Deák, Ferenc, ungarischer Reformpolitiker und Staatsmann, * Söjtör (Komitat Zala) 17.10. 1803, † Budapest 28.1.1876, aus einer mitteladeligen Familie.
Leben
Nach Abschluß seiner Studien an der Rechtsakademie zu Raab und Ablegung der Advokatenprüfung, trat D. - den Traditionen seiner Familie folgend - in den Dienst seines Komitates Zala (Westungarn) und bekleidete bald den Posten eines zweiten Vizegespans. 1833 wurde D. hier einstimmig per Akklamation zum liberalen Ablegaten gewählt und als solcher schaltete er sich in Preßburg in die nationale Politik ein. Auf dem Preßburger Landtag 1832/1836 war die liberale Opposition im Begriff, sich in eine einheitliche politische Partei umzuwandeln, wobei ihr D.s Geschick und später dessen besonders berühmt gewordenes Vermittlungstalent weitgehend behilflich waren. Auf dem 1839/1840er Landtag galt D. bereits als anerkannter Führer der Opposition, der sich ständig für deren Einheit einsetzte (vgl. seinen Rechenschaftsbericht, den er zusammen mit Károly Hertelendy, dem zweiten Ablegaten des Komitates, verfaßte: Követjelentés az 1839-40-iki országgyűlésről, Pest 1842). Auch das einheitliche Programm beider Flügel der Liberalen, das auf dem 1847/1848er Landtag die Grundlage der Reformen und der neuen Verfassung Ungarns bildete, wurde im wesentlichen von D. ausgearbeitet.
Als Ablegat der erwähnten ständischen Landtage kämpfte D. in erster Linie für die Urbarialablösung, die Bauernbefreiung, die Rede- und Gewissensfreiheit, die staatsbürgerliche Gleichberechtigung, gegen die Privilegien des Adels und die großen Fideikommisse. Als Vorsitzender der vom 1839/1840er Landtag gewählten Kommission für die Ausarbeitung des Entwurfes eines Strafgesetzbuches (1841-1843) verlangte er die Abschaffung der Züchtigungs- und der Todesstrafe, die Beseitigung der patrimonialen Gerichtsbarkeit und die Gleichheit vor dem Gesetz. Es war auf dem 1839/1840er Landtag hauptsächlich seiner Politik des passiven Widerstandes zu danken, daß 1840 ein Ausgleich zwischen dem Hof und dem Reichstag zustande kam: die politischen Gefangenen wurden befreit, der König versprach die Einhaltung der Verfassung. In seiner bald im ganzen Lande bekannt gewordenen mutigen Rede vom 14. August 1839 betonte er: Das Vertrauen zwischen König und Nation könne sich nur auf die gegenseitige Achtung der Rechte stützen. Seine konsequente Haltung in allen grundsätzlichen Fragen, die für ihn während seiner langen politischen Laufbahn immer charakteristisch war, zeigte sich zum ersten Male nach den Wahlen 1843. Als Vorkämpfer für die allgemeine Steuerpflicht und die Sauberkeit der Wahlen legte er wegen Wahlmißbräuchen und der großen Zahl der Anhänger der Steuerfreiheit des Adels das Mandat seines Komitats nieder, da er nicht bereit war, nach den Instruktionen der Komitatsversammlung zu handeln. Auf und nach dem 1839/1840er Landtag rückte er von Graf István Széchenyi immer mehr ab und nahm eine Zeitlang am politischen Kampf auf Lajos Kossuths Seite teil. So rief er in seiner berühmten Rede vom 9. Februar 1845 die Nation auf, den Kossuthschen „Schutzverein“ zur Förderung der ungarischen Industrie zu unterstützen.
Auf dem letzten ständischen Landtag vertrat D. vom 20. März 1848 an sein Komitat und wurde zu einem der einflußreichsten Befürworter und Schöpfer der im April Gesetzeskraft erlangten Reformen.
In der Batthyány-Regierung (7.04. bis 2.10. 1848) war D. Justizminister, nachher verblieb er Mitglied des ersten sich auf eine Volksvertretung stützenden Reichstages. In der Regierung wie auch im Reichstag bemühte er sich erfolglos, ein Gegengewicht zu Kossuth zu schaffen und ihn zu mäßigen, ferner eine friedliche Lösung mit dem Hof herbeizuführen. Er war Mitglied der Friedensdelegation des Reichstages an Alfred Fürst zu Windischgraetz, dessen Forderung nach bedingungsloser Kapitulation (3.1. 1849) D. jedoch entschieden ablehnte. Er zog sich daraufhin vom politischen Leben zurück, folgte nicht dem Reichstag nach Debreczin und lebte bis 1854 auf seinem Besitz in Kehida.
