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Ebusuud Efendi (auch Hoca Çelebi genannt), osmanischer Schejch ül-Islam 1545- 1573, * Iskilip 30.12.1490, † Istanbul 23.08.1573, entstammte einer Familie von Gelehrten und Sufis.
Leben
Nachdem E. bei seinem Vater und anderen Lehrern eine gründliche Ausbildung erhalten hatte, schlug er die Ilmiye-Laufbahn ein: 1516 trat er ein erstes Amt als Müderris in Inegöl an, später lehrte er an Medresen in Gebze, Bursa und Istanbul. Als erstes Kadi-Amt wurde ihm 1533 Bursa übertragen, dann, noch im selben Jahr, Istanbul. Während des Feldzuges gegen Korfu ernannte ihn Süleyman I. zum Kadiasker von Rumelien (1537). Acht Jahre versah E. dieses Amt, das ihn auch während der Feldzüge an die Seite des Sultans verpflichtete, dann kam die Ernennung zum Schejch ül-Islam (1545).
Seine außergewöhnlichen Kenntnisse, seine Arbeitskraft, seine Kompetenz in allen Ämtern und sein zurückhaltendes, würdevolles Auftreten hatten ihm das Vertrauen und die freundschaftliche Zuneigung des Sultans gewonnen; auf dieser Basis begann eine gemeinsame Bemühung, die Süleyman I. schließlich den Beinamen „der Gesetzgeber“ (Kanunî) eintrug. Zugrunde lag die Absicht - die auch verwirklicht wurde - den Kanun, das vom Sultan erlassene Recht, mit dem Scheriatrecht, dem heiligen Recht des Islam, in Übereinstimmung zu bringen. Schon als Kadiasker hatte E. im Auftrage des Sultans die Bodenrechts-Kanune des eben einverleibten Ofen sowie die von Saloniki und Skopje erarbeitet bzw. neu gefaßt. Die Fetwas, die er nun als Schejch ül-Islam auf Verlangen abgab, waren von solch grundlegender Bedeutung, daß sie teilweise direkt in das Gesetzeswerk Süleymans eingingen, teilweise zu handbuchartigen Sammlungen zusammengestellt wurden. Dabei erwies sich E. keineswegs als reiner Theoretiker; brennende Fragen, die ihm einen Ermessensspielraum ließen, entschied er häufig im Interesse des Gemeinwohls und der öffentlichen Ordnung nach dem allgemeinen Usus, so, als er das Entgelt für religiöse Dienste, die Stiftung von Bargeld und beweglichen Gütern, den Kaffeegenuß und die Karagöz-Spiele legalisierte. Die Kadis verpflichtete er, auch hier vom Ordnungsgedanken geleitet, bei der Anwendung des Scheriatrechtes die Direktiven des Sultans zu befolgen. Sein Verhältnis zu den Derwischen war nicht unfreundlich gegen Gemäßigte, aber unbarmherzig gegen scheriat-feindliche, ordnungsgefährdende Radikale. E. mißbrauchte seinen großen Einfluß nicht zu Übergriffen in die Politik, was ihm die Wertschätzung der Großen einbrachte, deren Wohlwollen und Vertraulichkeit ihm fast allzusehr angelegen war. Nichtsdestoweniger erteilte er auch Fetwas von politischer Tragweite, wenn er das Töten von Yeziden, die Hinrichtung des Prinzen Bayezid und den Angriff auf Zypern für legal erklärte. Unter Süleymans Sohn Selim II. starb E. hochbetagt im Amte, als Mufti und Korankommentator weithin berühmt und betrauert.
Literatur
Horster, Paul: Zur Anwendung des Islamischen Rechts im 16. Jahrhundert. Die „juristischen Darlegungen“ (ma‘rûżât) des Schejch ül-Islam Ebû Su‘ûd (gest. 1574) herausgegeben, übersetzt und untersucht. Stuttgart 1935. = Bonner Orientalistische Studien. 10.
Bayṣun, M. Cavid: Ebüssu’ûd Efendi. In: Islam Ansiklopedisi. Bd 4. Istanbul 1948, 92-99.
Seile, Friedrich: Prozeßrecht des 16. Jahrhunderts im Osmanischen Reich. Auf Grund von Fetwas der Scheichülislame Ebussuud und anderer unter der Regierung des Sultans Süleiman des Prächtigen. Wiesbaden 1962. = Schriften der Max Freiherr von Oppenheim-Stiftung. 5.
Atsız: Istanbul Kütüphaneleri Göre Ebussuud Bibliyografyası. Süleymaniye Kütüphanesi Yayınları 2. Istanbul 1967.
Düzdag, Mehmet Ertuğrul: Şeyhülislâm Ebussuud Efendi Fetvaları Işıgında 16. Asır Türk Hayatı. Istanbul 1972.
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