Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Fishta, Gjergj
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Fishta, Gjergj

Fishta, Gjergj, O.F.M., albanischer Dichter und Politiker, * Fishta (Zadrima) 23.10. 1871, † Skutari 30.12.1940.

Leben

Für seinen Lebensweg entscheidende Impulse erhielt F. schon in den Franziskanerschulen von Skutari und Troshani (Mirdita): Pater de Martini, selbst literarisch tätig, weckte F.s Neigung zu Sprachen und Literatur und regte ihn an, Franziskaner zu werden. Um seine philosophischen und theologischen Studien abzuschließen, ging F. 1886 - einer alten albanischen Franziskanertradition folgend - nach Bosnien (Sutjeska und Livno). 1894 zum Priester geweiht und in den Orden aufgenommen, kehrte er in seine nordalbanische Heimat zurück, in der er dann zeitlebens im Dienste seines Ordens und seines Landes wirkte und seinem dichterischen Schaffen lebte.
Zunächst Lehrer am Franziskanerkolleg in Troshani, dann Pfarrer in Gomsiqe (Mirdita), übernahm er 1902 die Direktion der Franziskanerschule in Skutari. Begeisterten Anteil nahm er an den im letzten Viertel des 19. Jh.s von patriotisch gesinnten Albanern der Diaspora ausgegangenen Bestrebungen, vor allem durch publizistische und literarische Tätigkeit das Nationalbewußtsein der Albaner zu fördern. Namentlich die Sprachfrage ließ er sich angelegen sein. Schon 1899 hatte er in Skutari - also im Lande selbst - zusammen u. a. mit dem Mirditenabt Preng Doçi die Gesellschaft „Bashkimi“ (Die Einheit) gegründet, die sich um ein albanisches Einheitsalphabet und um die Schaffung von Schulbüchern bemühte und 1908 ein - noch heute wertvolles - albanisch-italienisches Wörterbuch veröffentlichte. F. war es, der seit 1902 an der Franziskanerschule von Skutari statt des Italienischen das Albanische als Unterrichtssprache einführte, in Albanien der erste Schritt in dieser Richtung. 1908 auf dem der Alphabetfrage geltenden Kongreß von Monastir trug F. wesentlich zu der - noch heute gültigen - Entscheidung für ein lateinschriftliches Alphabet („Monastirer Alphabet“) bei.
Als Albanien 1912 seine Unabhängigkeit gewonnen hatte und, wenn auch durch die Kriegswirren gehemmt, an die Ordnung seiner inneren Verhältnisse ging, packte F. Aufgaben der Bildung und der Kultur mit unverminderter Tatkraft an. 1913 begründete er das Organ der albanischen Franziskaner, „Hylli i Dritës“ (Der Stern des Lichts), das Literatur, Geschichte und Volkskunde pflegte, aber auch die weltpolitische Lage verfolgte. Von 1916 bis 1918 leitete er die in Skutari erscheinende Zeitung „Posta e Shqypniës“ (Die Albanienpost). Maßgeblichen Einfluß hatte er in der von 1916 bis 1918 arbeitenden „Komisija Letrare“ (Literarische Kommission), die sich mit der Frage der albanischen Schrift- und Amtssprache und mit einer Regelung der Orthographie befaßte, vermochte allerdings seine Absicht, diese Sprache auf Grundlage des Skutariner Dialektes zu normieren, verständlicherweise nicht durchzusetzen. Während all dieser Jahre förderte er den Ausbau seiner alten Franziskanerschule, die schließlich 1921 zum Lyzeum Illyricum erweitert wurde.
Nach dem Ersten Weltkrieg trat F. auch auf die politische Bühne. 1921 war er Deputierter im ersten albanischen Parlament, zu dessen Vizepräsident er gewählt wurde. Außenpolitisch war er schon 1919 als Generalsekretär der albanischen Delegation auf der Pariser Friedenskonferenz hervorgetreten und als Mitglied einer Sonderkommission nach Washington entsandt worden. Jahre später gehörte er zu den Delegierten Albaniens auf den Balkankonferenzen zu Athen (1930), Sofia (1931) und Bukarest (1932). Danach ging er wieder ganz im Dienst für seinen Orden auf. Von 1935 bis 1938 versah er das Amt eines Provinzials der albanischen Franziskanerprovinz.
