Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

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Džabić, Ali Fehmi

Džabić, Ali Fehmi, Mufti von Mostar, Führer der autonomistischen Bewegung der bosnisch-herzegowinischen Muslime, * Mostar 1853, † Istanbul 5.08.1918.

Leben

Dž. erhielt seine theologische Ausbildung in Mostar, wo er auch 1884 zum Mufti ernannt wurde. Bald stand er hier an der Spitze einer muslimischen Bewegung, die die Übernahme ihrer konfessionellen und Schulangelegenheiten in die Selbstverwaltung zum Ziele hatte. Seit der Okkupation im Jahre 1878 fühlte sich das muslimische Element in Bosnien in seiner religiösen Existenz bedroht. Als sich durch den seelsorgerischen Eifer des Erzbischofs von Sarajevo, Josip Stadler (1843-1918), Anzeichen einer verstärkten missionarischen Tätigkeit unter den Muslimen zu häufen begannen und 1899 ein mit Katholiken befreundetes muslimisches Mädchen spurlos verschwand, schlug eine Welle der Empörung durch das Land. Unter diesem Vorzeichen wurde in der herzegowinischen Hauptstadt Mostar eine Volksversammlung abgehalten, die mit der Bildung eines Aktionskomitees endete. Die Aufgabe dieser Körperschaft war es, durch energische Vorstellungen bei den Behörden in Zukunft allen etwaigen Übergriffen auf den Islam Einhalt zu gebieten. Zum Vorsitzenden des Aktionskomitees wurde Dž., ein eher stiller und zurückgezogener Gelehrter, gewählt. Aus diesen Anfängen entstand bald danach eine Massenbewegung, deren Bestrebungen sich immer mehr zu der Forderung verdichteten, die durch die Konvention von Novi Pazar vom 27. Juli 1879 dem Sultan in Istanbul zugestandenen Souveränitätsrechte de facto anzuerkennen und den Muslimen in ihren Kultus- und Schulangelegenheiten sowie in der Verwaltung der Stiftungs- und Unterrichtsfonds (vakıf und maarif) eine Autonomie zu gewähren. Durch die Zusammenarbeit mit der serbisch-orthodoxen Bewegung um die Kirchen- und Schulautonomie (1893-1905) erhielt Dž.s Aktion weitere politische Akzente. Diese verstärkten sich, als eine Reihe jüngerer serbisch orientierter Elemente die Bewegung zu unterwandern versuchte. So wurde Dž. für die Landesregierung zu einer gefährlichen Figur des Widerstandes und wurde 1900 seines Postens als Mufti enthoben. Zwei Jahre später (1902), als er sich in Begleitung einer Delegation nach Istanbul begab, um gegen das Verhalten Österreich-Ungarns in Bosnien Beschwerde zu führen, wurde er zum illegalen Auswanderer erklärt und ihm ein Wiederbetreten des bosnischen Bodens verboten. Von nun an lebte er in Istanbul als Universitätsprofessor für Arabistik und als freier Gelehrter. Nach Dž.s Abgang gelangte die Bewegung völlig unter die Kontrolle der Landbesitzer, der Beys, die die Landesregierung beschuldigten, zur Förderung des islamischen Religions- und Kulturlebens nichts beigetragen zu haben; so generell kann man das indes nicht behaupten: in manchen Sparten der Vakıf-Verwaltung und des konfessionellen Unterrichtswesens kam es zu nicht unbeträchtlichen Verbesserungen.
Von der südslawischen nationalen Warte aus gesehen, hat die Dž.-Bewegung zu einer Stärkung des muslimischen ethnischen Bewußtseins beigetragen. Ihr Ergebnis war die 1909 ins Leben getretene islamische Kultusautonomie. In Bezug auf die Verbindungen zu Istanbul konnte die Vereinbarung erreicht werden, daß der Reis ül-Ulema, das religiöse Oberhaupt der bosnischen Muslime, sein Amt erst antreten durfte, nachdem er die geistlichen Vollmachten vom Schejch ül-Islam erhalten hatte.
Dž.s geistiger Rang konnte erst im Istanbuler Exil richtig zum Ausdruck kommen. Als Arabist erlangte er Weltruf. Mehmed Akif, der Dichter der türkischen Nationalhymne, beschreibt ihn als einen der größten Gelehrten im damaligen Orient.
Die Annexion von 1908 veranlaßte ihn, durch eine Kampfschrift in arabischer Sprache noch ein letztes Mal gegen die Monarchie ins Feld zu ziehen. Gegen Ende des Ersten Weltkrieges, noch bevor er den Sturz des Habsburger Reiches, auf den er so intensiv hingearbeitet hatte, erleben konnte, ereilte ihn der Tod.

Literatur

[Kállay, Benjámin:] Die Lage der Mohammedaner in Bosnien. Wien 1900(2).
Hadžić Osman-Nuri: Muslimanska versko-prosvetna autonomija u Bosni i Hercegovini i pitanje carigradskog halifata. Povodom 25-godišnjice Džabićevog pokreta. In: Brastvo 19 (1925) 217-248.
Džabića pokret i daljni razvoj političkih prilika. In: Spomenica dvadesetipetogodišnjice Gajreta. 1903-1928. Sarajevo 1928, 43-54.
Alikalfić, Mustafa: Džabićev pokret. In: Glasn. jug. Prof. Društ. 17 (1936/37) 912-917.
Skarić, Vladislav, Osman Nuri-Hadžić, Nikola Stojanović: Bosna i Hercegovina pod austrougarskom upravom. Beograd 1938.
Mehinagić, Ibrahim: U spomen velikom merhumu Ali Fehmi-efendiji Džabiću. In: Glasnik Vrhovnog Islamskog starješinstva u FNR Jugoslaviji 7 (1956) 22-30.
Hauptmann, Ferdo: Borba muslimana Bosne i Hercegovine za vjersku i vakufsko-mearifsku autonomiju. Sarajevo 1967.

Verfasser

Smail Balić (GND: 120362201)


GND: 1117500152

Weiterführende Informationen: https://prometheus.lmu.de/gnd/1117500152

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Empfohlene Zitierweise: Smail Balić, Džabić, Ali Fehmi, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 1. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1974, S. 451-453 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=771, abgerufen am: (Abrufdatum)

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