan Ahmeds III.
Leben
Aus den Prinzengemächern des Serail, durch 43 Jahre der Isolierung geistig und körperlich erschlafft, kam A. als friedfertiger, wohlwollender und frommer Mann am 21. Januar 1774 auf den Thron. An der Herrschaft nicht uninteressiert, verstrickte er sich jedoch in kleinliche Betriebsamkeit. Seine Entscheidungen, die vor allem personeller Art waren, blieben von seiner Umgebung abhängig. Bei Ernennungen nicht selten glücklich, offenbaren die Absetzungen seine Schwäche in den Intrigen der Parteienkämpfe. Sein fähigster Großwesir, Halil Hamid Pascha, der das Reich durch Militärreformen nach westlichem Muster zu stärken suchte, sprach sein Urteil über ihn durch einen Umsturzplan zugunsten des Prinzen Selim (III.).
Die Lage des Reiches war katastrophal: Der Krieg gegen die Russen (1768-1774) spielte sich nun schon in Bulgarien ab, hatte den Staatsschatz ausgezehrt und zu einer Finanzkrise geführt. Aufstände in zahlreichen Provinzen, durch welche auch Truppen und Einkünfte ausblieben, schwächten das Reich und die Kriegsführung. Mangelnde Erfolge demoralisierten die Armee und die Bevölkerung. Anmaßend lehnte der Sultan ein Verhandlungsangebot der mit dem Pugatschow-Aufstand beschäftigten Katharina II. ab. Erst ein entscheidender Sieg der Russen bei Kozluca zwang zum Frieden, den die Russen in Küçük Kaynarca (21.07.1774) diktierten. Er regelte wenig, verlängerte Konflikte und schuf neue. So ist er kein Epocheneinschnitt, sondern eine Episode in der russisch-türkischen Auseinandersetzung. Vor allem die Unabhängigkeit der Krim war den Russen zu wenig, den Türken zu viel. Die etwas dunklen Bestimmungen über ein geistliches Schutzrecht der Zarin über die Orthodoxen und des Sultans über die Muslime bot vielfache Möglichkeit zu Übergriffen beider Seiten, nicht nur auf der Krim.
Die offenbare Schwäche des Reiches nutzten die Perser, um in Kurdistan einzumarschieren (1774), und die Österreicher um die Bukowina zu okkupieren (1775). Um kein Teilungsobjekt nach polnischem Muster zu werden, mußte im Innern Ordnung geschaffen werden, mußte vor allem die Finanzmisere beseitigt werden. Die Maßnahmen gegen die Aufständischen und Rebellen vor allem in Syrien, Ägypten, Griechenland und dem Irak führten teils zu Erfolgen, teils zu Kompromissen, indem man die Rebellen offiziell bestallte. In diesen Kämpfen tat sich der Kapudan Hüseyin Pascha besonders hervor. Seine Reform der Flotte war die erfolgreichste der Militärreformen. Ihn stützte der Sultan Zeit seines Lebens gegen alle Verdächtigungen. Eine entscheidende Finanzreform scheiterte an der Versteinerung der Wirtschafts- und Sozialstruktur.
Die Ulema waren die Nutznießer der Schwäche des Staates. Bildung, Reichtum, Einfluß und Geschlossenheit machte sie aber gleichzeitig zum bestimmenden Faktor der Politik dieser Jahre. Als daher Derendeli Mehmed Pascha die frommen Stiftungen und die Einkommen der Ulema im Interesse der Staatskasse anzutasten versuchte und überdies noch Auswüchse in der Janitscharenbesoldung abstellen wollte, konnte er sich gegen solche Gegner trotz seiner Popularität beim Volk auf die Dauer nicht durchsetzen. Die Krim wurde nach 1774 ein Schauplatz ständiger Reibereien und Spannungen. Osmanischerseits vertraten in erster Linie die Ulema den Anspruch auf die Krim, denn nach islamischem Recht und Empfinden durften Muslime nicht unter christliche Herrschaft geraten. Nichtsdestoweniger mußte die Pforte die Konvention von Aynalı Kavak (1779) und selbst die russische Besetzung der Krim (1783) erdulden und sanktionieren. Als aber Katharina II. zur Verwirklichung ihres „Griechischen Projektes“, das ihren Enkel auf einen griechischen Thron möglichst in Konstantinopel führen sollte, um eine Allianz mit Joseph II. warb, und als es im Kaukasus anläßlich eines islamischen Aufstandes zur Konfrontation gekommen war, entschloß sich die Pforte zum Krieg (1787). Österreich trat an die Seite Rußlands (1788), Schweden an die der Osmanen. Anfängliche Erfolge gegen Österreich konnten nicht über den Mißerfolg gegen die Russen hinwegtäuschen, und als schließlich die Nachricht vom Falle des belagerten Očakov eintraf, erlitt der anfällige Sultan einen Schlaganfall, an dessen Folgen er starb.
Literatur
Zinkeisen: Bde 5-6. Meḥmed Şâdiq, Zaᶜîmzâde: Vaqᶜa-i Ḥamîdîye. Istanbul 1872.
Gevdet: Ta’rîḫ. Bde 2-4. Istanbul 1892.
Noradounghian, Gabriel: Recueil d’Actes Internationaux de l’Empire Ottoman. Bd 1. Paris 1897.
Jorga: Bd 5.
Fekete, Lajos: Podarki Sultana Abdulchamida I Imperatrice Ekaterine II. In: Acta Orient. Hung. 2 (1952) 1-22.