F.s Leben, das äußerlich gleichmäßig und ungestört verlief, war reich an stiller geistiger Arbeit. Schon frühzeitig trat er, anfangs noch anonym, durch sein literarisches Schaffen hervor, dessen besondere Stärke in der Epik lag. Inspiriert von südslawischer Dichtung, vor allem von Grga Martić und Njegoš, und stark beeinflußt von dem ihm vertrauten volkstümlichen nordalbanischen Heldengesang, schuf er in über drei Jahrzehnten das Großepos „Lahuta e Malcís“ (Die Laute des Hochlandes, deutsch von Max Lambertz, München 1958), das in dreißig Gesängen den Freiheitskampf der Albaner von 1858 bis 1912 besingt und auf dem Hintergrund der patriarchalischen Lebensverhältnisse der Nordalbaner die entscheidende, in die Gegenwart überleitende Epoche der albanischen Nationalgeschichte dichterisch gestaltet. Das Werk, 1905 begonnen, dann zielbewußt weitergeführt, in umgearbeiteter und endgültiger Fassung 1937 zum 25. Jahrestag des albanischen Staates vorgelegt, darf als bedeutendstes albanisches Literaturwerk gelten und trug F. - ungeachtet der Ächtung, die ihm aus politischen Gründen später widerfuhr - den Rang des albanischen Nationaldichters schlechthin ein. Beachtenswertes leistete F. auch in der Satire, so in „Ânzat e Parnasit“ (Die Wespen des Parnass, 1907), und in „Gomari i Babatasit“ (Der Esel des Babatasi, 1923), sowie in der religiösen Lyrik, die in den Sammelbänden „Mrizi i Zânavet“ (Der Rastplatz der Zânen, 1913), und „Vallja e Parrizit“ (Der Paradiestanz, 1927), vereinigt ist. Darüber hinaus schrieb er Dramen, apologetische Schriften und übersetzte gelegentlich aus Werken der Weltliteratur. Zahlreiche Beiträge der von ihm bis zu seinem Tode geleiteten Zeitschrift „Hylli i Dritës“, der von ihm herausgegebenen „Posta e Shqypniës“ und anderer angesehener albanischer Zeitschriften, wie „Albania“ und „Dielli“ (Die Sonne), entstammen seiner Feder. Auch als packender und sprachgewandter Redner war F. geschätzt.
Durch sein literarisches Werk trug F. wesentlich zur Schaffung einer aus den Mundarten des albanischen Nordens gespeisten nordgegischen Gemeinsprache bei und hatte damit zugleich an der Entwicklung der gegischen Literatursprache einen entscheidenden Anteil, der trotz des eingetretenen Kontinuitätsbruches - Grundlage der offiziellen Schriftsprache bildet seit 1950 das Toskische (Südalbanische) - noch immer latent weiterwirkt.

Literatur

Çabej, Eqrem: Der albanische Dichter Gjergj Fishta (1871-1940). In: Südost-Forsch. 6 (1941) 635-647.
Ercole, Francesco: Giorgio Fishta. In: Annuario della R. Accademia d’ Italia 13 (1940/41) 204-227 (auch separat Roma 1941).
Schirò, Giuseppe jr.: Storia della letteratura albanese. Milano 1959, 165-193.
Lambertz, Maximilian: Gjergj Fishta und das albanische Heldenepos Lahuta e Malcís ‘Laute des Hochlandes’. Leipzig 1949.
(Gedenkschriften:)
Gjergj Fishta. Nën kujdesin e revistës Shkëndija. Tirana 1941.
Numër përkujtimuer për 90-vjetorin e lindjes së Gjergj Fishtës. In: Shêjzat 5 (1961) Doppelheft 11-12.

Verfasser

Claus Haebler (GND: 135876699)


GND: 118683764

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Empfohlene Zitierweise: Claus Haebler, Fishta, Gjergj, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 1. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1974, S. 516-518 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=821, abgerufen am: (Abrufdatum)

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