Eckhart, Ferenc (Franz), ungarischer Historiker, * Arad 18.11.1885, † Budapest 28.07.1957.
Leben
E. ging nach seinem Studium nach Wien, wo er zunächst drei Jahre im „Institut für österreichische Geschichtsforschung“ verbrachte. Anschließend arbeitete er im Wiener Hofkammerarchiv. Bereits in seinen ersten Publikationen zeigte sich sein doppeltes Interesse: einerseits für die Wirtschaft, andererseits für die Rechtsgeschichte. 1919, zur Zeit der Räterepublik, bereitete E. als Mitglied der Wiener Botschaft die durch die Auflösung der Monarchie bedingte Rückführung der ungarischen Archivbestände mit vor. Er setzte diese Arbeit in den 1920er Jahren als Ministerialrat im ungarischen Außenministerium fort. Er wurde Mitarbeiter, später stellvertretender Direktor, dann 1928 - für kurze Zeit - Direktor des „Ungarischen Historischen Instituts“ zu Wien. 1929 wurde er schließlich zum Professor für Rechtsgeschichte an der Universität in Budapest ernannt. 1943-1945 war E. Redakteur der wichtigsten ungarischen historischen Zeitschrift, der „Századok“, 1946-1948 Vorsitzender der „Ungarischen Historischen Gesellschaft“. Am Anfang der 1950er Jahre trat er als Historiker in den Hintergrund, behielt aber seinen Lehrstuhl an der Universität bis zum Tode.
E. war Mitglied jener Historikergeneration, die nach einer gründlichen Fachausbildung in der Heimat und im Ausland der sich in Ungarn in den Sozialwissenschaften ausbreitenden Laienhaftigkeit entgegentrat. Seine Arbeiten zeichnen sich durch eine genaue Quellenkritik, ein immenses Beweismaterial, eine europäische Perspektive und eine geistreiche Vortragsweise aus. Weil er gegen einige Geschichtstheorien, nationalistische Konstruktionen der chauvinistisch-gemeinadeligen Rechtsauffassung in offener Diskussion sehr entschieden Stellung bezog, sah er sich seit Beginn der 1930er Jahre in den Mittelpunkt großer fachlicher und politischer Diskussionen gestellt. Besonders seine Kritik an der sog. Lehre von der heiligen Krone in einem von Bálint Hóman herausgegebenen Sammelband (A magyar történetírás új útjai, Budapest 1931) brachte ihn in Gegensatz zum offiziellen Ungarn. Unter Miklós Horthy erhielt diese Lehre eine besondere Ausprägung; indem die „heilige Krone“ zum Urquell allen Rechtes deklariert wurde, sollte sie den legitimistischen Interessen und dem Revisionismus dienen und letztlich seinen eigenen Herrschaftsanspruch ideologisch untermauern.
Wie einen großen Teil der Historiker nach 1919, beschäftigten auch E. die Fragestellungen der geisteswissenschaftlichen Auffassung, einen Einfluß auf ihn übten aber eher die deutschen Wirtschaftshistoriker und Nationalökonomen sowie die mit gründlicher Quellenkritik arbeitenden Professoren des „Instituts für österreichische Geschichtsforschung“ aus. Wenngleich er die Wirtschaftspolitik des Wiener Hofes im 18. Jh. ein wenig aus voreingenommenem „ungarischen“ Blickpunkt her behandelt, sind diese wegen der Fülle der darin enthaltenen Angaben und der Präzision der Quellenaufbereitung bis heute gut zu gebrauchen.
Die wichtigsten Werke E.s sind: „A magyar alkotmányfejlődés“ (Die Entwicklung der ungarischen Verfassung, 1931), „Magyarország története“ (Die Geschichte Ungarns, 1933; engl. London 1931, franz. Paris 1932), „A Szentkorona-eszme története“ (Die Geschichte der Idee von der heiligen Krone, 1941), „Magyar alkotmány- és jogtörténet“ (Ungarische Verfassungs- und Rechtsgeschichte, 1946), „A földesúri büntetőbíráskodás a XVI-XVII. században“ (Die gutsherrliche Strafgerichtsbarkeit im 16.-17. Jh., 1954), „A bécsi udvar gazdaságpolitikája Magyarországon 1780-1815“ (Die Wirtschaftspolitik des Wiener Hofes in Ungarn 1780-1815, 1958), sämtliche mit Verlagsort Budapest.
Literatur
Bónis, György: Ferenc Eckhart. In: Z. Savigny-Stift. Rechtsgesch. Germanist. Abt. 75 (1958) 596-600 (mit Bibliographie).
Magyar jogtörténetírás a Horthy-korban. In: Századok 103 (1969) 911-917.
Kardos, József: Az Eckhart-vita és a szentkorona-tan. In: Századok 103 (1969) 1104-1117.