In der Folgezeit entwickelte sich D. - nunmehr in Pest lebend - zum Symbol des passiven Widerstandes gegen Wien. Auf der Judex-Curial-Konferenz (Januar bis März 1861) verlangte er die restitutio in integrum, die Gültigkeit der 1848er Gesetze. Er war 1861 Gründer und Führer der Adreßpartei (Felirati párt), die die Wahlen in den „Rumpfreichstag“ (6.04. bis 22.08.1861) gewann. Sein politisches Bekenntnis, sein Festhalten an der Idee der Unabhängigkeit und der 1848er Verfassung drückte D. in der von ihm verfaßten zweiten Reichstagsadresse (8.08.1861) aus: „Was Gewalt und Macht rauben, können Zeit und Glück wiederherstellen; die Wiedererringung dessen aber, worauf die Nation ... selber verzichtet hat, ist immer schwierig und fraglich.“ Die gegensätzliche Auffassung, die „Gesamtstaatstheorie“, wurde 1863 vom Wiener Professor Wenzel Lustkandl formuliert; D. versuchte dessen Beweisführung zu widerlegen durch sein Werk „Ein Beitrag zum ungarischen Staatsrecht, Bemerkungen über Wenzel Lustkandl's ,Ungarisch-österreichisches Staatsrecht'“ (Pest 1865).
Die nach D. benannte Partei erntete bei den Wahlen 1865 einen imposanten Sieg, und im sicheren Besitz der Majorität setzte sich D. energisch für sein Lebenswerk, den Ausgleich zwischen Nation und König, ein. Er leitete die Idee des Dualismus von der „Pragmatischen Sanktion“ (1723) ab und war bereit, die 1848er Gesetze im Hinblick auf die andere Reichshälfte zu ergänzen bzw. in einigen Details zu ändern. Nach 1867 konzentrierte er sich neben einigen liberalen Reformen auf die Verteidigung des Ausgleichs und des Dualismus, weshalb er sowohl von rechts als auch von links angegriffen wurde. Er erlebte 1875 das Ende der „Deákpartei“, welche sich nach dem ersten Aufschwung und nach dem Verzicht auf Reformen auf die Defensive beschränkte. In seiner letzten großen Parlamentsrede am 28. Juni 1873 äußerte sich D. für eine „freie Kirche im freien Staat“.
D.s historisches Verdienst besteht darin, daß er der ständischen Gravaminalpolitik ein Ende setzte und dadurch die materielle und geistige Entwicklung Ungarns ermöglichte. Er war ein bescheidener Politiker, der nie hohe Ämter anstrebte und bekleiden wollte. Seine mit großem Taktgefühl geführte Vermittlungspolitik brachte ihm den Namen eines „Weisen des Vaterlandes“ (a haza bölcse) ein.
D.s Reden wurden 1882-1898 in 6 Bänden von Manó Kónyi herausgegeben. Seine Briefe erschienen 1890 im 2. Band eines Erinnerungswerkes, dessen 1. Band eine Sammlung von Gedanken D.s enthält (Deák Ferenc emlékezete, Budapest 1889/90).
Literatur
Csengery, Antal: Deák Ferencz emlékezete. Budapest 1877.
Pulszky, Ferencz: Deák Ferencz. Budapest 1879.
Gyulai, Pál: Emlékezés Deák Ferenczre. Budapest 1896.
Eötvös, Károly: Deák Ferencz és családja. 2 Bde. Budapest 1904.
Ferenczi, Zoltán: Deák élete. 3 Bde. Budapest 1904.
Wlassics, Gyula: Deák Ferenc. Budapest 1923.
Dányi, Károly: Kossuth és a Deák-párt hírlapi vitája 1867-ben. Kolozsvár 1941.
Szabad, György: Forradalom és kiegyezés válaszútján. Budapest 1967.
Király, Béla K.: The Young Ferenc Deák and the Problem of the Servs 1824-1836. In: Südost-Forsch. 29 (1970) 91-127.